Causa Ischgl: Die abwegige Theorie von der Ansteckung im Flugzeug

Island informierte Österreich am 4. März über erste Corona-Fälle aus Ischgl – das Land Tirol erklärte daraufhin, diese hätten sich beim Rückflug nach Reykjavik angesteckt. Wie profil-Recherchen zeigen, konnte das so nicht stimmen.

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Seit zwei Wochen ist Ischgl nicht mehr nur für Wintersport und Après-Ski berüchtigt. Europaweit lassen sich mittlerweile über tausend Coronavirus-Fälle auf die Gemeinde im Paznauntal zurückführen. Die Tiroler Behörden stehen indessen in der Kritik, zu zögerlich reagiert – und Warnungen aus dem Ausland nicht ernst genommen zu haben. Neue Informationen aus Island geben dazu weiter Anlass.

Wie bekannt wurde, war aus Reyjkjavik als Erstes auf das Risiko in Ischgl aufmerksam gemacht worden. Bereits am 4. März informierte das isländische Gesundheitsministerium die europäische Frühwarnstelle für infektiöse Krankheiten (EWRS) über eine Häufung von Fällen aus Tirol. „Wir sahen es als Pflicht, die österreichischen Behörden zu informieren und vor allem die isländischen Bürger in der Region zu warnen und zu informieren“, sagt Kjartan Njalsson, Sprecher des isländischen Gesundheitsministeriums. 14 Personen aus Island, die kurz davor in Ischgl urlaubten, waren zu diesem Zeitpunkt positiv auf COVID-19 getestet. Am 5. März stufte Island die Tiroler Skiorte dann offiziell als Risikogebiet für Corona ein. „Bezüglich der Reisewarnung erhielten wir als Gesundheitsbehörde keinerlei Rückmeldungen, die Reaktionen aus Österreich waren generell verhalten“, so Njalsson.

Das Land Tirol stellte eine Verbindung zu Ischgl damals in Abrede: „Es erscheint aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist“, erklärte Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber am 5. März. Man präsentierte eine eigene Theorie: „Nach ersten Erhebungen (…) dürfte sich die Ansteckung erst im Flugzeug bei der Rückreise von München nach Reykjavik ereignet haben“, hieß es in der Aussendung. An Bord des Flugzeuges, mit dem die positiv-getesteten Ischgl-Touristen zurückkehrten, habe sich eine Passagierin befunden, die zuvor in Italien gewesen sein soll. Diese Person war ebenfalls an Corona erkrankt. Demnach sei die Ansteckung im Flugzeug erfolgt, nicht in Ischgl, hieß es seitens der Tiroler Behörden. Nervös wurde man in Tirol dann erst Tage später, als am 7. März der Barkeeper eines Ischgler Après-Ski Lokals positiv getestet wurde.

Wie genau das Land zur Theorie der Ansteckungen im Flugzeug kam, kann man sich in Island jedenfalls nicht erklären. „Für uns ist es völlig unwahrscheinlich, dass sich diese Touristen in dem Flugzeug ansteckten“, sagt Sprecher Kjartan Njalsson. Ob sich überhaupt eine erkrankte Italien-Rückkehrerin mit Reisenden aus Ischgl im selben Flugzeug befand, kann Njalsson weder bestätigen noch dementieren. Sicher ist hingegen, dass die 14 Isländer, die man Anfang März nach Österreich meldete, gar nicht gemeinsam reisten, so wie Tirol es per Aussendung suggerierte. Njalsson: „Die Fälle, die wir damals Ischgl zurechneten kamen mit unterschiedlichen Flügen an unterschiedlichen Tagen an. Diese Personen reisten nicht als Gruppe, sie kannten sich nicht und interagierten auch in Ischgl nicht miteinander. Das ergab unser contact-tracing. Es gab eine klare epidemiologische Verbindung nach Ischgl, deshalb informierten wir Österreich.“

Die Tiroler Theorie von der Ansteckung im Flugzeug widerlegt die isländische Gesundheitsbehörde gegenüber profil mit weiteren Fakten: Von den 14 Personen, die man bis zum 5. März nach Österreich meldete, seien nur elf Personen mit derselben Maschine aus München zurückgekehrt – nämlich am 29. Februar. Drei weitere, betroffene Personen landeten mit einem anderen Flugzeug der Icelandair erst am 1. März in Reykjavik.