Corona-Hilfen: Der Wirtschaft steht ein stürmischer Herbst bevor

Die Pandemie wird Österreichs Unternehmen länger beschäftigen als erwartet. Was die staatlichen Milliarden-Hilfskredite betrifft, beginnt nun das Rechnen, wie viele sich die Rückzahlung leisten können.

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Die positive Nachricht vorneweg: Der Anteil der österreichischen Unternehmen, welche die Coronavirus-Krise als Bedrohung wahrnehmen, ist zuletzt leicht gesunken. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hervor, in deren Rahmen Entscheidungsträger von mehr als 400 heimischen Betrieben befragt wurden. Die schlechte Nachricht: Rechnete man zu Beginn der Pandemie noch mit einer Erholungszeit von etwa neun Monaten, geben die befragten Manager nunmehr eine erwartete Regenerationszeit von - im Durchschnitt - 15 Monaten an. Demnach würde es bis Oktober 2021 dauern, bis die Unternehmen wieder so agieren können wie vor der Krise.

Zwei Drittel nimmt Staatshilfen in Anspruch

Das betrifft letztlich auch die öffentliche Hand, die der heimischen Wirtschaft mit milliardenschweren Unterstützungspaketen unter die Arme greift. Laut WU-Studie gaben zwei Drittel der Unternehmen an, bereits um Staatshilfe angesucht zu haben oder dies noch tun zu wollen. Die Palette der Maßnahmen reicht von Steuerstundungen mit zusätzlichen Gegenrechnungsmöglichkeiten über Kurzarbeitsförderung bis hin zu Zuschüssen für Fixkosten.

Eines der wesentlichen Elemente, das bereits vergleichsweise früh in der Krise zum Einsatz kam, sind Überbrückungskredite mit Staatshaftungen. Bisher wurden derartige Kredite von insgesamt mehr als rund 4,5 Milliarden Euro genehmigt. Die Haftung der öffentlichen Hand beläuft sich auf rund vier Milliarden Euro.

Rückzahlungen noch unklar

Kredite müssen allerdings irgendwann zurückgezahlt werden. Die Corona-Krise hat jedoch bei vielen Unternehmen die Umsätze einbrechen lassen. Wenn nun sogar noch längere Auswirkungen der Pandemie befürchtet werden, stellt sich eine Frage umso dringender: Können die Unternehmen die Kredite zurückzahlen oder wird die Haftung schlagend und die Steuerzahler müssen einspringen?

Immanuel Gerstner ist Wien-Chef der Anwaltskanzlei SCWP, die eine eigene "Covid-19-Unit" eingerichtet hat. Gerstner meint, dass die Überbrückung von Liquiditätsengpässen zwar wichtig sei, "tiefergehende wirtschaftliche Probleme" könne man damit aber nicht lösen. In manchen Situationen würden die Hilfen lediglich zu einer "Periodenverschiebung" führen.

Wie groß dieses Problem sein könnte, beschreibt Gerald Zmuegg vom Beratungsunternehmen "Finanzombudsmann" auf Basis einer Stichprobe von 400 Klein-und Mittelunternehmen (KMU): "Die Rückführung der Kredite nach Ablauf des tilgungsfreien Zeitraums ist für rund ein Drittel der Unternehmen aufgrund des kurzen Tilgungszeitraums nicht möglich." Die meisten seien einfach froh, die Kreditzusage zu erhalten, meint Zmuegg-dann gelte das "Prinzip Hoffnung". Für besonders schwierig hält der Experte die Situation in der Gastronomie und der Hotellerie, wo es "historisch gesehen die geringsten Eigenkapitalquoten beziehungsweise den höchsten Verschuldungsgrad" gebe. Betroffene Unternehmen würden "in den nächsten Jahren die Rückführungen der aufgenommenen Kredite nicht gewährleisten können - es sei denn, die Laufzeiten werden angepasst".

Auch im Tourismus braucht es Lösungen

Haftungen für Überbrückungskredite im Gastronomie-und Tourismusbereich laufen über die Österreichische Hotel-und Tourismusbank (ÖHT). Der Stand der Überbrückungsfinanzierungen belief sich dort zuletzt bereits auf mehr als 1,1 Milliarden Euro bei einem gesamten Haftungsvolumen von rund einer Milliarde Euro. ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann zeichnet auf profil-Anfrage ein differenziertes Bild: An der Befürchtung, dass viele Unternehmen die Überbrückungskredite am Ende des Tages aus eigener Kraft nicht zurückzahlen können, sei "schon was dran", meint Kleemann: "Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell." Andererseits hätten viele Betriebe zuvor drei "sehr gute Geschäftsjahre erlebt". Daraus seien Reserven entstanden. Festzustellen sei aber schon, dass sich im Tourismus auch vor der Krise viele Unternehmen "qualitativ am Markt vorbei entwickelt haben", merkt Kleemann an. Auch wenn das "sehr unpopulär" klinge: "Eine gewisse Marktbereinigung wird uns nicht schaden."

