Blühen verboten

Blühen verboten: Hanfshops in Wien

Cannabis. Allein in Wien verkaufen mehr als 20 Läden Hanfpflanzen und Zubehör für deren Pflege

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Von Matthias Eckkrammer

Aus dem Laden in der Lassallestraße 13 im zweiten Wiener Gemeindebezirk dröhnt laute Musik – Reggae mit Elektrobeats unterlegt. Im vorderen Verkaufsteil ist es düster. Auf Regalen reihen sich bis zur Decke Bongs in allen Farben und Formen aneinander, eine spezielle Art der Wasserpfeife. Der hintere Raumteil gleicht einem Lager. Auf Baupaletten sind ­Säcke mit Pflanzenerde und Dünger übereinander ge-schlichtet. Rauchutensilien aller Art stapeln sich neben der Kassa, etwa zehn Kunden warten davor. Durch einen transparenten Kunststoffvorhang gelangt man ins Herzstück des Ladens. Hier ist es warm, die Luft ist feucht wie in einem Tropenhaus. Ein würziger, leicht süßlicher Geruch erfüllt den Raum. Hunderte grüne Pflänzchen werden in breiten Stellagen permanent bewässert, von silbernen Lampen bestrahlt und von Ventilatoren belüftet. An der Wand hängen Listen mit Namen: Blueberry Haze, Chronic, Jack Flash, Bubblegum. Verschiedene Sorten der gleichen Pflanze – Hanf.

„Hanf&Hanf“ ist nur einer von über 20 Läden in Wien, die Hanfpflanzen und Anbauzubehör verkaufen. In ganz Österreich sollen es etwa 70 sein. Die Branche boomt – und das nicht wegen der hübschen, gezackten Blätter dieser Pflanze. Den Kunden geht es um die harzigen Blüten, die den berauschenden Bestandteil Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten.
Wie ist es möglich, dass eine Pflanze öffentlich verkauft werden darf, aus der sich illegale Drogen gewinnen lassen? Es handelt sich um einen Grenzgang im juristischen Graubereich. Die Grundlage bildet das österreichische Suchtmittelgesetz. In diesem steht unter Paragraf 27: „Wer vorschriftswidrig (…) die Cannabispflanze zum Zweck der Suchtgiftgewinnung anbaut (…) ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“ Das Schlupfloch für Händler wie Kunden liegt in der Formulierung vom „Zweck der Suchtgiftgewinnung“. Wird dieser Punkt nicht erfüllt, ist gesetzlich nichts am Anbau und Handel von Hanf auszusetzen. Die Läden in Wien deklarieren ihre Ware daher als Zierpflanzen; was der Kunde damit anfängt, unterliegt nicht mehr ihrer Verantwortung. Fragt man bei „Hanf&Hanf“ nach, wie man zur Blüte kommt, erhält man den Hinweis, dass dies verboten sei. Keine Tipps.

Das „City Grow“ im Hinterhof der Wiener Mariahilfer Straße 115 geht einen anderen Weg. Auf 400 Quadratmetern gibt es verschiedene Düngemittel, Töpfe, Gießkannen, Ventilationssysteme, elektronische PH-Wert-Messgeräte, Hanferde sowie Homeboxen aus Kunststoff mit Natriumdampflampe und reflektierenden Innenwänden zum Indoor-Anbau. Nur eines fehlt im Angebot: Hanfpflanzen. Um einem Konflikt mit dem Gesetz aus dem Weg zu gehen, würden nur Anbauutensilien verkauft, sagt der junge Verkäufer.

Das „City Grow“ ist eine Filiale von „Bushplanet“. In Brunn am Gebirge, in der Nähe der Shopping City Süd, betreibt das Unternehmen mit 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche und weiteren 2000 Quadratmetern Lager den größten Hanf-Grow-Shop Europas. Eine weitere Filiale befindet sich in der Esterhazygasse in Wien Mariahilf. Hier werden ausschließlich Rauchutensilien und Literatur zum Anbau verkauft. Der Verkäufer, dunkler Bart, schwarze Kappe, beide Arme bis zu den Händen tätowiert: „Wir wollen einfach keine Probleme mehr, davon hatten wir schon genug. Es ist eine Grauzone, auch beim privaten Anbau. Letztlich liegt es am Richter, zu entscheiden, zu welchem Zweck angebaut wird. Findet man in einer Wohnung eine Pflanze und zusätzlich zehn Gramm Marihuana, hat man ein Problem.“

Auch die andere Variante gibt es. Das „Flowery Field“ in der Schottenfeldgasse wirkt wie ein einfaches Pflanzengeschäft. Mit dem Unterschied, dass es ausschließlich junge Hanfableger, sogenannte Stecklinge, verkauft. Neun Euro pro Stück. An der Theke klebt ein Zettel, auf dem steht: „Aus gegebenem Anlass möchten wir Dich darauf aufmerksam machen, dass wir ausschließlich Pflanzen zu Zierzwecken verkaufen. Wir weisen darauf hin, dass unsere Verkäufer keine Beratung zu anderen Zwecken geben können und dazu verpflichtet sind, keine Pflanzen an Kunden zu verkaufen, deren Absicht, unsere Zierpflanzen zu gesetzeswidrigen Zwecken zu verwenden, erkennbar ist.“ Weiters wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Pflanzen durch Kunstlicht am Blühen gehindert werden müssen. Als zwei Burschen, beide 15, einen Steckling kaufen wollen, weigert sich die Verkäuferin. Kein Erwerb unter 18. Eine Altersbeschränkung für Zierpflanzen: Das ist immerhin originell.
Natürlich spricht sich fast jeder in der Branche für eine Legalisierung aus. Doch es ist fraglich, ob das tatsächlich ein Vorteil für die kleinen Händler wäre. Dann müssten sie sich nicht mehr mit Polizei und Justiz auseinandersetzen – dafür aber mit der Konkurrenz von Baumärkten und Großhändlern.

Bild: David Payr für profil