Check-in: Marenah Seido aus Syrien
Ich komme aus Syrien. Vor zehn Jahren flüchteten meine Eltern nach Österreich. Mein Bruder und ich waren in dem Ort in Oberösterreich, wo wir gewohnt haben, die einzigen Ausländer in der Klasse. Fünf Jahre hat es gedauert, bis unsere Familie Asyl bekommen hat. Mein Vater war Rechtsanwalt, meine Mutter Bauingenieurin. Er war in unserer Heimatstadt ein anerkannter Mann, fast ein Star, das hat mich als Mädchen sehr stolz gemacht. In Österreich war die Ausbildung meiner Eltern nicht mehr viel wert. Mein Vater hätte noch einmal vier Jahre studieren müssen. Wir Kinder durften sofort in die Volksschule gehen. Sie durften weder arbeiten noch die Sprache lernen. Wenn ich heute Flüchtlinge sehe, kann ich nachvollziehen, wie demoliert, müde und traurig sie innerlich sind. Sie müssen von null anfangen.
Es ist nicht leicht, Migrantin zu sein. Man muss viel nachholen, was andere, die hier geboren sind, schon wissen. Ich möchte mich weiterentwickeln. Mein Ziel ist es, später einmal in einer HAK zu unterrichten. Bei Rechnungswesen und Controlling bin ich in meinem Element. Meine Lehrer sind für mich Vorbilder. Ich mag es, wenn jemand gut organisiert ist. Manchmal rede ich mit meinen Brüdern, dass wir auch ein Unternehmen gründen könnten. Uns stehen viele Türen offen. Vielleicht hätten meine Eltern irgendwann einen Job gefunden, wenn sie sofort Deutsch lernen hätten dürfen, vielleicht würden sie sogar wieder als Rechtsanwalt und Bauingenieurin arbeiten. Jeder Mensch sollte die Chance bekommen, sich zu integrieren. Meine Eltern mussten ihre Träume aufgeben.