Sommergespräch mit Claudia Stöckl: "Was geht sich noch aus?“
INTERVIEW: HERBERT LACKNER
profil: Manfred Deix hat einmal in Ihr Gästebuch geschrieben: "Allerliebste Claudia, was ich dir alles anvertraut habe, hätte ich nicht einmal meinem Beichtvater Kurti Krenn gebeichtet.“ Mit welchen Mitteln arbeiten Sie? Claudia Stöckl: Na ja, Manfred Deix hat das mit Augenzwinkern gesagt. Es geht eigentlich nur darum, die richtige Atmosphäre zu schaffen. Man muss dem anderen das Gefühl geben, dass man ihm gerne zuhört.
profil: Es gibt auch die Interview-Philosophie, dass ein Gespräch immer hart am Rande des Abbruchs geführt werden muss. Davon halten Sie nichts? Stöckl: Nein, obwohl eines meiner Interviews fast abgebrochen worden wäre: jenes, in dem ich den damaligen Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann auf seinen Konflikt mit Gert Voss angesprochen habe.
profil: Gibt es eine Berufsgruppe, die Sie bei Interviews besonders schwierig finden? Stöckl: Sportler sind schwierig, weil sie sich sehr auf ihren Körper konzentrieren. Mit Hermann Maier wollte ich einmal über Gott und den Glauben reden, und er sagte: "Darüber hab ich noch nicht nachgedacht.“ Das ist bestechend ehrlich und auch legitim, aber es macht Interviews halt schwierig.
profil: Sie versuchen, den Leuten nicht Neuigkeiten, sondern Gefühle zu entlocken. Ist das noch schwieriger? Stöckl: Bei Managern oder Politikern sieht man, dass sie nicht gern Gefühle zeigen, aber Menschen, die das überhaupt nicht wollen, kommen auch nicht in meine Sendung.
profil: Politiker sind wohl immer etwas spröder. Stöckl: Nicht immer. In meiner allerersten Sendung war 1997 Viktor Klima zu Gast. Ich hatte ihn noch als Finanzminister interviewt, und als die Sendung drei Tage später ausgestrahlt wurde, war er Bundeskanzler. Er hat damals sehr gefühlvoll geantwortet und offen über seine Ehe gesprochen, über seine alte Mutter. Das war sehr beeindruckend.
profil: Herbert Grönemeyer konnten Sie den Namen seiner neuen Geliebten entlocken. Stellen Sie auch Fragen, die Sie selbst nicht gestellt bekommen wollen? Stöckl: Oft. Aber man muss ja nicht jede Frage beantworten. Wenn jemand sagt, darüber wolle er nicht sprechen, akzeptiere ich das sofort.
profil: Harald Serafin haben Sie gefragt, ob er Viagra nehme. Stöckl: Serafin erzählte immer wieder, wie gut seine Ehe nach einer Therapie funktioniere. Ich hab dann nachgefragt, und plötzlich waren wir bei Viagra. Das geht oft schneller, als man glaubt.
profil: Von Paulus Manker wollten Sie wissen, ob er eine Besetzungscouch hat. Sind Sie lebensmüde? Stöckl: Manker hatte mir damals das größte Frühstück aller Zeiten angekündigt und begonnen, einen Gemüse-Wok zu kochen. Er rührte schweigend in diesem Wok und sprach kein Wort mit mir. Ich habe versucht, Smalltalk zu machen, er hat das ignoriert. Nach dem Interview hat er mir jedenfalls Humor bescheinigt.
