Interview

„Deswegen bin ich für ein Kopftuchverbot für Mädchen bis 14“

Kulturkämpfe, Lehrermangel, kein Deutsch bei Schulbeginn, kaum noch Durchmischung: Christoph Wiederkehr (Neos) kennt all das aus seiner Zeit als Bildungsstadtrat. Wie will er als Bildungsminister umsetzen, woran er in Wien scheiterte?

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Zum Einstieg habe ich eine Frage einer Volksschülerin mitgebracht. In welcher Schule waren Sie, und wie hat sich die Schule seither verändert?

Christoph Wiederkehr

Ich bin in eine öffentliche Volksschule im Andrä-Viertel in Salzburg-Stadt gegangen. Ich habe eine sehr unterschiedliche Schulzeit gehabt mit schönen Erlebnissen, aber auch Frustrationserfahrungen. Die Gesellschaft hat sich seither massiv verändert. Die Schulen viel zu wenig.

Was ist modern und was veraltet am heimischen Bildungssystem?

Wiederkehr

Modern sind die Fortschritte bei der Digitalisierung oder innovative Modelle wie Mehrstufenklassen. Veraltet ist, dass Schule oft so stattfindet wie vor 100 Jahren – mit getrennten 50-minütigen Unterrichtseinheiten im Frontalunterricht. Wir brauchen eine Kulturveränderung: weg von der reinen Wissensvermittlung hin zu Kritikfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Kreativität. Das ist es, was uns vom Tier, aber auch von der künstlichen Intelligenz unterscheidet.

Von einem Ende des Stundenplans oder Frontalunterrichts steht nichts im Regierungsprogramm.

Wiederkehr

Das verbirgt sich hinter dem Begriff Schulautonomie, die wir massiv ausbauen. Wenn eine Schule den starren Stundenplan über den Haufen wirft und Fächer bündelt, um gemeinsam ein Projekt zu erarbeiten, ermutigen wir sie dazu.

Allen Kindern die Flügel heben, das verspricht Neos seit der Gründung. Welche pinken Visionen müssen in einer Koalition mit ÖVP und SPÖ am Boden bleiben?

Wiederkehr

Ich möchte jetzt am Start nicht darauf schauen, was alles nicht geht, weil ich euphorisch bin. Wir werden im Bildungsbereich so viel bewegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die gemeinsame Schule bis zwölf oder 14 Jahre ist wieder nur ein Modellversuch. Damit startete bereits Claudia Schmied, die von 2007 bis 2013 rote Bildungsministerin war.

Wiederkehr

Das Projekt ist bisher nicht ins Leben gekommen. Wir werden es neu aufstellen.

Welche Erfolge im Wiener Schulsystem qualifizieren Sie für das Amt des Bildungsministers?

Wiederkehr

Es ist trotz diverser Krisen in den vergangenen Jahren so viel weitergegangen wie noch nie. Beispielsweise bei den Ganztagesschulen, von denen ich 50 errichten habe lassen, während es im Rest Österreichs kaum Zuwachs gab. 60 Prozent der Wiener Volksschulen sind mittlerweile ganztägig.

Was hat das gekostet?

Wiederkehr

100 Millionen Euro. Wir haben außerdem zum ersten Mal Sprachkurse für Kinder und Jugendliche im Sommer angeboten. Für Jugendliche, die nicht Deutsch können.

Das soll jetzt verpflichtend werden, oder?

Wiederkehr

Ja. Alle Schülerinnen und Schüler, die nicht ausreichend Deutsch können, müssen im Sommer zwei Wochen verpflichtend Deutsch lernen. Das ist gut, weil die Sommerferien echt lange sind.

Wie viele Schüler betrifft das?

Wiederkehr

Alle, die als außerordentliche Schüler geführt sind. Das sind aktuell rund 50.000.

Sie greifen in die Urlaubsplanung zigtausender Familien ein.

Wiederkehr

Bei neun Wochen Ferien ist es angemessen, dass jene, die es brauchen, zwei Wochen in bessere Deutschkenntnisse investieren.

Und wenn die Familien am Balkan und in der Türkei bleiben? Oder die Jugendlichen im Park?

Wiederkehr

Dann ist das eine Schulpflichtverletzung, und es muss Sanktionen geben. Dann können Verwaltungsstrafen verhängt werden.

Clemens Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.