Sein äußeres Erscheinungsbild ist Peter Hanke, bald 61, wichtig. Anzüge von feinstem Zwirn, Hemden mit Doppelmanschetten, Seidenkrawatten, Stecktücher; eine passende Garnitur zu jedem Anlass, ob zur Angelobung in der Hofburg oder beim Tennisturnier in der Stadthalle; dazu Accessoires wie Uhren, Manschettenknöpfe und – als persönliche Note – ein wuchtiger Edelsteinring an der rechten Hand; glattrasiert, mit vorgestrecktem Kinn, das volle Haar akkurat gescheitelt, charmant im Umgang: ein sozialdemokratischer Cary Grant aus Favoriten. Im Februar musste der Blinddarm raus – und sogar als Patient im Krankenhaus machte er im weißen Tennislehrer-Hoodie bella Figura, ebenso in Feuerwehrmontur im Feuerwehrausbildungszentrum nur zwei Wochen später. Und es wäre nicht Hanke, wenn er solche Fotogelegenheiten ungenützt verstreichen ließe. Medien nennen ihn gern einen „Sir“ oder „Dandy“.
Man sollte Sir Peter nicht auf Äußerlichkeiten reduzieren. Hanke versteht etwas vom politischen Geschäft. Vor drei Wochen wurde der frühere Wiener Finanz- und Wirtschaftsstadtrat als Verkehrsminister angelobt. Nun herrscht er über ÖBB und Asfinag, über Schiene und Straße. Hanke dreht an einem großen Rad – und fast wäre er SPÖ-Vorsitzender geworden.
Die ÖVP-Minister schätzen ihn schon nach zwei Wochen als pragmatischen, offenen Kollegen. Ein Verkehrsminister kann sie aber auch nicht so quälen wie ein Finanzminister. Eigentlich wäre Hanke für diesen Job vorgesehen gewesen, Verkehrsminister sollte der niederösterreichische SPÖ-Landesparteivorsitzende Sven Hergovich werden. So hatte man es sich zumindest in der Wiener SPÖ vorgestellt. Bundesparteichef Andreas Babler wollte es anders. Er machte den Arbeiterkammer-Chefökonomen Markus Marterbauer zum Finanzminister, Peter Hanke zum Verkehrsminister und hielt sich damit den 36-jährigen Hergovich vom Leibe, den viele in der Partei bereits als nächsten Parteichef sehen.
Rote Personalreserve
Auch Hanke gilt nach wie vor als Personalreserve für den Parteivorsitz, wiewohl er einer älteren Politikergeneration angehört. Am heftigsten wurde über sein mögliches Avancement im Juni 2021 spekuliert, als die damalige SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner beim Parteitag nur 75 Prozent Zustimmung bekam.
SPÖ-Funktionen sind Hankes Sache nicht, schon gar nicht der Vorsitz. Zwar steht beziehungsweise sitzt er gern in der ersten Reihe, aber nicht auf Parteitagen, sondern bei Pressekonferenzen zu Wirtschaftsthemen, Betriebsbesuchen und gesellschaftlichen Veranstaltungen aller Art. Auch heuer besuchte er den Opernball. Dort sagte er in einem Interview: „Den Walzer liebe ich immer. Die Probleme sind groß, das wissen wir alle. Aber dass diese Republik heute ein paar Stunden feiern darf, ist schön.“
Vergangenen Mittwoch absolviert Hanke einen seiner ersten öffentlichen Auftritte als Minister am Wiener Hauptbahnhof mit ÖBB-Chef Andreas Matthä und AUA-Chefin Annette Mann. „Es ist ein gutes Gefühl, für diese Republik arbeiten zu dürfen“, sagt er. Das Verkehrsressort ist mit seinen wechselnden Zuständigkeiten und Namen seit jeher der Bauchladen unter den Ministerien. Unter Hanke wird es Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur heißen.