Ich habe kein Problem, über Gefühle zu sprechen.
profil: Sie selbst sind bei Interviews durchaus offenherzig. "Woman“ hat Sie einmal zu Ihrer damals eben beendeten Beziehung mit Bogdan Roscic befragt, und Sie haben detailliert geantwortet. Stöckl: Man kann nicht von seinen Interviewpartnern verlangen, etwas von sich zu erzählen, und um sich selbst hohe Mauern aufziehen. Es gab damals auch nichts zu verbergen. Ich habe kein Problem, über Gefühle zu sprechen.
profil: Der Frechdachs Michael Niavarani hat einmal ein Interview mit Ihnen geführt und Sie gefragt, ob Sie schon einmal beim Sex geweint hätten. Stöckl: Was hab ich gesagt? Sicher ja.
profil: Stimmt. Stöckl: Das war zum 15-Jahr-Jubiläum von "Frühstück bei mir“. Da haben wir, so wie heute, die Interviewer-Rollen getauscht.
profil: Zum heurigen Muttertag haben Sie ein Foto mit Ihrer Mutter und Ihren vier Geschwistern auf Facebook gepostet. Das kommt in Journalistenkreisen nicht oft vor. Stöckl: Ich hab das gemacht, weil unsere Mutter eine wichtige Rolle in unserem Leben spielt. Das Foto hatte mehr "Likes“ als alle anderen, die ich je gepostet habe.
profil: Sie sind in einer Großfamilie aufgewachsen, haben aber selbst bisher keine Familie. Ist das ein Ausgleich für das "Getümmel“ in Ihrer Jugend? Stöckl: Uns ist immer ein großes Verantwortungsgefühl vermittelt worden. Mich und auch meine Schwester Barbara hat der Beruf dann ein wenig davongetragen. Die anderen drei Geschwister haben ja Kinder. Ich hätte nicht die Zeit gehabt, mich um ein Kind so zu kümmern, wie es notwendig gewesen wäre. Und dann habe ich ja mein Hilfsprojekt "Zuki - Zukunft für Kinder“ in Kalkutta aufgebaut. Das sind 300 ehemalige Straßenkinder, um die ich mich praktisch täglich kümmere. Einen Monat im Jahr bin ich auch selbst dort.
profil: Sie arbeiten gemeinsam mit Dompfarrer Toni Faber an diesem Projekt. Stöckl: Er ist ein Pate, und manchmal hilft er auch mit.
profil: Wenn man Claudia Stöckl googelt, springen sofort Dutzende Meldungen über Sie und Toni Faber auf, in denen über die Natur Ihrer Beziehung gemutmaßt wird. Stört Sie das? Stöckl: Wir sind befreundet. Das ruft halt viele Spekulationen hervor.
profil: Toni Faber wurde auch dazu befragt. Er antwortete, die Spekulationen würden ihn belustigen. Sind Sie auch belustigt, oder ärgern Sie sich darüber? Stöckl: Ich hab mich daran gewöhnt. Wir sehen es beide mit einem Schmunzeln. Ich frage meine Interviewpartner nach Privatem, also muss ich auch damit leben.
profil: Dass es das Thema überhaupt gibt, ist eine Schwäche der Kirche. Der Zölibat ist nicht mehr zeitgemäß. Stöckl: Ja, das stimmt sicher.
Ich habe auch schon in buddhistischen Klöstern meditiert und finde das sehr bereichernd. Es muss nicht Jesus Christus sein, dem man folgt.
profil: Sind Sie ein gläubiger Mensch? Stöckl: Ich bin überzeugt, dass es etwas gibt, das größer ist als wir selbst und uns offenbar lenkt und leitet. Viele sehen in der Kirche Enge, bei mir war das nicht so. Ich bin mit vier Geschwistern auf kleinstem Raum aufgewachsen. Für mich war es ein Stück Freiheit, in der Katholischen Jungschar andere Jugendliche zu treffen, zu singen, zu beten und Völkerball zu spielen. Das hat mir viel gegeben. Insofern bin ich gern Teil dieser Glaubensgemeinschaft, aber ich sehe die Dinge natürlich liberaler. Ich habe auch schon in buddhistischen Klöstern meditiert und finde das sehr bereichernd. Es muss nicht Jesus Christus sein, dem man folgt.
