Christian Rainer: „Das Irren stört mich überhaupt nicht“
Ingrid Thurnher: Lieber Christian, es ist mir eine große Ehre, mit dir dieses Interview führen zu dürfen.
Rainer: Eine Ehre für mich. Du bist der Star.
Thurnher: Du bist seit 22 Jahren verantwortlich für profil, das jetzt 50 Jahre alt wird. Rückblickend betrachtet: Was war dein größter Erfolg?
Rainer: Es gibt eine Titelseite, die mir ewig erinnerlich ist: zu Anfang des Jahres 2000, als Schwarz-Blau eben eine Koalition geformt hatte, genauer gesagt Wolfgang Schüssel mit Jörg Haider. Da publizierten wir ein schwarzes Cover mit der Titelzeile „Schande Europas“, darunter klein eingeschnitten das Foto der Unterschriftsleistung. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese journalistisch legitime Grenzüberschreitung – so nenne ich es heute – überleben würde. Als mich der Aufsichtsratspräsident am Tag darauf anrief und ich die Nummer von Christian Konrad sah … da dachte ich mir: Aha, jetzt. Und sein Satz war: „Recht habt’s!“
Thurnher: Warum erscheint dir das noch 20 Jahre später so einschneidend?
Rainer: Es hat sich deshalb tief eingebrannt, weil meine journalistische Vita aufbaut auf dem, was dieser Cover versinnbildlicht, nämlich medienaktiven Antifaschismus, generell Widerstand gegen extreme politische Kräfte, die hierorts in der Freiheitlichen Partei fokussiert waren und sind. Ich war ein unpolitischer Mensch bis etwa Mitte der 1980er-Jahre. Dann ritt Kurt Waldheim als Präsidentschaftskandidat ein. Und ich war wütend, zum ersten Mal politisiert, hatte davor an der juridischen Fakultät irrlichternd einmal JES und einmal VSStÖ gewählt. War wütend, habe mich engagiert gegen Waldheim, gegen diese große österreichische Lebenslüge, eine Lüge der damaligen Volkspartei und eine sehr persönliche Lüge von Kurt Waldheim – gegen den Umgang mit dieser Vergangenheit. Ich lief – wir sitzen hier in der Wiener Marc-Aurel-Straße – unten ans Eck, wo noch heute der „Falter“ domiziliert ist – zu deinem Namenskollegen Armin Thurnher und erklärte: „Ich will schreiben.“ Und da begann ich zu schreiben. Der Bogen zu jenem Cover ist offensichtlich, weil es hier auch um die Frage ging: In welcher Art und Weise darf man rechtsrechtes Gedankengut, revisionistische Kräfte, in die österreichische Innenpolitik integrieren? Mit seinem Geschichtsbild war Waldheim unerträglich, erst recht Jörg Haider. Wenn ich auf etwas stolz bin: den Cover gestaltet zu haben und danach – „jetzt erst recht“ – 20 Jahre Herausgeber geblieben zu sein.
Thurnher: Reden wir über die medienstrategische Ausrichtung des profil. Was wir beide als Nachrichtenmagazin klassisch kennengelernt haben, so wie der „Spiegel“, das ist heute schon viel mehr geworden. Heutzutage darf niemand sich mehr Medium nennen, wenn man nicht außer Print auch noch Bewegtbild, Podcasts und, und, und macht. Wo soll das hinführen, was ist die Stoßrichtung?
