Justiz

„War das eine Grenzüberschreitung, Herr Ex-Minister Brandstetter?“

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter im Interview über seinen Clinch mit Doskozil, seine Chats mit Pilnacek, den Verdacht der Zwei-Klassen-Justiz – und wie er ein „Erinnerungsbuch“ schreiben kann, obwohl er sich in einem Strafverfahren mit Erinnerungslücken verteidigt.

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Es ist ein Match, bei dem kein Auge trocken bleibt: Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf der einen – und Wolfgang Brandstetter, einst parteifreier Justizminister auf ÖVP-Ticket, auf der anderen Seite.

Doskozil hat ein Buch geschrieben, in dem auch Brandstetter vorkommt. Der begehrte Strafverteidiger und spätere Verfassungsrichter war nach seinem Ministerjob (2013–2017) unter anderem für den Unternehmer und Immobilien-Investor Michael Tojner tätig. Den wiederum hat das Land Burgenland Anfang 2019 angezeigt. Damals soll es laut Doskozil zu einem Treffen in einem Landgasthaus in Niederösterreich gekommen sein, bei dem Brandstetter ihm ein „eigentlich unverschämtes Angebot“ unterbreitet hätte. Sinngemäß: Tojner zahlt dem Land Burgenland vier Millionen Euro als Abgeltung für einen allfälligen Schaden in Zusammenhang mit mehreren Wohnbau-Genossenschaften. Dafür läuft das Ermittlungsverfahren dann nicht bei der allseits gefürchteten Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sondern in Eisenstadt – die WKStA ist erst ab fünf Millionen Euro zuständig. Tojner hat sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen. Brandstetter wiederum bestreitet, Doskozil ein derartiges Angebot unterbreitet zu haben, und will den Landeshauptmann klagen.

Es ist jedoch beileibe nicht der einzige Grund, warum der 67-jährige Ex-Justizminister bis zuletzt immer wieder für Schlagzeilen sorgt: Brandstetter wird selbst von der Justiz verfolgt. Er kommt im gerade veröffentlichten Bericht einer Untersuchungskommission des Justizministeriums (vulgo „Kreutner-Kommission“) öfter vor, als ihm lieb sein kann. Und Brandstetter hat nun angekündigt, ebenfalls ein Buch herauszubringen – ein „Erinnerungsbuch“, obwohl er sich im Rahmen laufender Ermittlungen damit verteidigt hat, aus gesundheitlichen Gründen Erinnerungsprobleme zu haben.

Herr Brandstetter, haben Sie Landeshauptmann Doskozil nun schon geklagt?

Brandstetter

Der Auftrag ist erteilt. Die Klage muss sein.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.