Kapitel Klima: Drei Mal „Klimaschutz“ auf 223 Seiten
„Wir stehen für einen effizienten Umwelt- und Klimaschutz“, versprach die Volkspartei in ihrem Wahlprogramm vor der Nationalratswahl. In einer blau-schwarzen Regierung dürfte sich dieses Versprechen kaum mehr wiederfinden. In 223 Seiten an Verhandlungsprotokollen, die profil vorliegen, findet sich das Wort „Klimaschutz“ nur drei Mal. „Klimaschutzmaßnahmen“ werden nur zweimal erwähnt – und das ausschließlich als Gefahr für den Wirtschaftsstandort.
Überraschend ist das nicht. Die Freiheitlichen stellen die menschengemachten Klimakrise regelmäßig in Frage. FPÖ-Chef Herbert Kickl fürchtet, dass ein in Österreich „vorherrschender Klimakommunismus“ Arbeitsplätze gefährden könnte und kritisiert den Weltklimabericht, weil dieser „Angst und Panik“ verbreiten würde. Hinter den Kulissen dürfte aber auch die FPÖ die Auswirkungen der Klimakrise anerkennen: Heimische Infrastruktur solle angepasst werden, „um den erhöhten Risiken von Extremwetterereignissen zu begegnen“, heißt es etwa im Umweltkapitel der blau-schwarzen Verhandlungsprotokolle. Doch an der Wurzel des Problems will man offenbar nur zaghaft ansetzen.
Wirtschaft vor Klima
„Klimaschutzmaßnahmen, die Wohlstand zerstören und Deindustrialisierung forcieren, sind nicht automatisch durch ein hehres Ziel gerechtfertigt“, heißt es in der von den Freiheitlichen vorgeschlagenen Präambel zum Umwelt-Kapitel. Welche konkreten Klimaschutzmaßnahmen den Wirtschaftsstandort gefährden, wird nicht erklärt. Emissionsreduktionen seien aber „kein Selbstzweck, sondern müssen mit dem Schutz von Arbeitsplätzen, wirtschaftlichen Erfolg und moderner Forschung einhergehen“.
Stattdessen einigten sich FPÖ und ÖVP in den Regierungsverhandlungen auf „Klimaschutz ohne Ideologie und Bevormundung“. Wie dieser genau aussehen soll, wird nicht festgehalten. Die Arbeitsgruppe „Internationale Klimafinanzierung“ (AGIK) im Finanzministerium soll sich aber künftig darum kümmern, den internationalen Klimaschutz an österreichischen Interessen auszurichten. Derzeit ist das Ziel der AGIK noch, Österreichs Beitrag im weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu organisieren.
Geht es nach FPÖ und ÖVP dürften die heimischen Klimaschutz-Maßnahmen ohnehin zurückgefahren werden. Zwar bekennen sich die beiden Parteien in ihrem Verhandlungspapier zu völkerrechtlichen Verpflichtungen im Klima- und Umweltbereich. Selbst darauf, 2030 den heimischen Stromverbrauch zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energieträgern zu stemmen, konnten sich die beiden Parteien aber noch nicht einigen.
Auf EU-Ebene würde eine blau-schwarze Regierung zudem den Green Deal auf „wohlstands- und standortsgefährdende Zielkonflikte“ überprüfen, sich dafür einsetzen, dass Brüssel der Industrie weiter Gratiszertifikate für deren CO2-Ausstoß ausgibt und die EU-Klimaziele möglichst „kostengünstig“ erfüllen. Besonders wichtig ist es FPÖ und ÖVP, im Klimabereich kein „Gold Plating“ zu betreiben. Dass Österreich im Klimaschutz keinesfalls die europäischen Mindeststandards überschreiten sollte, wird im Verhandlungspapier zehn Mal erwähnt.
Weniger Geld für Umwelt-NGOs, Strafen für „Klimakleber“
Dementsprechend planen die beiden Parteien auch, den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) neu aufzuschnüren. Dieser beschreibt auf 347 Seiten, wie Österreich die EU-Klimaziele bis 2030 erreichen will. Nach Streit zwischen ÖVP und Grünen verzögerte sich seine Abgabe mehrmals, der finale NEKP wurde erst am 3. Dezember 2024 veröffentlicht. FPÖ und ÖVP planen offenbar, einen gänzlich neuen Plan, wie Österreich seine Klimaziele in den nächsten fünf Jahren erreichen soll – inklusive öffentlicher Konsultationen. Um sich auf den aktuellen NEKP zu einigen, brauchten ÖVP und Grüne drei Jahre.
Klima- und Umweltschutzorganisationen dürften in einer blau-schwarz regierten Republik weniger mitzureden haben. „Keine Förderung für Klimaschutz-NGOs“, dürften freiheitliche Verhandler gefordert haben – einig ist man sich hier noch nicht geworden. Fix wären aber neue Transparenz- und Vergaberegeln für NGOs, die unter dem Titel der „Bewusstseinsbildung im Klima- und Umweltbereich“ Förderungen erhalten. Womöglich werden die staatlichen Unterstützungen also nicht alle gestrichen. Hart vorgehen wollen FPÖ und ÖVP jedenfalls gegen „Klimakleber“, deren Verkehrsblockaden etwa als Behinderung von Einsatzkräften ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden sollen. Die „Letzte Generation“, die diese Protestform genutzt hatte, hat sich im August 2024 aufgelöst.
Der Inhalt des neuen, blau-schwarzen Klimaplans lässt sich aus den Verhandlungspapieren nicht herauslesen. Klima- und Umweltpolitik solle sich aber „vorrangig auf Anreize und ökonomische Lenkungswirkung statt auf Verbote“ stützen, heißt es darin. Bei einer Abschaffung der CO2-Steuer steht die Volkspartei dennoch auf der Bremse. Auch dass die FPÖ vom „Schutz vor EU-Klimaverboten“ schreibt, bekam kein grünes Licht der ÖVP. Das „Nein zum Verbrennerverbot“ dürfte es aber in ein mögliches blau-schwarzes Regierungsprogramm schaffen.
Denn FPÖ und ÖVP setzen auch in ihren Verhandlungspapieren auf „Technologieoffenheit“. In der Praxis bedeutet das: CO2 künstlich einfangen und speichern und mehr erneuerbare Kraftstoffe im Verkehr. Die Grenze der „Technologieoffenheit“ liegt bei der Atomkraft, auf die die beiden potenziellen Regierungsparteien „vollständig“ verzichten. Der Rechnungshof soll sogar Österreichs Mitgliedschaft bei der europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) kritisch durchleuchten.
Insgesamt schreiben die beiden Parteien ohnehin lieber über Umwelt- als Klimaschutz. Vor wem man Österreichs Umwelt schützen muss? Laut dem Formulierungsvorschlag der Freiheitlichen für die Präambel des Umwelt-Kapitels bedeutet umfassender Umweltschutz etwa „Schutz unseres Trinkwassers vor EU-Zentralisierungsplänen und Arzneimittelrückständen, Maßnahmen gegen das Insektensterben und den Schutz der Almwirtschaft vor Raubtieren wie dem Wolf”.