Von Ludwig bis Kickl: Wer Doskozil jetzt das Leben schwermacht
Am Montag wurde bekannt, dass beim Auszählen der Stimmen am Parteitag die Namen vertauscht wurden. Nicht Hans Peter Doskozil hat die Wahl gewonnen, sondern Andreas Babler. Zur Nachvollziehbarkeit der Ereignisse bleiben die Artikel in der ursprünglichen Version auf profil.at.
Wirtschaftspolitisch links, migrationspolitisch restriktiv - diese Positionierung bescherte dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nicht nur eine absolute Mehrheit bei der burgenländischen Landtagswahl im Jahr 2020, sondern überzeugte offenbar auch die Delegierten am SPÖ-Parteitag in Linz.
Mit einer Zustimmung von XX Prozent entschied Doskozil das rote Vorsitz-Rennen gegen den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler für sich. Damit absolvierte er die erste Prüfung am Weg zur Macht. Nun warten fünf Herausforderungen auf ihn.
1. Michael Ludwig
Auch wenn Michael Ludwigs präferierte Kandidatin Pamela Rendi-Wagner bei der Mitgliederwahl verlor, bleibt er eines der wichtigsten Machtzentren in der SPÖ. Ohne die schlagkräftige Wiener Landespartei kann ein roter Spitzenkandidat keine bundesweite Wahl gewinnen. Will Doskozil das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz ins Visier nehmen, wird er sich mit Ludwig zusammenraufen müssen.
Ludwig weiß das. Und treibt den Preis.
Der Wiener Bürgermeister ließ in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit aus, Doskozil öffentlich Nettigkeiten auszurichten. Auf die Frage, ob Doskozil die Partei einen könne, meinte Ludwig im profil-Interview vielsagend: "Lebensbegleitendes Lernen ist immer wichtig, setzt aber voraus, dass Menschen bereit sind, sich weiterzuentwickeln und sich zu verändern."
Das Verhältnis der beiden roten Spitzenfunktionäre war nicht immer so konfliktbehaftet. Als Ludwig 2018 zum Wiener Bürgermeister aufstieg, suchte er zunächst die Nähe Doskozils. Der holte 2020 im Burgenland die Absolute. Und Ludwig fuhr, heute unvorstellbar, zur Wahlparty nach Eisenstadt - wohl in der Hoffnung, dass etwas vom Erfolg auf ihn überspringt.
Inzwischen sitzt Ludwig in Wien fest im Sattel. Und tritt auch in der Bundespartei entsprechend selbstbewusst auf. Die politischen Unterschiede zwischen ihm und Doskozil sind für jeden sichtbar. Während Ludwig für einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft für Zuwanderer wirbt, will Doskozil lieber beim restriktiven Status-quo bleiben. Von einer Anstellung pflegender Angehöriger, wie sie im Burgenland umgesetzt wurde, hält der Wiener Bürgermeister nicht. Er setzt auf öffentliche Pflegeheime.
Die Wiener SPÖ kann auch mit Umfragen belegen, dass Doskozil als SPÖ-Spitzenkandidat deutlich schlechter reüssieren würde, als Rendi-Wagner oder Babler. Über den Erfolg von Doskozils SPÖ-Führung wird auch entscheiden, ob es ihm gelingen kann, den Wiener Bürgermeister auf seine Seite zu holen. Ludwig wird dafür freilich inhaltliche Zugeständnisse einfordern.
2. Das Burgenland
Doskozil will sich erst als burgenländischer Landeshauptmann zurückziehen, wenn der Nationalratswahlkampf startet - also voraussichtlich im Herbst 2024. In den Startlöchern für seine Nachfolge scharrt laut profil-Infos bereits Doskozils Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf. Es gibt aber gut vernetzte Stimmen in der SPÖ Burgenland, die den bundesweit kaum bekannten Landesräten Leonhard Schneemann und Heinrich Dorner bessere Chancen geben. Interesse auf den Top-Job wird auch dem roten Klubobmann im burgenländischen Landtag, Robert Hergovich, nachgesagt. Um einen Erbfolgekrieg in seiner Landespartei zu vermeiden, muss Doskozil die Hofübergabe jedenfalls schnell organisieren.
3. Das Image des Spalters
Mit Doskozil soll ausgerechnet der Mann, der die rote Vorsitz-Debatte immer wieder wortgewaltig befeuert hat, nun die Partei einen.
