Caspar Einem: „Zu wenig Partei“
Er war kein Paradelinker und schon gar kein Parteimensch. Caspar Einem war ein linksliberal denkender, abwägender, neugieriger Mensch, der sich aus Verantwortungsbewusstsein, vielleicht auch mit einer gewissen Portion Eitelkeit in die Schlacht der Parteipolitik warf und damit nicht immer glücklich war. Wie sollte er auch. Einem war ein Intellektueller, ein Bücherleser wie Ferdinand Lacina, der aus der Politik ausschied, als Einem kam. 1995 war Caspar Einem vom damaligen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky als Innenminister angelobt worden. Ein mutiger und riskanter Schritt, heute kaum noch vorstellbar. Denn Einem war einer der seltenen, unangepassten und unbequemen Zeitgenossen, die den Beruf des Politikers als ethische Aufgabe ernst nahmen.
In seinem früheren Leben, also vor der Politik, war er Bewährungshelfer, Arbeiterkämmerer und OMV-Manager gewesen. Wenn man länger mit ihm sprach, neigte er den Kopf, hielt ihn dort in natürlicher Arroganz, dachte nach und sagte gelegentlich etwas sehr Unerwartetes. In der Politik ist das nach ihm kaum noch geschehen.
Es mag schon sein, sagte Einem einmal, das seine großbürgerlich-adelige Herkunft ihm geholfen habe, in Schattierungen und nicht in Wahrheiten zu denken. Er habe oft den Vorwurf hören müssen, er sei „zu wenig Partei“. Sein Vater war der Komponist Gottfried von Einem, seine Mutter eine Nachfahrin von Bismarck.
Seine Schulbildung erfuhr er als Protestant in einer katholischen Eliteschule. Eine Herrschaftswohnung, die ihm gehörte, wandelte er aus schlechtem Gewissen in eine Wohngemeinschaft um.
Einer linksradikalen Gruppe spendete er eine lächerliche Summe, damit sie ihr linksradikales Pamphlet drucken lassen konnten. Wie konnte er nur? Als Einem das Amt des Innenministers antrat, wurde der Sündenfall bekannt und Einem die Fähigkeit abgesprochen, das Ministerium zu führen. Ein ehemaliger Bewährungshelfer, einer, der Frauen für den Polizeidienst suchte, der – damals schon – genderte.
Die Sozialdemokratie nahm er beim Wort
Die Sozialdemokratie nahm er ernst, indem er sie beim Wort nahm. Er war derselben Ansicht wie Bruno Kreisky, der schon in den 1970er-Jahren gewarnt hatte, dass es „nichts Beängstigenderes gibt als die lange Herrschaft einer Partei, die in Routine und Administration erstarrt“.
Einem hatte die Ausländer-Gesetze seines sozialdemokratischen Vorgängers im Innenministerium öffentlich kritisiert. „Eine Schande“ nannte er die Bestimmungen, mit denen man Gastarbeiter und ihre Familien schikanierte. Er wollte die Gesetze humanisieren, den Spielraum behördlicher Willkür kleinhalten. Er hatte große Pläne für die Integration einer immer größeren Anzahl an Migranten und Flüchtlingen. Er war kein Illusionist. Er redete seinen Leuten ins Gewissen: Wenn die Gemeindebauten, der ganze Stolz der Sozialdemokratie, einst für die Armen geplant und gebaut worden waren, wer sind denn heute die armen Leut’? – Die Armen von heute, das seien doch auch Flüchtlinge und Migranten.
Er wollte ein generelles Abschiebeverbot für Ausländer der zweiten Generation, also für jene, die in Österreich geboren wurden. Das setzte er nicht durch.
1997 war die Stimmung so sehr aufgeheizt, dass Einem ins Wissenschafts- und Verkehrsressort wechseln musste. Er engagierte sich auch in der Parteireformkommission. Sein Befund: Die Organisationsstruktur der SPÖ wirke auf die Jugend „geradezu abstoßend“. Jörg Haider und seine FPÖ würden der SPÖ täglich vorführen, in welchen Bereichen sie versage, welche Versprechungen sie nicht einlöse.
Ein Mahner, der an seiner Partei litt, ist Einem auch in den Jahrzehnten danach geblieben. Seine Tätigkeit als Vizepräsident des „Forum Alpbach“ machte ihm Freude.