Rainer: Zunächst: Die Worte „Medium“ und „Medien“ sind korrumpiert und geschändet worden. Ich habe ewig dagegen angekämpft, dass Social Media soziale Medien heißen, dass es Medien gibt, die nichts mit journalistischer Arbeit zu tun haben, mit Medien verlegerischer Herkunft, also mit dem, wofür wir alle stehen, was ihr macht, was wir machen. Den Kampf habe ich verloren und das Wort „Medien“ ist über die Unkenntlichkeit hinaus verbreitert worden. Und jetzt verteidigen wir eben das Wort „Journalismus“. Es schmerzt mich körperlich, dass das Wort Medien so missbraucht wird. Auch, weil es zu Missverständnissen führt, auch, weil nicht jeder unterscheiden kann zwischen dem, was du im ORF und was wir im profil verantworten, und dem, was auf Social Media abgeht. Tut weh – das Match haben wir verloren. Insgesamt widerspreche ich daher zunächst gerne, bevor ich dir dann recht gebe. Im Kern hat sich wenig geändert: Das profil wurde 1970 mit zwei zentralen Funktionen gegründet, auf zwei Säulen. Das eine war die investigative Kompetenz, die bis heute kraftvoll trägt, mit AKH, Groër, Zilk, Casinos zum Beispiel …
Thurnher: Dahinter stand der große Name Alfred Worm …
Rainer: Richtig. Und dahinter stehen große Namen wie Michael Nikbakhsh, Stefan Melichar und viele andere. Und die andere Säule – und das war innovativ für ein Nachrichtenmagazin – war die Meinungskompetenz, dass man bald frech einen Leitartikel an den Beginn des Magazins stellte. Der „Spiegel“ hatte bis vor wenigen Jahren keinen einführenden Kommentar, ja nicht einmal Namen unter den Geschichten. Schon damals war das die zweite Säule, immer klar gekennzeichnet: Das ist Meinung, das ist Analyse, das ist investigativ – und das blieb bis heute so. Daran hat sich wenig geändert, das sind die USPs oder die Hauptaufgaben und auch die Unterschiedlichkeit zu anderen Medien. Als ich vor 22 Jahren kam, blieb uns im Magazinkrieg wenig Zeit, wir suchten eilends einen Slogan, und der heißt bis heute: „Wie viel profil hat Ihre Meinung?“ Was in Wahrheit natürlich auch heißt: „Wie viel profil hat unsere Meinung?“.
Thurnher: Ihr wisst alles besser?
Rainer: Hoffentlich nicht. Wir haben frühzeitig reflektiert, um nicht von der Kanzel zu predigen, sondern Leser und Leserinnen einzubinden. Andererseits aber: Ich stimme dir vollkommen zu, natürlich ist ein Nachrichtenmagazin heute nicht mehr ein Magazin im Sinne von nur einem Printprodukt – das profil ist es noch sehr stark –, sondern macht vielfältig harmonischen Lärm. Wir produzieren derzeit fast jeden Tag einen Podcast. Unser stärkster Podcast hatte 40.000 Zugriffe, im kleinen Österreich ungeheuerlich, ein Wissenschaftspodcast in der Corona-Zeit. Unsere ganz normalen, flugs hinausgeschossenen Podcasts, haben 3000, 4000, 5000 Zugriffe, wenn auch noch immer kaum direkte Monetarisierung. Und ja, es gibt Videos, es gibt die „Morgenpost“, Newsletter. Wir sind online präsent, wenn auch nicht so präsent, wie wir sein sollten. Jetzt könnte ich wiederum sagen: Zum Glück, weil wir in viele Sackgassen nicht eingefahren sind, in die sich manche Printmedien verirrt haben – in dem Glauben, dass man online schnell Geld verdienen könne. Aber es ist hoch an der Zeit, dass wir dort noch mehr tun, als wir in den vergangenen Jahren ohnehin gemacht haben.
Thurnher: Es gibt auch Bewegtbild-Versuche bei profil. Gibt es dann demnächst ein profil-TV?
Rainer: Also profil-TV, nämlich ein Programm, das innerhalb von 24 Stunden 48 Stunden Programm sendet so wie ihr bei ORF III (lacht) steht nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Aber ja, es gibt gemeinsam mit dem Medienhaus Kurier beziehungsweise konkret mit „Schau TV“ eine wöchentliche Sendung, die zumindest im fünf- vielleicht manchmal auch sechsstelligen Zuseherbereich abgegriffen wird, so sagt man mir. profil-Fernsehen im engsten Sinne: Zukunftsmusik.
Thurnher: Warum so viel Neues?
