Sylt-Video

Clubbetreiber: „Wer sich so verhält wie in Sylt, bekommt Lokalverbot“

Nach dem Vorfall um rassistische Gesänge auf der deutschen Insel Sylt tauchen in Österreich ähnliche Videos auf. Clubs schwanken zwischen Gegenwehr und Gleichgültigkeit.

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Ralph Lauren-Polos, teure Uhren, Hitlergrüße. Es hat nur ein heimlich gefilmtes Video in einem Sylter Club gebraucht, um die Friesische Insel langfristig mit dem deutschen Rassismus- und Rechtsextremismus-Diskurs zu verknüpfen. Partygäste haben dort die Parole „Ausländer raus!“ zur Melodie von Gigi D‘Agostinos „L‘Amour toujours“ gegrölt und Nazi-Gesten gezeigt. Das Lokal distanzierte sich von dem Vorfall, laut der lokalen Polizei wurden Anzeigen erstattet. Es dauerte nicht lange bis die Identität der Protagonist:innen des Videos geklärt war und sie teilweise von ihren Jobs entlassen und Unis exmatrikuliert wurden.

Nun ist die rassistische Umdichtung des alten Hits nicht neu, in rechten Kreisen kursiert der Gesang schon länger. Seit der Veröffentlichung der Sylt-Causa machen nun aber auch ähnliche Videos aus Österreich die Runde. In zwei Nachtlokalen in Klagenfurt und Villach soll es ebenfalls zu rassistischen Parolen gekommen sein. Das gleiche gilt für den Mödlinger Faschingsumzug und eine Innsbrucker Karaokebar im Februar. profil hat bei 24 Clubs nachgefragt, wie sie mit „L‘Amour toujours“ umgehen möchten und welche Konsequenzen rassistische Sprechchöre haben - nur vier haben uns geantwortet. 

Der Wiener „Volksgarten“ wurde am deutlichsten: „Uns ist kein derartiger Vorfall aus unserem Lokal bekannt. Wir legen viel Wert auf die Diversität unseres Publikums und verfolgen eine Null-Toleranz-Politik, wenn es um Rassismus und Diskriminierungen jeglicher Art geht.“ Der Szeneclub aus Wien hält fest: „Derartiges Verhalten, wie es in dem Video aus Sylt zu sehen ist, hätte bei uns den augenblicklichen Rausschmiss, ein dauerhaftes Lokalverbot und gegebenenfalls auch polizeiliche Anzeigen zur Folge.“ Ähnliches hört man vom „Club City Beats“ in Salzburg: „Gäste, die sich eine solche beleidigende Respektlosigkeit erlauben würden, würden umgehend des Lokals verwiesen.“ So auch im „Jimmys“ in Innsbruck: „Wir verfolgen eine strikte Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung und Rassismus. Unsere Türpolitik und Sicherheitsmaßnahmen sind darauf ausgelegt, ein sicheres und inklusives Umfeld für alle Gäste zu gewährleisten.“

Einer der Kärntner Clubs, die Klagenfurter „Speki Bar“, von der derzeit Videos im Netz kursieren, erklärt auf profil-Nachfrage: „Der Vorfall ereignete sich bereits im Februar dieses Jahres bei der Aftershowparty vom Rosenball in Klagenfurt. Das Lied war ein Wunschlied eines Gastes zur Sperrstunde des Abends, zu diesem Zeitpunkt kannte niemand vom Personal, auch nicht die DJs, die Parolen, die zurzeit dazu gesungen werden. Als wir den Sinn des Textes oder besser der Parolen genau verstanden, wurde die Musik sofort abgedreht, am Video ist ja auch keine Musik mehr zu hören. Die Personen wurden des Lokales verwiesen.“ Die „Speki Bar“ distanziert sich von den Parolen, jeder Gast sei willkommen, egal welcher Herkunft.

Den „V-Club“ in Villach, Schauplatz des zweiten Videos, erreichte profil nicht. Gegenüber dem ORF sagte der Betreiber jedoch: „Das Video ist auf jeden Fall bei uns aufgenommen worden, das ist korrekt. Also man sieht einen Teil unseres Inventars und einen tanzenden Gast, der sich zur Musik bewegt. Man sieht aber keine singenden Menschen. Das heißt, man kann nicht verifizieren, wo kommen diese Gesänge her. Ist das jetzt eingespielt worden oder waren es Gäste von uns, ich kann’s nicht sagen, keine Ahnung.“ Er distanziere sich jedenfalls von den rassistischen Parolen. 

Während linke Gruppen in Deutschland nun versuchen, den Dicsohit zurückzuerobern und eine neue Textzeile mit „Nazis raus“ gedichtet haben, feiern Rechtsextremisten wie der Österreicher Martin Sellner die Verbreitung des – wie sie ihn nennen – „verbotenen Songs“. Die Radiosender Ö3 und Kronehit haben angekündigt, „L‘Amour toujours“ nicht mehr zu spielen, auch am Oktoberfest wird das Lied verboten. 

Rassismus ist in der Nachtgastronomie kein neues Problem. Schon 2014 berichtete profil, wie brutal junge Migranten vor Diskos abgewiesen werden. Mit dem Sylt-Video dürfte nun aber dem letzten klar geworden sein, dass rechtsextremistische Parolen zwischen Belvedere Edelwodka und Ballermann-Hits lange keine Einzelfälle mehr sind.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.