Blümel und Novomatic: "Termin bei Kurz"

Der Novomatic-Konzern wollte 2017 über Gernot Blümel an ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz herankommen – damit dieser dem Konzern bei der Lösung von Problemen auf dem italienischen Markt hilft. In einem SMS von Neumann an Blümel war wörtlich von einer "Spende" die Rede.

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Der Inhalt des SMS war verfänglich – und folgenreich. Im Juli 2017 schrieb der damalige Vorstandschef des Glücksspielkonzerns Novomatic Harald Neumann dem damaligen Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel eine Nachricht, die Blümel knapp mehr als drei Jahre später erheblichen Ärger einträgt.

Blümel, zwischenzeitlich ÖVP-Finanzminister, wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nun als Beschuldigter im weitläufigen „Casinos“-Verfahrenskomplex geführt. Am Donnerstag wurde er erstmals einvernommen, unmittelbar danach rückte die WKStA auf Grundlage einer richterlichen Anordnung zu einer Hausdurchsuchung an seiner Privatadresse an. Eine Razzia bei einem amtierenden Regierungsmitglied – das ist in der Geschichte der Zweiten Republik ein alles andere als alltäglicher Vorgang.

Nach gemeinsamen Recherchen von profil und der ORF-ZiB2 hegt die WKStA den Verdacht, der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann habe Blümel/der ÖVP 2017 eine „Spende“ angeboten – im Abtausch dafür sollte Blümel dem Glücksspielkonzern bei der Lösung von Problemen in Italien zur Hand gehen.

Blümel bestreitet jedwedes Fehlverhalten, eine Spende von Novomatic habe es auch nie gegeben. „Spenden von Glückspielunternehmen hätten und haben wir nie angenommen, schon gar nicht, wenn noch zusätzlich eine Gegenleistung im Raum stünde“, heißt es in einem profil übermittelten Statement aus Blümels Kabinett.

Dass es soweit kam, hat mit der eingangs erwähnten SMS-Nachricht zu tun. Am 12. Juli 2017 schrieb Neumann an Blümel: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben“.

Sebastian Kurz war ÖVP-Außenminister der Republik Österreich, der Bundeskanzler hieß damals noch Christian Kern (SPÖ).

Harald Neumann wollte also offenbar über den damaligen Wiener ÖVP-Chef an den Außenminister herankommen, damit dieser Novomatic bei der Lösung von Problemen in Italien hilft.

Um welche Probleme könnte es sich dabei gehandelt haben? Wobei hätte Kurz – quasi auf diplomatischer Ebene – Novomatic überhaupt behilflich sein können?

Tatsächlich drohtte dem Konzern mit Hauptsitz in Gumpoldskirchen Unbill vom italienischen Staat: Am 5. April 2017 hatte es bei der Tochtergesellschaft Novomatic Italia Spa eine Prüfung durch die Steuerpolizei – die „Guardia di Finanza“ – gegeben. Am 22. Juni 2017, also drei Wochen vor dem SMS von Neumann an Blümel, endete die Steuerprüfung mit einem Bericht, der wenig Gutes für das Glücksspielunternehmen verhieß: Die Behörde hinterfragte die Höhe von Lizenzgebühren, die Novomatic Italia für die Nutzung von Software an die österreichische Novomatic Gaming Industries GmbH zahlte. Damit stand die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen zur Disposition – ein Problem, das den Glücksspielkonzern viel Geld kosten konnte.

Dokumentiert ist der Vorgang im Halbjahresfinanzbericht der Novomatic AG vom 30. August 2017. Damals lag noch kein rechtskräftiger Steuerbescheid vor. Bei Novomatic verwies man auf die noch laufende Untersuchung und zeigte sich offiziell gelassen: Das Management erachte „einen negativen Ausgang aktuell als nicht wahrscheinlich“, hieß es im Bericht: Die Bildung einer finanziellen Vorsorge sei „derzeit“ nicht erforderlich. Möglicherweise machte man sich im Hintergrund aber sehr wohl Sorgen. Fest steht, dass Novomatic im Endeffekt etwas mehr als 20 Millionen Euro Steuern in Italien nachzahlen musste – mit ein Grund dafür, dass der Jahresgewinn 2017 deutlich geringer ausfiel als im vorangegangenen Jahr.

Novomatic hat bereits in der Vergangenheit immer wieder Wert auf die Feststellung gelegt, keine Spenden an politische Parteien geleistet zu haben.

Was meinte Neumann mit „Spende“? Noch am Donnerstag veröffentlichte Neumanns Anwalt Norbert Wess folgende Stellungnahme: „Mein Mandant, Magister Harald Neumann, hält fest, dass es weder von ihm persönlich noch von Seiten der Novomatic AG Spenden an politische Parteien, sohin auch nicht an die ÖVP, gegeben hat. Eine etwaige Spende wurde von meinem Mandanten – insbesondere in Zusammenhang mit einer allfälligen Thematik mit Italien – zu keiner Zeit versprochen, angeboten oder auch nur in Aussicht gestellt. Mag. Neumann weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück und ist davon überzeugt, dass es rasch zu einer Aufklärung dieser falschen Rückschlüsse kommt.“

Ob es zu dem von Neumann gewünschten Treffen mit Kurz kam, ist nicht klar. Ein Sprecher Blümels konnte dazu am Donnerstagnachmittag noch keine Angaben machen, Kurz‘ Sprecher war für profil vorerst nicht erreichbar. Nur soviel verlautete es aus Blümels Umfeld: Anliegen von österreichischen Unternehmen im Ausland würden täglich an die Politik herangetragen, das sei "selbstverständlich", wenn es um österreichische Arbeitsplätze gehe.

Update: Am Donnerstagabend äußerte sich Finanzminister Gernot Blümel in einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen. Für ihn sei es völlig überraschend, dass er beschuldigt wird. Die Vorwürfe seien definitiv falsch und einfach zu widerlegen: "Wir nehmen keine Spenden von Glücksspielunternehmen an", so Blümel. Die Spendenliste der ÖVP sei öffentlich einsehbar und vom Rechnungshof geprüft: "Es gab keine Spende."

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.