Bei dem Konflikt geht es um mehr als um Befindlichkeiten: Babler und Doskozil stehen für die gespaltene Persönlichkeit der Sozialdemokratie. Wirtschaftspolitisch trennt sie wenig, die größten Unterschiede bestehen in der Gesellschaftspolitik - und im Habitus.
Während Junge und Wiener eher zum linken Babler tendieren, hat Doskozil seine größten Fanclubs vor allem am flachen Land. Die Mitgliederbefragung offenbarte das tiefe Misstrauen der verfeindeten Lager. Die Frage wird sein, ob Doskozil die Partei zusammenführen kann. Wie das gehen kann, hat der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig vorgezeigt, nachdem er den Machtkampf in der SPÖ Wien gegen Andreas Schieder für sich entschied. Er holte mehrere Schieder-Vertraute in sein Team, seither herrscht Ruhe in der mächtigsten roten Landespartei.
Das Problem des - möglichen - neuen SPÖ-Vorsitzenden: Anders als Ludwig, der in Wien mehrere Stadtratsposten zu verteilen hatte, kann Doskozil vorerst nur die Parteizentrale in der Löwelstraße und die Führung des Parlamentsklubs neu besetzen. Fraglich ist auch, ob Babler-Fans überhaupt für Doskozil arbeiten wollen, immerhin bezeichnen sie den Landeshauptmann als „Parteirechten“.
4. Die Löwelstraße
Der Unmut der roten Landesorganisationen über die Löwelstraße ist groß. Die weit verbreitete Meinung ist, dass in der Parteizentrale wenig funktioniert. Als Beleg dafür führen die Genossen die verkorkste Mitgliederbefragung an. Aber auch an der Social-Media-Kommunikation gab es zuletzt scharfe innerparteiliche Kritik. Mit verächtlichen Sujets zog der SPÖ-Account auf Twitter über Regierungsmitglieder wie Grünen-Vizekanzler Werner Kogler her. Das empfanden viele Sozialdemokraten als unwürdig. An der Spitze der Parteizentrale wird es jedenfalls zu einem Wechsel kommen, die Ära von Christian Deutsch als SPÖ-Bundesgeschäftsführer ist vorbei. Als möglichen Ersatz für Deutsch nennen viele im Doskozil-Lager den Namen Max Lercher. Der Steirer, der die Doskozil-Kampagne leitete, ist mit der Position vertraut: Er war unter Christian Kern bereits SPÖ-Bundesgeschäftsführer.
5. Herbert Kickl
Hans Peter Doskozil will das Kunststück schaffen, das seit Bruno Kreisky keinem roten Spitzenkandidaten mehr gelungen ist: Eine linke Mehrheit im Nationalrat erringen. Eine Ampel-Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos wäre Doskozils präferierte Variante, wie er immer wieder betonte.
In der aktuellen profil-Umfrage stellt sich die sozialdemokratische Ausgangslage für die nächste Nationalratswahl denkbar ungünstig dar: Lag die SPÖ im September des vergangenen Jahres noch bei 29 Prozent, kommt sie aktuell nur mehr auf 23 Prozent, während die FPÖ seit Wochen konstant in Führung liegt. Von einer Mehrheit ist die Ampel derzeit um acht Prozentpunkte entfernt.
Doskozil müsste es also gelingen, in den Wählerpools von FPÖ und ÖVP zu fischen, um die Mehrheitsverhältnisse zu verschieben. Für seine Unterstützer wie den steirischen Nationalrat Max Lercher besteht kein Zweifel daran, dass Doskozil das kann - mit Verweis auf die Wahlergebnisse im Burgenland.
Ob das allerdings auch im Bund gelingen kann, ist durch nichts bewiesen. Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl schloss Doskozil jedenfalls eine Koalition im Bund aus. Auf Landesebene hatte er vor seiner absoluten Mehrheit bereits einmal mit den Blauen koaliert.
Während die anderen Parteien bereits im Wahlkampfmodus sind und mit dem Autogipfel (ÖVP), dem Asylthema (FPÖ) und der Forderung nach Millionärssteuern (Grüne) erste Akzente setzten, beschäftigt sich die SPÖ mit sich selbst.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Selbstbeschädigung eine Fortsetzung findet.