Hankes Vorgängerin, die Grüne Leonore Gewessler, verantwortete dazu den Umwelt- und Klimaschutz sowie die Energieagenden. Beide Bereiche wanderten zur ÖVP. Hankes Begeisterung bei seinem Auftritt am Hauptbahnhof mindert das nicht: „Lasst uns gemeinsam die Zukunft angehen.“ So mitreißend spricht der Minister, dass die Moderatorin der eigenen Begeisterungsfähigkeit erliegt: „Danke Herr Bundesminister, was für eine Eröffnung!“
Peter Hanke ist ein tiefengeprägter Sozialdemokrat. Sein Vater Erik saß 20 Jahre lang im Wiener Gemeinderat, war Obmann der Kinderfreunde und Präsident des Trägervereins von „Licht ins Dunkel“. Dazu führte er das städtische Plakatwerbeunternehmen Gewista.
Auch Sohn Peter bewegte sich in der Zwischenwelt von Politik und öffentlicher Wirtschaft. Der De-facto-Betriebswirt – das Studium schmiss er kurz vor dem Abschluss – sieht sich bis heute lieber als Manager, weniger als Politiker. Den größten Teil seines Berufslebens verbrachte er in der Wien Holding, in der die Stadt rund 75 Unternehmen mit 3700 Mitarbeitern (Gesamtumsatz 2023: 750 Millionen Euro) verwaltet. Dazu zählen Theater (Ronacher, Raimund Theater, Theater an der Wien), Museen (Haus der Musik, Jüdisches Museum), Sportstätten wie das Ernst-Happel-Stadion, Veranstaltungsbetriebe (Stadthalle, Marx Halle), Bauträger, Wohnbaugenossenschaften, Thermen, der Hafen Wien, die DDSG (Donaudampfschifffahrtsgesellschaft) und eine 20-prozentige Beteiligung am Flughafen Wien.
In diesem städtischen Mischkonzern legte Hanke eine Karriere hin, wie sie in der echten Privatwirtschaft eher selten vorkommt: vom Vorsitzenden des Betriebsrats (1996 bis 2002) zum Geschäftsführer (2002 bis 2018). Hanke wird nachgesagt, sich in seinem Job recht wohlgefühlt zu haben: ein gutes Salär, öffentliche Auftritte mit Seitenblicke-Garantie und ausreichend Freizeit, um seinem Lieblingshobby, dem Segeln in der Adria vor Kroatien, nachzugehen. Erfolgreich war er obendrein: Unter seiner Ägide wurde aus dem Firmenkonglomerat ein effizient geführter Konzern.
Wenn der Bürgermeister ruft
Doch dann erschallte der Ruf des Bürgermeisters, und als braver Sozialdemokrat, der unter der Patronanz der Partei Karriere machte, schlägt man ein – mit Nachdruck vorgetragenes – Angebot von Michael Ludwig nicht aus. Nach dem Rücktritt von Renate Brauner wurde Hanke im Mai 2018 Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales. Der Bürgermeister sagte, wo’s langgeht, Hanke sorgte für die Finanzierung.
Allerdings bedeutete der Wechsel von der Spitze der Wien Holding in die Stadtregierung Einbußen beim Einkommen. Parteiintern kursiert das Ondit, Ludwig habe Hanke als kleinen Ausgleich die Mandatsabgabe erlassen, die jeder SPÖ-Politiker von seinem Bezug in einem öffentlichen Amt an die Partei abführen muss. Auf profil-Anfrage teilen sowohl die SPÖ als auch Hankes Büro mit, dass „über interne Zahlungsmodalitäten gegenüber der SPÖ aus Datenschutzgründen keine Auskunft“ erteilt werde.
