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Blau-schwarze Verhandlungsprotokolle

Kapitel politischer Islam: Warum die FPÖ auf ein Verbotsgesetz verzichtet

Stattdessen soll ein „Sammelgesetz“ kommen mit 30 Einzelmaßnahmen - vom „Hassprediger-Register“, über konsequentere Burka-Strafen bis zum Minarett-Verbot. Die Grenzen zwischen Islam und Islamismus verschwimmen.

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Ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam - nach Vorbild des NS-Verbotsgesetz. Das galt zu Beginn der Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP eigentlich als ausgemachte Sache. Immerhin drängt die FPÖ seit Jahren darauf; die ÖVP wollte es bereits mit SPÖ und Neos umsetzen. Doch in den Verhandlungsprotokollen wurde das Verbotsgesetz nicht auf grün (Einigung), sondern auf rot (keine Einigung) gestellt. Ausgerechnet von der FPÖ. Die Verhandler erkannten offenbar, dass sie ein Verbotsgesetz politischer Islam genauso in den Verfassungsrang heben müssten wie das Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung. Sie rechnen offenbar nicht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament - oder sie sind generell gegen Verbotsgesetze im Verfassungsrang. 

Vieles nur rhetorische Härte

Stattdessen ist nun ein „Sammelgesetz“ paktiert, das 30 gesetzliche Einzelmaßnahmen auflistet. Neu wäre ein „Hassprediger-Register“, das Hetzern im Netz nach dänischem Vorbild die Einreise verweigert. Andere Schritte sind bereits durch bestehende Gesetze abgedeckt. 

So soll das Burkaverbot wieder „konsequenter" bestraft sowie „die Ausübung von ehrkultureller Gewalt gegen Frauen“ oder die „Terrorfinanzierung unter dem Deckmantel karitativer Zwecke“ verboten werden. Gewalt ist Gewalt, Nötigung ist Nötigung, Terrorfinanzierung ist Terrorfinanzierung. Da steckt viel rhetorische Härte dahinter.

Andere Verschärfungen sind sehr schwammig gehalten wie etwa ein „Aktionsplan gegen radikale Online-Imame“ oder das „Abstellen von Ältestenräten“ und deren „Einstufung als Gefährder“. 

Solche Ältestenräte vermittelten unter anderem zwischen syrischen und tschetschenischen Jugendlichen, die sich im Sommer 2024 in Wien einen Bandenkrieg lieferten. Diese Schlichtungsverfahren waren befremdlich archaisch. Sie sind aber schwer als Strafdelikt zu ahnden, da die älteren Community-Vertreter bei ihren internen Schlichtungsverfahren mit der Polizei kooperierten. 

Auf schärfste Waffe wird verzichtet

Die Grenzen zwischen Islamismus bzw. politischen Islam und anerkanntem Islam verschwimmen in mehreren Passagen. So sollen „Moscheen und islamische Schulen verstärkt überwacht werden, da diese als Rekrutierungsorte für extremistische Strömungen dienen“, wird generalisierend behauptet. Die verstärkte, staatliche Kontrolle des Islamunterrichts läuft genauso unter Kampf gegen den politischen Islam wie ein verschärftes Islamgesetz, um „politisch-religiöse Siegeszeichen wie Minarette“ zu verhindern. 

Ein Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 wird im Verhandlungsprotokoll unter „Sicherheit für Frauen und Mädchen“ subsumiert. Wie es dieses Mal vor dem Höchstgericht halten soll - es wurde bereits einmal aufgehoben - ist nicht ausgeführt. 

Eine Maßnahme, die laut Staatsschützern am wichtigsten wäre zur Abwehr der islamistischen Bedrohung, wurde von der FPÖ auf rot gestellt: Die Messenger-Überwachung. 

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.