Regierungsbildung

„Ich will Klarheit für Österreich“

Vorerst gibt es von Bundespräsident Van der Bellen keinen Regierungsbildungsauftrag. Die drei stimmenstärksten Parteien sollen zunächst die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit klären, um aus der „Pattsituation" zu kommen.

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Dass es nicht schnell gehen würde, stand fest. Und doch waren alle politischen Augen heute auf die Hofburg gerichtet. Genauer gesagt auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Würde er im Anschluss an die gestern abgeschlossenen Einzelgespräche mit den Chefs der künftig im Parlament vertretenen Parteien wie bisher üblich der stimmstärksten Fraktion – und damit FPÖ-Chef Herbert Kickl – einen Regierungsbildungsauftrag erteilen?

Er hat es nicht getan. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird nach der Nationalratswahl vorerst gar keiner Partei einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Das machte er am Mittwoch in einem Statement in der Präsidentschaftskanzlei klar. Er hat dafür die Chefs der drei stimmenstärksten Parteien – FPÖ, ÖVP und SPÖ – dazu aufgefordert, sie mögen „verlässlich klären, welche Zusammenarbeit vorstellbar wäre“.

Schließlich brauche es mindestens zwei der drei größeren Parteien für eine Regierungszusammenarbeit. Zeit haben Herbert Kickl (FPÖ), Karl Nehammer (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ) dafür bis Ende der kommenden Woche. Dann will der Bundespräsident sie erneut einladen, um vom Ergebnis der Gespräche zu erfahren. Die Öffentlichkeit will Van der Bellen wieder informieren, sobald es Neuigkeiten zu berichten gibt, sagte er.

Dass der Vorsitzende der stimmenstärksten Partei einen Auftrag zur Regierungsbildung erhält, ist zwar Usus, aber nicht in der Verfassung festgeschrieben – wie profil berichtete. Die Notwendigkeit einer neuen Vorgangsweise begründete Van der Bellen damit, dass ein „unüblicher Fall“ eingetreten sei – nämlich, dass es mit der FPÖ einen Wahlsieger gebe, mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren wolle: „Meine Damen und Herren, eine klassische Pattsituation.“

Während FPÖ-Chef Herbert Kickl versichert habe, dass es die FPÖ in einer Regierung nur mit ihm als Kanzler gebe, haben die anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ – im Falle der ÖVP konkret mit Kickl – ausgeschlossen, erläuterte Van der Bellen. Seine Gespräche mit den Parteiobleuten hätten diesen Eindruck nochmals verstärkt. „Meinen alle Beteiligten wirklich ernst, was sie gesagt haben?“, stellte der Bundespräsident in den Raum. Davon sei eigentlich auszugehen, aber: „Ich will Klarheit für Österreich.“ Sondierungsgespräche, die von vornherein zum Scheitern verurteilt seien, würden das Land jedenfalls nicht weiterbringen.

Obwohl nicht mit dem Regierungsbildungsauftrag bedacht, berief sich FPÖ-Chef Kickl auf seine Position als Obmann „der stimmenstärksten Partei und des klaren Wahlsiegers". Als solcher werde er „jeweils Gesprächstermine mit den Obleuten der zweitplatzierten ÖVP und der drittplatzierten SPÖ koordinieren", teilte er am Mittwochnachmittag mit. Diesen Schritt habe er bisher aus Rücksichtnahme auf Usancen im Vorfeld vergangener Regierungsbildungen nicht gesetzt. Die Stellungnahme Van der Bellens habe man in der FPÖ „mit großem Interesse" verfolgt.

„Wir kommen dem Auftrag des Herrn Bundespräsidenten natürlich nach und werden Gespräche mit den anderen Parteichefs führen“, hieß es am Mittwoch aus der SPÖ zur APA. Das weitere Vorgehen werde man mit den anderen Parteien abstimmen: „Die Ergebnisse der Gespräche werden wir dem Bundespräsidenten nächste Woche mitteilen." Keine Stellungnahme gab es zunächst seitens der ÖVP, derzeit seien auch noch keine Statements geplant.

Judith Belfkih

Judith Belfkih

ist seit Juli 2024 Digital-Chefin bei profil. War davor in der Chefredaktion der „Wiener Zeitung“