profil: War Ihre Familie gläubig? Stöckl: Nicht sehr, ich bin meinen eigenen Weg gegangen. Aber alle tragen eine gewisse Religiosität in sich. Meine Eltern feierten ihre Goldene Hochzeit in der Bartholomäuskapelle im Stephansdom mit Toni Faber - wobei meine Mutter dem Buddhismus näher steht als der katholischen Kirche. Darüber diskutieren wir oft. Sie ist nach dem Fall Groer ausgetreten.
profil: Gauben Sie an ein Leben nach dem Tod? Stöckl: Ich glaube, dass die Seele weiterwandert, aber ich glaube nicht an das Jüngste Gericht. Diese Bestrafungsgedanken sind nicht gut.
profil: Sie brauchen keine Gottesbeweise? Stöckl: Beweise sind mir nicht wichtig, es geht mir um das Gefühl, dass da noch was ist. Ich habe Toni Faber einmal gefragt, wie für ihn Gott aussieht. Er sagte: "Unendliche Liebeswogen.“ Dieses Bild finde ich sehr schön. Wir begegnen dann nicht dem alten Mann mit dem weißen Bart, sondern unendlichen Liebeswogen.
profil: Ist der Schrecken in dieser Welt für Sie kein Glaubenshindernis? Kann ein lieber Gott so etwas wollen? Stöckl: Das ist die berühmte Theodizee-Frage. Ein Erklärungsmodell ist, dass er uns prüfen will. Mit Leid konfrontiert zu sein, kann auch stärker machen. Das erlebe ich selbst bei meinem Projekt in Kalkutta. Aber man muss natürlich handeln, man muss etwas auf dieser Welt verbessern. Würden wir in einem Paradies leben, könnten wir vielleicht gar nicht diese Liebesfähigkeit erlernen.
profil: Zurück zu Ihrem Job: Welcher Interviewpartner hat Sie besonders beeindruckt? Stöckl: Da gab es viele, zuletzt Marco Wanda von der Band Wanda - er hat mich total überrascht. Man hatte mich gewarnt: Der ist sicher betrunken und noch dazu ein schwieriger Mensch. Der schmeißt dich nach zehn Minuten hinaus. In Wahrheit war er ein reflektierender, kluger und sympathischer junger Mann.
profil: Enttäuschungen gab es wohl auch. Stöckl: Ein Interview mit Erich von Däniken haben wir nicht ausgestrahlt, so wirr war das. Das war dieser Schweizer Bestsellerautor, der behauptet, die Erde sei schon vor Jahrtausenden von Außerirdischen besiedelt worden. Am schlimmsten finde ich Interviews, wenn sie floskelhaft werden. Manche deutsche Schauspieler neigen dazu.
profil: Wollten Sie nie beim Fernsehen arbeiten? Stöckl: Am Anfang schon. Das ist ja die logische Karriereabfolge: Radio - Fernsehen. Meine Schwester Barbara hatte da schon lange eine Sendung, und ich dachte mir, es sei wohl nicht klug, das auch anzustreben. Zwei Stöckls im Fernsehen wären wohl zu viel. Die blonde Stöckl und die dunkelhaarige Stöckl - nein, das ginge nicht. Aber wir werden ohnehin dauernd verwechselt. Außerdem: Ich mach gern, was ich mache.
profil: Die klassischen Frauenfragen sprechen Sie in Ihrer Sendung selten an. Stöckl: Einerseits ist es schwerer, Frauen als Interviewpartnerinnen zu bekommen, weil es aufgrund der Machtverhältnisse in der Gesellschaft eben weniger Frauen in wichtigen Positionen gibt. Und zweitens finde ich es etwas klischeehaft, mit Frauen über Frauenthemen zu reden. Aber vielleicht mache ich da wirklich zu wenig.
profil: Die USA bekommen demnächst - hoffentlich - eine Präsidentin. Könnten Sie sich auch eine österreichische Bundeskanzlerin vorstellen? Stöckl: Auf jeden Fall.
profil: Wen zum Beispiel? Stöckl: Jemanden wie Brigitte Ederer. Dass eine gewisse Managementerfahrung in der Politik durchaus nützlich sein kann, zeigt unser jetziger Bundeskanzler. Es geht ja auch darum, ein Team zu führen.