Rainer: Eine Medienmarke muss viel mehr sein als ein Einzelprodukt und auch mehr als nur Print und E-Paper. Es muss eine Marke umfassen, für die man jeden Monat einen Beitrag zahlt, nicht aber für ein Einzelheft oder für ein Abonnement. Jeder sollte einen Betrag pro Monat reservieren, und damit ein Luxusgut, das manchmal ein unverzichtbares Produkt wird, sein Eigen nennen. Ich sage das deshalb gerade jetzt, weil profil in normalen Zeiten ein Luxusgut zur Herstellung der intellektuellen Geschmeidigkeit ist, aber etwa in CoronaZeiten zum Erste-Hilfe-Paket und lebensnotwendigen Gut wurde. Man stelle sich Corona ohne journalistische Medien vor, das ist unmöglich. Die Politik könnte weder ihre Nachrichten verbreiten noch ihren viralen Spin. Es wäre weder transportiert worden, was notwendig ist, noch was zu viel wurde.
Thurnher: Wobei wir uns wahrscheinlich irgendwann in den nächsten Monaten darüber unterhalten werden, ob wir unsere Rolle richtig und adäquat erfüllt haben.
Rainer: Das ist eine gute Frage. Ihr habt im ORF eure eigene Antwort. Ich bin der Meinung, dass Journalisten durchgehend ihre Rolle gut erfüllt haben. Im ersten Monat wurden zu Recht die Befürchtungen weitergereicht, die von der Regierung transportiert wurden, weitergegeben, weil unklar war, wie gefährlich Corona in Österreich werden würde. Dann aber haben wir sehr bald – auch der ORF – angefangen zu hinterfragen: Was ist notwendig und was nicht. Zu dem Zeitpunkt, als man mehr wusste, als man sah, dass die Intensivstationen nicht überfüllt sind, auch zu einem Zeitpunkt, als man einen wissenschaftlichen Einblick in das Corona-Virus erlangte und in dessen Gefährlichkeit. Ich denke, dass das Umdisponieren – so wie schon im Jahr 2015 zur Flüchtlingskrise – auch in diesem Fall gerade zum richtigen Zeitpunkt kam. Ich glaube im Übrigen, dass auch der ORF richtig gewichtet hat, grosso modo war es sehr okay.
Thurnher: Wir haben ja wahrscheinlich beide gedacht, wir haben schon alles erlebt in diesem Beruf …
Rainer: Ibiza – oder was kommt jetzt?
Thurnher: … und dann kam Ibiza. Symptomatisch, dass wir an dieser Stelle lachen müssen. Aber ist der österreichische Journalismus richtig umgegangen mit dem, was da war?
Rainer: Ibiza? Perfekt umgegangen ist er damit, ja. Ich wüsste nicht, wo Fehler gemacht worden wären. Es war möglicherweise ein sinnvoller Gedanke, dieses Video zunächst über „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ zu spielen, bevor es dann ohnehin äußerst zeitnah bei den österreichischen Medien landete – profil brachte es am übernächsten Tag als Titelgeschichte, obwohl das Video zehn Minuten vor Redaktionsschluss aufgeschlagen war. Ich wüsste gar nicht, wo ich ansetze beim Hinterfragen des Umgangs mit dem Video. Dieses Video konnte man ja gar nicht mehr zuspitzen, da konnte man gar nicht übertreiben, da konnte man nichts herausgreifen und dann aus einer Mücke einen Elefanten machen, weil jede Mücke in diesem Video eine Herde von Elefanten war. Da gab es keinen Babyelefanten, die waren alle sehr groß, das waren keine indischen, das waren sogar afrikanische Elefanten, und alle hatten ihre Stoßzähne.
Thurnher: Du kennst dich aus mit dem Unterschied zwischen indischen und afrikanischen Elefanten. Das find ich wirklich beeindruckend. Aber natürlich, erstens tendieren wir dazu, uns ständig zu hinterfragen und das ist auch gut so …
Rainer: Was mich einmal mehr erschüttert – es sollte uns eigentlich nichts mehr erschüttern –, ist, dass trotz dieses Videos bereits kaum mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung laut allen Umfragen in Summe 15 Prozent der Österreicher das teuflische Konglomerat von Liste Strache und FPÖ wählen würden. Wie kann das sein? Ich war weniger über das Ibiza-Video erstaunt, als ich darüber erstaunt bin. 15 Prozent analysieren messerscharf trotz dieses Videos: „San eh alles Gauner“ oder „is mir wurscht…“. Ich bin auch erstaunt darüber, dass der FPÖ, wahrscheinlich auch Heinz-Christian Strache, mehr die Spesengeschichten geschadet haben als das Video.
