Corona-Frischluft-Guide: Sperrzonen für Wiener
„Spazieren nur in der unmittelbaren Wohnumgebung und nicht mit dem Auto irgendwo hinfahren!!! Das gilt besonders für die Wiener, die in Scharen unseren Wald heimsuchen.“ Der Mödlinger Bürgermeister Hans Stefan Hintner (ÖVP) macht auf Facebook seinem Ärger Luft. Um die Grünflächen seine Stadt für Wiener „unattraktiver“ zu machen, ließ er 40 Prozent der Parkplätze am Fuße des Wienerwaldes sperren. Die Polizei kontrolliere, „wer von wo kommt“, droht er.
Auf profil-Anfrage hält ein Sprecher der NÖ-Landespolizeidirektion aber dezidiert fest: „Das Anreisen zum Spazierengehen mit einem PKW ist erlaubt.“ Die Entfernung vom Wohnort schränkt er nicht ein. Nicht erlaubt sei hingegen die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Berichte, wonach Fahrer mit Wiener Kennzeichen in niederösterreichischen Umlandgemeinden gezielt ausgesiebt und heimgeschickt würden, dementiert er. „Wir wollen bei regulären Verkehrskontrollen die Menschen aber sensibilisieren. Es ist nicht im Sinne der Ausgangsbeschränkung, wenn sich Menschen erst recht wieder an attraktiven Ausflugszielen ballen.“ Das habe wohl jemand in die falsche Kehle bekommen. Fazit: Wer bei einer Kontrolle glaubhaft macht, sich nach dem Aussteigen strikt an die Abstandsregeln zu halten oder – profil-Empfehlung - einen wenig frequentierten Pfad als Ziel wählt und diesen angibt, sollte von der Polizei nicht belangt werden dürfen.
Spazieren nur noch in der Wohnumgebung?
Doch Mödlings Bürgermeister bleibt dabei: Aus seiner Sicht sind nur Spaziergänge in der Wohnumgebung kompatibel mit dem allgemeinen Quarantäne-Zustand. Als freiheitsliebender Mensch wolle er so etwas nicht aktiv fordern, eine „Definition für Wohnumgebung“ hielte er aber für sinnvoll. In Frankreich beträgt der erlaubte Bewegungsradius rund um Wohnung und Haus einen Kilometer, in Israel 100 Meter.
Schönbrunn bleibt zu
Auch Perchtoldsdorfs Bürgermeister Martin Schuster verzeichnet an schönen Tagen einen regelrechten Ansturm auf die Perchtoldsdorfer Haide. Die Abstandsregeln würden von den Wiener Spaziergängern aber großteils eingehalten. Der ÖVP-Politiker sieht einen anderen Weg zur Entspannung: Er legt der Bundesregierung die rasche Öffnung der Bundesgärten in Wien nahe, das sind Augarten, Burggarten, Belvederegarten, Volksgarten, Schlosspark Schönbrunn. So würden den Wienern mehr Grünflächen zur Verfügung stünden. „Das nimmt den Druck auf unsere Gemeinden raus“, sagt der Perchtoldsdorfer. Andernfalls drohe die totale Ausgangssperre und „das trifft dann wieder alle“.
Auf eine Öffnung der Bundesgärten drängte zuletzt auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Doch das ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium bleibt hart. „Die sieben Anlagen der Bundesgärten sind seit Beginn der vorigen Woche geschlossen, weil es zu sehr hohen Frequenzen und Menschenansammlungen gekommen ist und Sicherheitsabstände nicht eingehalten wurden. Der Schutz und die Gesundheit der Menschen sind das oberste Ziel, die Reduktion sozialer Kontakte und die Vermeidung vieler Menschen in Parkanlagen und auf Spielplätzen sind dafür unerlässliche Voraussetzung. Die bestehenden Maßnahmen werden nicht vorzeitig aufgehoben“, heißt es von den Bundesgärten.
„Verweilen“ erlaubt
Auf allen Wiesen, Parkflächen oder Parkbänken – so nahe oder fern vom Wohnort sie auch liegen mögen - gilt übrigens: Sitzen erlaubt. Und zwar ohne Zeitlimit. Das stellt der Sprecher der NÖ-Polizei stellvertretend für das Innenministerium klar. Am vergangenen Wochenende sorgten Berichte von Polizisten, die einzelne Menschen von der Wiese oder Parkbänken „stamperten“, für Aufregung. „Verweilen“ sei nicht im Sinne der Ausgangsbeschränkungen, begründeten die Staatsorgane ihr Einschreiten. Der Sprecher sagt: „Zwischenzeitliches Halten und das Sitzen auf einer Wiese oder auf einer Parkbank sind unter Einhaltung der sonstigen Voraussetzungen (alleine oder mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, Mindestabstand von einem Meter zu anderen Menschen) gestattet. Zeitliche Begrenzungen und Altersbeschränkungen sind nicht vorgesehen.“
Fazit: Wer bei Kontrollen darauf hinweist, auf seinem Spaziergang eine kurze Rast einzulegen, sollte auf der sicheren Seite sein. Wer sich hingegen sichtbar für den ganzen Tag im Park einrichtet, mit Decke, Picknick, Sound-System, wird sich weiterhin lästige Fragen von Polizisten gefallen lassen müssen. Denn unter „zwischenzeitliches Halten“ ist das dann schwer zu subsumieren.
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