Unsicheres Herkunftsland: Norbert Hofers Wahlkampf im Burgenland
Von Iris Bonavida
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Peter Westenthaler hat sich für den besonderen Anlass ein Stück Geschichte übergezogen. Es hat sich gut gehalten, obwohl es aus dem Jahr 1994 stammt, der blau-gelbe Stoff leuchtet noch grell. Den emotionalen Wert der Jacke macht aber der Aufnäher aus. Westenthaler streicht die Falten glatt, damit der Schriftzug besser lesbar ist: „Jörg“. Bei der Nationalratswahl vor 30 Jahren hat er die Jacke zum ersten Mal getragen, als er den damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider unterstützt hat. Heute soll sie Norbert Hofer Glück bringen. Westenthaler, 57 Jahre alt, ehemaliger Funktionär von FPÖ und BZÖ und heute ORF-Stiftungsrat, begleitet ihn an diesem Sonntag aber nur als Freund, wie er betont.
Norbert Hofer steht daneben und wird nostalgisch. Nicht wegen Westenthaler, auch nicht wegen Jörg Haider, sondern wegen der Kulisse. Hier in Eisenstadt hat er als Gemeinderat 1997 seine ersten politischen Schritte gesetzt. An Wochenenden hat er damals mit seinen FPÖ-Kollegen Punsch verteilt und zu Falco-Partys eingeladen. Vermutlich war damals mehr los als an diesem Nachmittag am zweiten Advent. Ein Overtourism-Paket muss Norbert Hofer hier nicht fordern. „Die Fußgängerzone ist einfach zu lang“, findet er, „dadurch verläuft sich alles.“
Peter Westenthaler
Der ORF-Stiftungsrat, Jahrgang 1967, und seine Jörg-Jacke, Jahrgang 1994.
Weniger Andrang bedeutet aber auch: Hofer und sein Wahlkampfteam fallen auf. Das ist die Mission des heutigen Tages – die Burgenländerinnen und Burgenländer daran zu erinnern, dass Hofer wieder zurück und vor allem wieder wählbar ist: am 19. Jänner bei der Landtagswahl.
Einer der ersten Besucher, auf die Hofer trifft, ist ein Ungar. An die Macht verhelfen kann er Hofer also nicht, trotzdem stellt dieser seine Begleitung vor: „Do you know Peter Westenthaler? He is very famous in Austria.“ Dann verabschiedet sich Hofer: „Best regards to Viktor.“
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BURGENLAND-WAHL: PK FPÖ BURGENLAND "PRÄSENTATION DER LANDESLISTE SOWIE DER BEZIRKSLISTEN" / HOFER
Norbert Hofer
Der FPÖ-Spitzenkandidat ist auf „Comeback“-Tour im Burgenland.
Auch wenn nicht jedes Gespräch zu einer Stimme für die FPÖ führt: Präsenz zu zeigen, ist für Hofer essenziell. In den letzten Jahrzehnten war sein Arbeitsplatz Wien. Norbert Hofer ist der Beinahe-Mann der FPÖ. Beinahe Bundespräsident, als er 2016 mit 46 Prozent der Stimmen gegen Alexander Van der Bellen nur knapp verlor. Beinahe Nationalratspräsident, hätte Herbert Kickl im Oktober ihn, den bisherigen Dritten im Nationalratspräsidium, für das Amt nominiert – und nicht Walter Rosenkranz.
Jetzt kandidiert Hofer im Burgenland. Angeblich aus eigenem Antrieb, aber dass ihn die Partei nicht als Nationalratspräsident haben wollte, dürfte einen ordentlichen Ausschlag dafür gegeben haben. Bei der Landtagswahl will Hofer einen Titel ganz ohne „Beinahe“ erhalten: den des Landeshauptmannes.
Am Papier ist das Burgenland alles andere als ein politisches Schwergewicht. Auf 4000 Quadratkilometern leben hier knapp 302.000 Menschen, rund 250.000 davon wahlberechtigt. Im sonnenreichsten Bundesland gibt es mehr Niederschlagstage im Jahr (154) als Postleitzahlen (146). Trotzdem entscheidet sich am 19. Jänner für zwei Parteigrößen eine wichtige Frage: Ist der Erfolg der Freiheitlichen ein nachhaltiger Trend, auch mit dem ruhigeren Rhetoriker Norbert Hofer? Oder zeigt Landeshauptmann Hans Peter Doskozil im Kleinen, dass seine Version der Sozialdemokratie den großen Siegeszug der Freiheitlichen durchbrechen kann?
Wenn Norbert Hofer am Christkindlmarkt nach seiner Präferenz gefragt wird, antwortet er: rot. Er zieht das den ganzen zweiten Adventsonntag durch, um bloß nicht zu viel zu mischen. Roter Glühwein oder im Idealfall ein Achterl, auch wenn Hofer am liebsten ab und zu ablehnen würde. Daher hat er mit seinem Mitarbeiter einen Deal, der trinkt sein Glas für Hofer aus.
Alle Farbkonstellationen offen
Politisch lässt sich Hofer alle Farbkonstellationen offen. Vor fünf Jahren erhielt die SPÖ noch 49,9 Prozent und damit die absolute Mehrheit im Landtag. Das war allerdings nach Ibiza und vor der Coronakrise. Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 schnitt Hofer mit 58 Prozent in seinem Heimatbundesland am besten ab, bei der jüngsten Nationalratswahl färbte sich das Burgenland blau.