Thurnher: Du hast neben deinem Job als Herausgeber und Chefredakteur mittlerweile eine ganze Reihe anderer sehr prestigeträchtiger Funktionen. Du bist seit fast genau einem Jahr Präsident der European Business Press, als erster Österreicher in dieser Funktion. Du bist Beirat beim wohl wichtigsten jährlichen europäischen Medientreffen, dem M100 Sanssouci Colloquium. Du bist im Vorstand der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Du bist im Vorstand der Gesellschaft der Freunde der Nationalbibliothek, und wenn ich ein bisschen mehr recherchiere, kommt wahrscheinlich die eine oder andere Sache noch hinzu. Du würdest über jemanden wie dich „Multifunktionär“ schreiben, oder …?
Rainer: Ja, aber ein Multifunktionär ist, wenn’s der Sache dient, nichts Sündhaftes. Du wirst bei mir nicht den Satz finden, dass der Wirtschaftskammerpräsident zu viele Aufgaben hat. Man muss sich diese Aufgaben ja anschauen, ermessen, wie viel oder wenig Zeit sie abverlangen. Drei Mal im Jahr Sitzungen, das ist eine gute Investition. Die wichtigere Frage, die ich jetzt eher befürchtet hatte – und sie in der Antwort sofort von mir gewiesen hätte –, ist die Frage, ob irgendeiner dieser Jobs meine Unabhängigkeit und die Unabhängigkeit des profil betrifft. Nein, natürlich keiner. Das gehört zum Networking, weil man Menschen trifft, von denen man viel erfährt und die Multiplikatoren dafür sind, was die Marke profil sein kann und sollte.
Thurnher: Probleme mit Verhaberung, wie man das in Österreich so schön nennt …?
Rainer: Probleme mit den Verhaberungen haben diejenigen, über die wir kritisch schreiben oder über die ich kritisch schreibe. Bisweilen auch Menschen, mit denen ich Umgang pflege, ja vielleicht auch ein amikales Verhältnis habe: Sie erwarten gelegentlich, dass das irgendeine Auswirkung auf meine eigene journalistische Arbeit oder die des profil hätte. Das Problem entsteht immer auf der anderen Seite – in einem Missverständnis dessen, was Nähe bedeutet, ja manchmal Freundschaft. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass das irgendeinen Einfluss haben könnte. Da gehen immer, immer die Unabhängigkeit und der Journalismus vor.
Thurnher: Wie oft hinterfragst du eigentlich deine Arbeit für dich selbst?
Rainer: Leidlich strukturiert zwei Mal pro Woche bei den großen Redaktionssitzungen, die leider jetzt über Zoom laufen, wo reflektiert, diskutiert, manchmal auch freundschaftlich gestritten wird. Öfter hinterfrage ich allerdings – und das macht mir Sorgen – die Frage der Validität unseres Geschäftsmodells und damit des Journalismus insgesamt.
Thurnher: Wir diskutieren seit mindestens 15 Jahren in der Medienszene, ob Print jetzt tot ist. Wie siehst du das heute?
Rainer: Singulär auf Print basierende Produkte können allenfalls noch in Entwicklungs- und Zweite-Welt-Ländern reüssieren, wo es weiter Wachstum gibt. Das heißt: Wer nicht begriffen hat, dass zu einem Medium verlegerischer Herkunft mehr gehört, wird wahrscheinlich über kein zukunftsträchtiges Produkt verfügen. Auch nicht das E-Paper zusätzlich – also letzten Endes die Zeitung elektronisch am iPad – kann eine Antwort sein. Wir sollten uns aber auch nicht unbedingt mit der „New York Times“, dem „Wall Street Journal“ und dem „Economist“ vergleichen. Das würde uns einerseits depressiv machen, und andererseits würden wir gegen die Wand fahren.
Thurnher: Bist du ein guter Chefredakteur?