Von Laufzeitverlängerungen bei den Überbrückungskrediten hält Kleemann nichts: Die Unternehmer müssten positiv motiviert werden, "mit Schulden nachschleppen kann das nicht erreicht werden". Man müsse jedoch über Optionen nachdenken: "Das kann sein, Teile der behafteten Kredite eigenkapitalnahe zu gestionieren, das kann sein, nicht einbringliche Forderungen überhaupt in Eigen- oder Besserungskapital umzuwandeln, und das kann natürlich auch heißen, auf Forderungen überhaupt zu verzichten."

Ausfallsquote von 15 Prozent erwartet

Letzteres wäre ein klassischer Schuldenschnitt. Die ÖHT unterstellt ihren Planungen laut Kleemann eine Ausfallsquote von 15 Prozent. Bei der staatlichen Förderbank AWS, über die Haftungen von rund 2,7 Milliarden Euro für insgesamt rund drei Milliarden Euro an Hilfskrediten für KMU laufen, verweist man auf die "Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Krise". Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) würden jedoch davon ausgehen, dass "es bei Überbrückungsgarantien zu Ausfällen im unteren zweistelligen Prozentbereich aufgeteilt über mehrere Jahre kommen kann". Man rechne "grundsätzlich mit höheren Ausfällen als im langjährigen Durchschnitt".

Letzte Bearbeitung der Kreditgarantien durch die Cofag

Zu rechnen beginnt man nun auch an jener Stelle, wo alle Anträge für die Kreditgarantien zusammenlaufen: Die neu gegründete Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (Cofag) ist für die letzte Genehmigung verantwortlich. Geprüft werden Ansuchen zunächst von der kreditgebenden Hausbank und dann von den Förderstellen AWS, ÖHT beziehungsweise - bei Anträgen von Großunternehmen - der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB). Letztlich muss jedoch die Cofag ihren Segen geben.

profil hat mit den Cofag-Geschäftsführern Bernhard Perner und Marc Schimpel gesprochen. Zahlen in Bezug auf die erwartete Ausfallsquote wollen die beiden nicht nennen - man habe "noch keine validen Daten". Allerdings sei man gerade dabei, entsprechende Simulationen durchzuführen. Tatsächliche Ausfälle gebe es bisher nur vereinzelt und in einem "wirklich sehr kleinen" Volumsbereich. Perner verweist allerdings darauf, dass es heuer bisher nur wenige Insolvenzen gegeben hat. Dies ist bekanntermaßen auf die Corona-Hilfsmaßnahmen zurückzuführen. Experten fürchten jedoch einen starken Anstieg ab Herbst.

Gibt es Gedanken über einen Schuldenschnitt? "Das ist etwas, das nicht in unserer Sphäre liegt", sagt Perner. "Da können wir maximal mit Analysen unterstützen. Das ist das, was wir auch machen."

Anträge wurden bisher zum Großteil genehmigt

Bisher seien rund 23.300 Anträge für Kreditgarantien eingelangt - und davon etwa 22.700 genehmigt worden. Insgesamt beläuft sich das Haftungsvolumen auf die erwähnten rund vier Milliarden Euro. Bei einer zweiten Hilfsmaßnahme, dem sogenannten Fixkostenzuschuss, seien bisher rund 235 Millionen Euro beantragt und davon rund 144 Millionen Euro genehmigt worden.

Details zu einzelnen Fällen dürfe man nicht nennen, erklären die Cofag-Geschäftsführer - etwa zum öffentlich bekannten Ansuchen der AUA für eine Kreditgarantie und einen Zuschuss. Die Fluglinie sorgte unlängst für Aufregung, da sie ihren Managern trotz der avisierten Staatshilfen Boni für das vergangene Geschäftsjahr auszahlen wollte. Laut den Cofag-Chefs gibt es "klare Richtlinien und Vorgaben", die für alle gleichermaßen gelten würden.

Finanzministerium rechnet bei Insolvenzen mit "Nachzieheffekt"

Wie stürmisch wird der Herbst für Österreichs Wirtschaft? Und worauf stellt sich Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ein? Ein Sprecher des Ministers schließt einen "gewissen Nachzieheffekt" bei Insolvenzen nicht gänzlich aus. 2021 rechne das Wifo jedoch wieder mit einem positiven Wirtschaftswachstum. Blümels Sprecher verweist darauf, dass viele der beschlossenen Maßnahmen erst wirksam würden. "Nun muss man einmal schauen, wie diese Maßnahmen alle wirken."

Wären Laufzeitverlängerungen oder ein Schuldenschnitt bei Überbrückungskrediten sinnvoll? "Selbstverständlich wird geprüft, ob für den Zeitraum nach Auslaufen des befristeten Rahmens die bestehenden Richtlinien den aktuellen Bedürfnissen entsprechen - und ob und wenn ja, welche Änderungen notwendig sind."

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.