Chronologie des Konflikts um die SPÖ-Parteispitze
22. September 2018: Rendi-Wagner wird als neue SPÖ-Chefin designiert. "Könnte sie Opposition nicht, würden wir sie nicht heute zur Parteivorsitzenden designieren", kommentiert Doskozil, der von Beginn an als Rendi-Skeptiker gilt, ihre Kür damals. Beim Parteitag Ende November erhält Rendi-Wagner 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen, der in Umfragen beliebte Doskozil schneidet mit 82,3 Prozent unter ihren Stellvertretern am schwächsten ab.
Dezember 2018: Doskozil richtet der Bundespartei am Beispiel Mindestsicherung aus, sie solle eine "konstruktivere Oppositionspolitik" fahren. Auch danach sorgt er mit öffentlichen Wortmeldungen etwa zur Sicherungshaft in der Partei für Konfliktstoff.
2. März 2019: Beim Landesparteitag der Tiroler SPÖ fordert Rendi - auch in Richtung Doskozil - Geschlossenheit in der Partei ein. Der kündigt aber gleich an, seine Meinung weiterhin zu äußern, wenn er es als "richtig" erachtet - und das tut er in der Folge häufig.
November 2019: Nach dem schlechten Abschneiden der SPÖ nicht nur bei der Nationalratswahl erklärt Doskozil die SPÖ für "nicht regierungsfähig". Nach Gerüchten über die Ablöse der Bundesparteivorsitzenden fordert er ein Ende der Personaldebatte, betont aber gleichzeitig: "Erst kommt die inhaltliche Diskussion, und dann kann man am Ende des Prozesses noch einmal offen und ehrlich die Personalfrage stellen."
Jänner 2020: Im Vorfeld der burgenländischen Landtagswahl zieht Doskozil wieder gegen die "thematisch passive" Bundes-SPÖ vom Leder. Nach seinem Erdrutsch-Sieg legt er der Bundes-SPÖ noch am Wahlabend nahe, ihre Linie etwa bei der Sicherungshaft zu überdenken, und tritt damit die nächste Führungsdebatte los.
6. Mai 2020: Rendi-Wagner versucht einen Befreiungsschlag durch eine Mitgliederbefragung und bekommt 71,4 Prozent Zustimmung. Nur zwei Monate später schließt Doskozil eine Nationalrats-Spitzenkandidatur lediglich "derzeit" aus. "Man kann nie wissen, was politisch passiert."
19. September 2020: Doskozil macht gegen die Linie der Parteichefin, Flüchtlingskinder aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria aufzunehmen, mobil.
16. April 2021: Rendi-Wagner kritisiert Doskozil, der schon länger für einen Kurswechsel bei der Bekämpfung der Coronapandemie plädiert hat, ungewöhnlich scharf für das vorgezogene Ende des Ostregion-Lockdowns.
26. April 2021: Doskozil zieht sich aus dem Parteipräsidium zurück, damit wolle er "einen Neustart ermöglichen".
26. Juni 2021: Der Bundesparteitag wird zum Debakel für Rendi-Wagner. Sie erhält bei ihrer Wiederwahl lediglich 75,3 Prozent der Delegiertenstimmen und überspringt damit nur relativ knapp die von ihr ohnehin niedrig gelegte Latte von 70 Prozent. Weitere Negativ-Schlagzeilen bringt, dass der Parteitag abgebrochen werden muss, da nicht mehr ausreichend Delegierte anwesend sind. So können geplante Statutenänderungen nicht mehr beschlossen werden.
20. Juli 2021: Kärntens SPÖ-Parteichef Landeshauptmann Peter Kaiser lädt Rendi und Doskozil zum Versöhnungsgespräch nach Kärnten.
November 2022: Die SPÖ Burgenland sorgt mit einer von ihr beauftragten Umfrage für Aufsehen, in der auch abgefragt wird, wie die SPÖ bei einer bevorstehenden Nationalratswahl mit Doskozil als SPÖ-Kanzlerkandidat im Vergleich zu Rendi-Wagner abschneiden würde. SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst betont zwar, man habe nur Doskozils Inhalte abfragen wollen. Wenig später wirbt er aber in einem Interview offen für Doskozil als Bundeskanzler und bringt eine Befragung der SPÖ-Mitglieder ins Spiel.