Nach der Wahl im Herbst 2020 erhielt Hanke zusätzlich die Zuständigkeiten für Arbeit und die Wiener Stadtwerke – was ihm zwei Jahre später den bisher größten Stress seiner Berufslaufbahn einbrachte. Ende August 2022 wurde bekannt, dass die Stadtwerke-Tochter Wien Energie hochriskante Handelsgeschäfte am europäischen Energiemarkt eingegangen war, die als Folge von Markt-turbulenzen in Schieflage gerieten. Die Stadt schoss per umstrittener Notverordnung 1,4 Milliarden Euro nach, der Bund musste für weitere zwei Milliarden haften. Hankes Krisenmanagement stieß bei Bürgermeister Ludwig auf wenig Begeisterung, vor allem als bekannt wurde, dass Hanke – ein blöder Zufall – zu dieser Zeit gerade auf Segelurlaub an der Adria war.
Doch insgesamt waren es durchaus gute Jahre für Wien. Viel Energie verwendet Hanke zur internationalen Vermarktung der Stadt als Wirtschaftsstandort. Durch die Coronakrise steuerte er mit Umsicht und unterstützte die Betriebe. Bei einigen städtischen Großprojekten wie dem Ausbau der Wiener U-Bahn und dem neuen Busterminal am Prater holperte es allerdings.
Auch zuletzt lief es nicht rund. Am 10. Jänner musste Hanke eingestehen, dass das Defizit der Stadt Wien 2025 statt der im Voranschlag prognostizierten 2,2 Milliarden Euro auf 3,8 Milliarden Euro anwachsen könnte. Schuld daran trage nicht die Stadt, so Hanke, sondern „die verantwortungslose Finanzpolitik der ÖVP, die diverse Steuerentlastungen umgesetzt hat, ohne sich um eine geeignete Gegenfinanzierung zu kümmern“. Nach dem Wechsel in die Bundesregierung sind die städtischen Schulden nicht mehr sein Problem.
Hankes Verkehrsministerium gilt als Fachressort ohne ideologisches oder gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial. Allerdings: Bei Milliarden-Infrastrukturprojekten bekommt ein Minister die geballte Macht der Landeshauptleute, der Bürgermeister und der Bauindustrie zu spüren. „Das Bedürfnis der anderen, auf mich einzuwirken, kenne ich“, sagte Hanke einmal über seine Stellenbeschreibung als Wiener Finanzstadtrat. Auch im neuen Job werden entsprechende Kräfte auf ihn wirken. Von Bürgermeister Ludwig hat er den Auftrag mitbekommen, den umstrittenen Lobautunnel zu realisieren. Das 2,4-Milliarden-Euro-Projekt wurde von Leonore Gewessler gestoppt.
In seiner bisherigen politischen Laufbahn machte sich Hanke keine Feinde. Rauflust zählt – im Gegensatz zu Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker – nicht zu Hankes Eigenschaften. Der neue Minister wird als verbindlich geschildert. Sein klassenkämpferisches Bewusstsein beschränkt sich auf den 1.-Mai-Aufmarsch der SPÖ am Wiener Rathausplatz. Die Beziehung zu Andreas Babler werde „dauerhaft professionell“ sein, so Hanke gegenüber der „Kronen Zeitung“. Mit der Familie von Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer sind Herr und Frau Hanke, Managerin in einem Bauunternehmen, eng befreundet. Auch eine Dosis Law-and-Order findet sich in seiner Vorstellungswelt. Im Jahr 2021 regte Hanke Betretungsverbote im öffentlichen Raum, wie am Donaukanal oder am Praterstern, für straffällig gewordene Asylwerber an. Und Klimakleber sollten die Kosten für ihre Aktionen „selbst tragen“.
Fragt man Hanke – wie einmal das Wirtschaftsmagazin „trend“ – nach Schwächen, etwa der Stadt Wien, muss man mit einer frohsinnigen Antwort rechnen: „Ich erlaube mir, diese Frage nicht zu beantworten. Ich gehöre zu den Menschen, die Lösungen und Stärkefelder definieren.“ So machte Sir Peter auch Karriere.
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.