In Eisenstadt erzählt man sich daher folgendes Szenario: Sollte eine Mehrheit gegen die SPÖ und Hans Peter Doskozil möglich sein, wird sich Norbert Hofer von der ÖVP zum Landeshauptmann wählen lassen. Auch wenn die SPÖ Platz eins halten sollte. Norbert Hofer selbst schließt eine solche Option nicht aus – genauso wenig wie eine Koalition mit den Sozialdemokraten.
Ob eine Mehrheit gegen Doskozil möglich ist, hängt auch von Anja Haider-Wallners Ergebnis ab. Für die grüne Spitzenkandidatin ist die Spannbreite der Optionen besonders groß. Ihre Partei könnte mit der SPÖ regieren – oder die vier-Prozent-Hürde verpassen und aus dem Landtag fliegen. „Wenn man sich die jüngsten Wahlergebnisse ansieht, besteht die Gefahr“, sagt sie. Das Bundesland ist ein schweres Pflaster für die Grünen, erst 2000 zogen sie ein und erreichten nie mehr als 6,7 Prozent. Haider-Wallner hofft, zwei Mandate halten zu können. „Wir sind eine Alternative für alle, die gegen das Betonieren im Land und für mehr Kontrolle der SPÖ-Übermacht sind.“ Sollten die Grünen mit der SPÖ eine Koalition verhandeln, wollen sie die vielen Landes-Holdings unter die Lupe nehmen, die Doskozil geschaffen hat, und wieder mehr Kompetenzen der Verwaltung des Landes geben – wo die Opposition auch mehr Möglichkeit zum Einblick hat.
Anja Haider-Wallner
Bleibt die grüne Spitzenkandidatin mit ihrer Partei im Landtag vertreten?
Sollten die Grünen aber verlieren und die NEOS den Einzug nicht schaffen, wären nur drei Parteien im Landtag. „Dann werden FPÖ und ÖVP eine Koalition gegen Hans Peter Doskozil bilden“, sagt die rote Landesgeschäftsführerin Jasmin Puchwein.
Maximal 300.000 Euro
Die Wahlkampfmittel sind im Burgenland begrenzt, 300.000 Euro dürfen die Parteien maximal ausgeben. Auf der Fahrt von Eisenstadt nach Rust zählt Hofer drei Plakate mit seinem Konterfei, zukleben kann die Partei die Landschaft nicht. Gut ankommen würde das ohnehin nicht, merkt Hofer. Die Leute haben gerade genug von Politik. Wer ihn anspricht, will in den meisten Fällen ein Foto, kein Fachsimpeln. „Kumm her, Mutti“, sagt eine Frau und holt ihre Mutter aufs Bild. „Und der Herr Westenthaler kann auch mitkommen.“ Die SPÖ startet ohnehin erst im Jänner in den Intensivwahlkampf, am Mittwoch meldete sich Doskozil nach einem Eingriff am Kehlkopf in der Öffentlichkeit zurück.
Hans Peter Doskozil
Der SPÖ-Landeshauptmann meldete sich nach einer krankheitsbedingten Pause wieder in der Öffentlichkeit zurück. Der Intensivwahlkampf startet Anfang Jänner.
Norbert Hofer sagt, im Burgenland fühlt er sich wohler, weil es keinen offenen Streit in der Politik gäbe, das liege ihm. Selbst Peter Westenthaler, der auf Oe24 gern brüsk und brutal austeilt, gibt sich am Christkindlmarkt streichelweich.
Bloß keine Fehler machen
Inhalte spielen noch keine große Rolle, die Elefantenrunden und TV-Diskussionen sind erst für Jänner geplant. Wer in das FPÖ-Programm schaut, wird – keine große Überraschung – ein FPÖ-Programm entdecken. Die Staatsbürgerschaft soll erst nach 30 Jahren Aufenthalt verliehen werden, außerdem brauche es „Informationskampagnen zur Sensibilisierung für klare Sprache ohne Gender-Sternchen und Binnen-I“. Wie manche Forderungen rechtlich umsetzbar sein sollen, bleibt offen. Die FPÖ fordert zum Beispiel weniger Sozialleistungen für EU-Ausländer, die „keinen wesentlichen Beitrag zum Sozialsystem leisten“, Mindestsicherung soll es erst nach „Erlangen der Staatsbürgerschaft“ geben. Der von Rechtsextremen neu im Umlauf gebrachte Begriff der „Remigration“ kommt mehrmals vor: Hofer fordert ein „Remigrationszentrum“ und eine „Öffentlichkeitskampagne zur Remigration“.
Eine Stimmung kann man im Wahlkampf verstärken oder abschwächen, sagt Hofer, aber niemals drehen. Die größte Schwierigkeit, wie in jeder Kampagne, ist jetzt: „Keine Fehler machen.“ Falls doch, hilft ihm womöglich sein aktuelles Studium. Risiko- und Krisenmanagement. „Eigentlich hätte ich das nach Ibiza gebraucht“, sagt er.
Aber was, wenn es am 19. Jänner wieder ein Beinahe wird? Könnte Norbert Hofer doch bei der nächsten Bundespräsidentschaftswahl im Jahr 2028 kandidieren? Er lässt die Tür einen kleinen Spalt offen. Sollte erim Burgenland gewählt werden und Regierungsarbeit leisten, bleibt er auch im Bundesland. Damit schwingt allerdings auch mit: Wenn nicht, könnte es eine Außerburgenlandesbringung geben.
Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.