Es ist sicher unbequemer geworden in Europa und auch in Österreich.
profil: Finden Sie, dass Christian Kern seine Sache bisher gut macht? Stöckl: Er ist ein guter Kommunikator, er spielt auf vielen Kanälen, er hat eine klare Sprache und gibt einem das Gefühl, dass er die Sache managen kann. Ob ihm das tatsächlich gelingen wird, ist eine andere Frage.
profil: In ihrem vorwöchigen "Frühstück bei mir“ haben Sie Elizabeth Spira gefragt: "Was ärgert Sie derzeit?“ Sie antwortete: die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl und der Rechtspopulismus. Ärgert Sie das auch? Stöckl: Es ist sicher unbequemer geworden in Europa und auch in Österreich. Ich engagiere mich ja selbst ein wenig in der Flüchtlingshilfe, und seit einiger Zeit wird man als "Gutmensch“ belächelt, wenn man das sagt. Dass dieses Wort heute als Schimpfwort gebraucht wird, ärgert mich sehr. Auch in meinem Bekanntenkreis erlebe ich manchmal ein Maß an Intoleranz, das ich nicht erwartet hätte.
profil: Kann man diese Leute noch überzeugen oder ist dieser Kampf verloren? Stöckl: Ich glaube, dass dieser Kampf eher verloren ist. Nach Ereignissen wie in Nizza werden die Fronten natürlich noch härter. Interessanterweise hat die Flüchtlingswelle die Spendentätigkeit für unsere Organisation zugunsten indischer Kinder nicht beeinträchtigt. Mag sein, dass viele Leute denken: Zahlen wir, dann bleiben sie eher zu Hause.
profil: Sie machen Ihre Sendung jetzt seit 19 Jahren. Wie lange geht’s noch? Stöckl: Diese Frage stelle ich mir auch oft. Ich habe alle zwei Jahre einmal André Heller in der Sendung, und der sagt jedes Mal bedauernd: "Was, Sie machen das immer noch?“ Aber ich mache die Sendung extrem gern, obwohl es natürlich auch die Mühen der Ebene gibt. Im Jänner 2017 habe ich mein 20-Jahr-Jubiläum. Vielleicht werde ich auch einmal von Ö3 verabschiedet, wie vor mir Robert Reumann verabschiedet wurde. Wie auch immer: Ich werde beim Abschied sehr traurig sein.
profil: Es gibt heuer noch ein denkwürdiges Datum: Sie werden im Dezember 50. Stört Sie das? Stöckl: Nein, es stört mich nicht, aber man hält inne und denkt sich: Das gibt es doch nicht, dass das Leben so schnell vergangen ist. Ich frage mich immer: Was geht sich noch aus? Meine Umwelt nimmt den 50er jedenfalls sehr wichtig. Ich werde ständig gefragt, wie ich meinen Geburtstag zu feiern gedenke.
profil: Und wie werden Sie ihn feiern? Stöckl: Weiß ich noch nicht. Ich hatte Fernsehdirektorin Kathi Zechner kurz vor ihrem 50. Geburtstag als Gast, und ihr hat diese Zahl sehr weh getan, vor allem, dass sie plötzlich überall von diesen "50ern“ daran erinnert wurde: auf Verkehrszeichen, in Geschäften, in Telefonnummern. Ich leide nicht wirklich darunter, ich denk mir nur: Jung bist jetzt halt auch nicht mehr.
Claudia Stöckl, 49, Die gebürtige Wienerin jobbte vier Jahre lang als Model auf internationalen Laufstegen, bevor sie 1992 bei Ö3 anheuerte. Seit 1997 gestaltet sie die Sonntags-Sendung "Frühstück bei mir“. Claudia Stöckl ist Obfrau des Vereins ZUKI, der sich um Straßenkinder in Kalkutta kümmert.