Wendeorte Teil 3

Bruck an der Leitha: Die Wachstumsschmerzen einer Boom-Gemeinde

In "Wendeorten" werden die großen Themen der Nationalratswahl 2024 im Kleinen lebendig. Teil 3 der 9-teiligen Serie: Bruck an der Leitha in Niederösterreich. Die Stadt wächst und ändert sich rasant, auch durch den Klimawandel. Manchen Bewohnern geht der Wandel zu schnell.

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Ist die Schale noch grasgrün oder wird sie langsam gelb? Sind die Früchte schon schwer? Dreht sich das Blatt der „Top Gun“ krümelig-trocken ein oder schaut es saftig und damit unreif aus? Wie groß sind die „Red Star“? Ausgewachsen oder können sie weiter zulegen?

Lukas Windholz, Slim-Fit-Hemd, Frisur und Bart akkurat gestylt, stapft langsam durch das Melonenfeld, bückt sich hinunter zu den Minisorten, hebt vorsichtig eine der großen Wuscher an, dreht langsam eine Zuckermelone um. Dann gräbt er die Finger entschlossen in eine kugelrunde Frucht. Die Schale bricht, Wasser spritzt heraus. Noch ein Knacken, dann ist die Melone in zwei Hälften zerteilt und offen: „Ah, schön rot. Die Hitze taugt den Melonen, da machen sie jeden Tag einen Riesenschub und werden schnell reif. Am Wochenende können wir ernten.“ Da werden er und sein Vater auf das 1,5 Hektar große Feld einen guten Kilometer weg vom Ortszentrum fahren. Es wird der erste Sonntag sein, an dem der 60-jährige Papa Helmut Windholz offiziell Pensionist sein und der 28 Jahre alte Lukas mit seinem Bruder Thomas den Bauern- und Winzerhof in Bruck an der Leitha in Niederösterreich übernommen haben wird.

Melonen anzubauen statt Getreide, Soja, Kukuruz oder Blatterbsen wie der Vater, das war seine Idee. Etwas Neues musste her: Die Region liegt am Rande des Leithagebirges auf niedrigen 150 Metern über dem Meeresspiegel, ist heiß, trocken, sonnig. Das Grundwasser aus 50 Metern hochzupumpen, kommt teuer. „Melonen in Niederösterreich, das klingt vielleicht seltsam, funktioniert aber gut. Das Klima ändert sich, wir Landwirte müssen innovativ bleiben“, sagt Jungbauer Windholz. Bloß die Förderbürokratie für Bioprodukte findet er „echt mühsam“. Mit 1500 Melonenpflanzen hat er vor ein paar Jahren begonnen, heuer sind es 7500. Manche verkauft er im örtlichen Supermarkt, die meisten ab Hof – das Bionischenprodukt rentiert sich, gemeinsam mit dem Heurigen und Weinbau des Bruders.

Früchte wie Melonen, die man traditionell eher mit Italien verbindet, und Versuche mit Olivenbäumen mitten in Niederösterreich: Bauern experimentieren mit neuen Produkten, die Hitze mögen. Die Klimakrise macht es notwendig.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin