Causa Drasenhofen: Landesrechnungshof kritisiert Waldhäusl
In den Büros des niederösterreichischen Landhauses wird derzeit aufmerksam ein 99-seitiges Papier studiert: das vorläufige Prüfergebnis des Landesrechnungshofes zur Flüchtlingsunterkunft in Drasenhofen. Das Quartier im Norden Niederösterreichs sorgte 2018 bundesweit für Aufregung, weil es von einem Stacheldrahtzaun umgeben war und von Securities mit Hunden bewacht wurde – und damit mehr einem Gefängnis glich als einer Einrichtung für geflüchtete Jugendliche. Mittlerweile wurden die Minderjährigen in andere Unterkünfte verlegt, weil die Kinder- und Jugendanwaltschaft das Kindeswohl in Drasenhofen „gefährdet“ sah.
Die politische Aufarbeitung ist aber noch im Gang – und dabei rückt der Erfinder des Kasernierungsquartiers in den Fokus: Gottfried Waldhäusl (FPÖ), Landesrat für Integration und Veranstaltungswesen. profil kennt erste Details des Prüfberichts des Landesrechnungshofes zur Flüchtlingsbetreuung in Niederösterreich und zum Quartier in Drasenhofen, das für Jugendliche vorgesehen war, die in anderen Quartieren auffällig geworden waren.
Wie ein Gefängnis
Die Prüfer stellten fest: Drasenhofen sah nicht nur aus wie ein Gefängnis, es wurde auch so finanziert. Pro Tag und Flüchtling waren 95 Euro für die Betreuung vorgesehen – und weitere 188 Euro für Sicherheitsmaßnahmen, festgeschrieben in einem äußerst ungewöhnlichen Sideletter. Die 24-stündige Bewachung der bis zu 20 Jugendlichen durch Securities war dem Landesrat also doppelt so viel wert wie deren pädagogische Versorgung.
Doch das ist nicht die einzige Auffälligkeit. Der Landesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht die Auftragsvergabe deutlich: „Eine Ausschreibung, Vergleichsangebote oder Vergleichswerte aus anderen Bundesländern lagen nicht vor. Die Angemessenheit des Preis-Leistungs-Verhältnisses war daher nicht belegt.“ Und weiter: „Der geschätzte Auftragswert war nicht dokumentiert, lag jedoch über dem Schwellenwert von 100.000 Euro, den das Vergaberecht für Direktvergaben und nicht öffentliche Verfahren vorsah. Der Landesrechnungshof hätte daher zumindest Vergleichsangebote erwartet.“
Der Anwalt und Vergaberechtsexperte Martin Schiefer, der Auftraggeber bei der Vergabe sozialer Dienstleistungen berät, analysierte für profil den Drasenhofen-Deal. Sein Fazit: „Die Summen in dem Vertrag sind jenseits von allen Schwellenwerten – die Leistung hätte im Normalfall EU-weit ausgeschrieben werden müssen.“ Laut Vergabegesetz ist der Wert eines Auftrages bei unbefristeten Verträgen auf vier Jahre zu rechnen. Alleine der Sideletter für die Sicherheitsvorkehrungen garantiert 188 Euro pro Tag – multipliziert mit der Maximalauslastung von 20 Flüchtlingen ergibt das ein Auftragsvolumen von knapp 1,4 Millionen Euro im Jahr – für vier Jahre gar 5,5 Millionen Euro. Und da sind die 95 Euro für die Betreuung noch gar nicht eingerechnet. „Das ist schon ziemlich gute Kohle – ganz ohne Ausschreibung“, sagt Schiefer.
Politisches und finanzielles Fiasko
Eine Sprecherin Waldhäusls erklärte gegenüber profil, dass sehr wohl Vergleichsangebote eingeholt worden seien und dass dem Landesrat ein Gutachten vorliege, demzufolge er den Auftrag nicht öffentlich ausschreiben musste. Warum der Landesrechnungshof davon nichts weiß, konnte man sich im Büro Waldhäusl nicht erklären.
Waldhäusl dürfte es im November 2018 jedenfalls eilig gehabt haben. Von der Auftragsvergabe bis zur Eröffnung der Unterkunft verging nur ein Monat. Der Landesrechnungshof bemängelt, dass „wegen des besonderen Betreuungsbedarfs eine längere Vorbereitung wirtschaftlich und zweckmäßig gewesen wäre, um den politischen und rechtlichen Vorgaben entsprechen zu können“. Zu Beginn lag nicht einmal ein sozialpädagogisches Konzept vor; es wurde nachgereicht.
Nicht nur politisch war das Projekt Drasenhofen ein Fiasko – auch finanziell dürfte es teuer werden: Die Betreibergesellschaft der Drasenhofner Unterkunft ging nach der Verlegung der Flüchtlinge in Konkurs. Masseverwalter Walter Anzböck machte vor Gericht 483.000 Euro gegen das Land geltend, wie er profil gegenüber bestätigte: „Der Betrag leitet sich von der vertraglich garantierten Mindestauslastung ab.“ Das Land Niederösterreich weist diese Forderung zurück. Laut profil-Informationen streben Anzböck und das Land einen Vergleich an.