Rainer (denkt nach): Die Nachdenklichkeit ist jetzt gespielt. Ja, ich bin ein guter Chefredakteur, weil ich einige der Aufgaben, die man als Chefredakteur haben sollte, erfüllen kann. Ich gehe nach bestem Wissen und Gewissen gut mit meinen großartigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um. Ich hab genug Gefühl, um zu sehen, was das Gesamtprodukt sein kann und sein muss. Ich bin – und das nenne ich erst an dritter und nicht an erster Stelle – jemand, dessen Leitartikel wegen Inhalt und Form gelesen wird, der auch meiner Redaktion nicht so aufstößt, dass man mich über die Schwelle wirft. Hinzu kommt – und das ist bei Chefredakteuren heutzutage unabdinglich –, dass ich das Geschäft verstehe. Ein Chefredakteur, der keine Bilanzen lesen kann, der nicht weiß, wie Marketing funktionieren kann, der nicht sieht, wo die juristischen Fallen lauern, ist kein guter Chefredakteur.
Thurnher: Hast du ältere Kommentare von dir selbst gelesen und dir gedacht: Oh mein Gott, wie habe ich mich da geirrt?
Rainer: Das Irren stört mich überhaupt nicht. Ich fasse gerade – das Projekt läuft allerdings seit drei Jahren – alle Kommentare zusammen, die ich je für profil geschrieben habe. Gut 22 Jahre mal gut 40 im Jahr – na ja, da fehlt nicht viel auf 1000. Was mir ein wenig selbstgewiss auffällt: Mich ärgert selten, wenn ich in einer Einschätzung falschlag – halbwegs g’scheit irren … soll sein. Ich habe eine Meinung, und das steht auch als Wegweiser und Warnung darüber. Alle unsere sehr klugen Leserinnen und Leser wissen von vornherein, dass ich mich möglicherweise täusche. Was mich hingegen verblüfft: Wenn ich 20 Jahre alte Kommentare lese, denke ich mir oft, dass ich sie genauso heute noch mal schreiben würde. Das ist freilich nichts, das für mich spricht, sondern eigentlich gegen mich: Weil ich 20 Jahre älter g’worden bin, g’scheiter g’worden bin, anders denke – und dennoch würde es mir selber nicht auffallen, wenn ich denselben Leitartikel jetzt schriebe, obwohl ich längst ein anderer Mensch geworden bin.
Thurnher: Besprichst du solche Sachen mit deiner Redaktion, in deiner Familie oder mit deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten?
Rainer (lacht): Meist mit meinem Therapeuten. In der Redaktion? Nein, diese privaten Dinge … ich würd’ sie gerne mehr besprechen, aber meine Redaktion spricht wenig mit mir darüber.
Thurnher: Also seid ihr keine Familie?
Rainer: Durchaus, eine besonders nette sogar.
Thurnher: Wirst du nicht gelobt von deinen Leuten?
Rainer: Selten. Ich erwarte es mir auch nicht, obwohl ich mich über Anerkennung aus dem inneren Kreis immens freue. Es gibt zwei, drei Leute, die mir heimlich gelegentlich die Schulter tätscheln. Aber es fehlt mir manchmal … egal ….
Thurnher: Was sagt dein Therapeut dazu?
Rainer: Mein Coach ist aktuell eine Coachin und sie wundert sich darüber, wie persönlich ich eigene Schwächen nehme, auch warum ich Fehler vorschnell bei mir suche. Oder sie wundert sich nicht, sondern fragt mich, warum ich ständig nach der eigenen Verantwortlichkeit suche. In diesem Zusammenhang tritt dann stets ein Hang zum Perfektionismus vor den Vorhang – in Übergröße kostümiert. Vielleicht erwarte ich Lob, weil der Perfektionismus ruft. Das kommt dann schnell mal zur Sprache. So wie die Tatsache, dass ich nicht ins Bett gehen kann, wenn die Schuhstrecker nicht in den Schuhen sind.
Thurnher: Wirklich ?
Rainer: Absolut! Meine Therapeutin meint: „Klein anfangen, versuchen Sie es mit einem Schuh!“ (lacht) Ernsthaft, nicht erfunden!