Frühjahr 2023: Nach den Verlusten der SPÖ bei den Wahlen in Niederösterreich nimmt die Debatte um Rendi-Wagner - befeuert durch Aussagen Doskozils, dass die SPÖ mit der aktuellen Führung nicht ihr volles Wählerpotenzial ausschöpfe - weiter an Fahrt auf. Als Rendi-Wagner Doskozil ersucht, Anfang März "angesichts der aktuellen Situation" am SPÖ-Präsidium teilzunehmen, sagt dieser zu - um dort "Zukunftsperspektiven für die Sozialdemokratie" zu diskutieren.
14. März 2023: Doskozil legt sich fest und gibt bekannt, dass er sich um den Vorsitz der Bundes-SPÖ bewerben will. Die jahrelangen Querschüsse gegen die Bundesvorsitzende relativiert er in seinem Bewerbungsbrief: Es gehe dabei nicht um einen "Rosenkrieg", sondern "um die Frage, mit welchen konkreten Programmen und Maßnahmen wir als SPÖ auf die konkreten Sorgen der Menschen in Österreich reagieren wollen".
15. März 2023: Der SPÖ-Vorstand beschließt, dass eine Mitgliederbefragung zur künftigen Parteispitze abgehalten werden soll. Endgültig entschieden werden soll die Führungsfrage bei einem Parteitag. Dabei soll sich, wie später in einem mühsamen Prozess entschieden wird, jedes Parteimitglied bewerben können, das 30 Unterstützungserklärungen vorlegen kann. Die Mitgliederzahlen der SPÖ steigen in der Folge von knapp 140.00 auf 148.000.
23. März 2023: Der vor allem von der Parteilinken hofierte Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler gibt seine Kandidatur bekannt. Der Wiener SPÖ-Politiker und frühere Leiter der "Sektion 8", Nikolaus Kowall, der mit seiner Kandidatur Druck für eine Öffnung der Mitgliederbefragung gemacht hatte, zieht daraufhin seine Bewerbung zurück.
11. April 2023: Von den ursprünglich 73 Kandidaturen - darunter auch etwa Ex-BZÖ-Politiker Gerald Grosz - sind nur noch Rendi-Wagner, Doskozil und Babler im Rennen. Während Grosz abgelehnt wurde, haben andere Bewerber die Hürde von 30 Unterstützungserklärungen nicht geschafft oder ihre Kandidatur wieder zurückgezogen.
24. April 2023: Die bis 10. Mai laufende Mitgliederbefragung beginnt und wird von parteiinternem Wahlwerben, zahllosen Medienauftritten und einem Schaulauf (mehr oder weniger prominenter) Unterstützerinnen und Unterstützer begleitet. Eine Stichwahl ist in diesem Dreikampf nicht vorgesehen, eine bindende Personalentscheidung soll erst auf einem Sonderparteitag am 3. Juni fallen. Während Babler dort auch kandidieren will, wenn er nicht Erster wird, schließt seine Konkurrenz das aus. Rendi-Wagner will, sollte sie nicht Erste werden, die Politik verlassen.
14. Mai 2023: Nach Ende der Abstimmung eskaliert der schon länger schwelende Konflikt um die für die Mitgliederbefragung verantwortliche Wahlkommission, deren Leiter Harry Kopietz kurz davor gesundheitsbedingt zurückgetreten war. Das Lager des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil, in dem sich etliche Bundesländer-Vertreter befinden, vermisst Transparenz im Wahlprozess. Das vor allem von Wien repräsentierte Lager von Amtsinhaberin Rendi-Wagner, das bis vor Kurzem mit Kopietz den Wahlleiter stellte, weist das hingegen zurück. Unter der neuen Leiterin der Kommission Michaela Grubesa aus dem Doskozil-Lager wurde nun per Umlaufbeschluss die Beiziehung "unabhängiger Informatiker" entschieden - für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der dem Rendi-Lager angehört, ist das allerdings aus Formalgründen gar nicht möglich. Unter Grubesa wurde außerdem entschieden, dass alle Teams Wahlzeugen für den gesamten Auszählungsprozess nominieren können.