Europa am Ende?
„Europa schafft sich ab. Wir haben keine Rezepte. Ideen, die wir hätten, sind nicht durchsetzbar.“ Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer, schildert in seinem neuen Buch „China am Ziel, Europa am Ende?“ düstere Visionen bis zum Jahr 2049: Die EU drohe an Protektionismus und Nationalismus zu scheitern. Und an Egoismus: So hätten ihm Bosse europäischer Autokonzerne gestanden, dass sie aus Angst um Firmengeheimnisse bei der Forschung nicht kooperieren. Daher sei jetzt die chinesische Autoindustrie mit Elektroantrieb auf der Überholspur.
Chinas Staatschef Xi Jinping hat Leitl einmal persönlich den Rückstand Europas mit dem Bau einer Straße erklärt: „Zwei Jahre Bauzeit, zehn Jahre Genehmigungsverfahren“. Der Autor, langjähriger Chef der „Wirtschaftskammer Österreich“ (WKO), kann seine Bewunderung für das chinesische Modell – das Buch wurde vor dem Corona-Virus geschrieben- kaum verbergen: „Die liberale Demokratie ist auf dem Rückzug, sie ist auf die drängenden Fragen der Zeit viele Antworten schuldig geblieben.“
Letzte Chance für die EU
Im zweiten Teil des Buchs kriegt Europa doch noch eine Chance. Durch den Kampf gegen den Klimawandel könne die EU zum globalen Innovationsführer werden. Die EU müsse sich aber ändern. Weg mit einstimmigen Beschlüssen. Und ein direkt gewählter Europapräsident sollte EU-Kommission und EU-Rat anführen. Dazu sollte eine neue EU-Struktur aus „konzentrischen Kreisen“ geschaffen werden: Ein Kerneuropa aus entscheidungsfreudigen und handlungsfähigen Mitgliedsländern, rundherum die EU in ihrer jetzigen institutionellen Verfassung und darüber hinaus eine Kooperation mit Drittstaaten, vom Handel bis zur Kultur und Sicherheit. Versöhnlich endet das Buch mit einem Lob für die neue EU-Führungspersönlichkeit: Die neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen – „ein sympathisches Gesicht unter den vielen Machos dieser Welt“ sei „eine Chance für Europa“.
Christoph Leitl: „China am Ziel. Europa am Ende?“ Ecowin-Verlag. 160 Seiten. 20 Euro.