Hotelier in Sölden warf infizierten Urlauber aus der Unterkunft
Von Jakob Winter und Thomas Hoisl
Der 1000-seitige Zwischenbericht des Landeskriminalamtes Tirol zum verkorksten Krisenmanagement in Tiroler Skigebieten fördert immer mehr haarsträubende Details zutage. Laut profil vorliegenden Akten weiteten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft längst auch auf St. Anton und den Nachbarbezirk Imst aus. Ein besonders bedenklicher Vorfall spielte sich in einem Hotelbetrieb in Sölden ab. Dort nächtigte Anfang März ein Urlauberpaar aus Usbekistan, am 13. März verspürte der 72-jährige Mann dann plötzlich Grippesymptome.
Laut Polizeiprotokoll ließ sich der Urlauber am selben Tag eigenständig im Krankenhaus Zams auf Covid-19 testen. Nach dem positiven Ergebnis – es war erst der zweite offizielle Fall in Sölden - ordnete die Bezirkshauptmannschaft Imst Quarantäne an: Zusammen mit seiner Frau sollte der Tourist zwei Wochen im Hotelzimmer verbringen. Als Beamte der örtlichen Polizeiinspektion am nächsten Tag die Quarantäne kontrollierten, fanden sie auf Zimmer 3 zwar das Paar vor, allerdings auch einen erbosten Hotelbetreiber: Der Besitzer "sei nicht gewillt, beide Personen für die Dauer der Quarantäne bei sich zu behalten" und werde der Absonderung in seinem Haus "keinesfalls zustimmen", protokollierten die Polizisten. Der Söldener Bürgermeister wiederum habe laut Polizei die Auffassung vertreten, der Hotelbetreiber "solle die beiden abzusondernden Personen im Betrieb behalten". Niemand wollte die Infizierten haben. Nach einigem Ringen erklärte sich die Gemeinde bereit, in diesem "Extremfall" ein Quartier zu suchen, bat jedoch um etwas Zeit.
Zwei Tage später dann der nächste Aktenvermerk der Polizei Sölden: Das abgesonderte Ehepaar sei "vom Unterkunftgeber buchstäblich aus der Unterkunft geworfen worden" und stehe "jetzt auf der Straße". Immerhin wurden der 72-jährige Erkrankte und seine Frau noch am selben Tag in ein Ersatzquartier gebracht. Die Polizei bekam den Auftrag, gegen den Hotelbetreiber wegen fahrlässiger Gemeingefährdung zu ermitteln. Der Hotelier ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet. Laut Polizeiprotokoll musste der usbekische Urlauber später stationär behandelt werden, er befand sich zumindest bis 20. April im Krankenhaus Zams.
Wegen Fällen wie diesem sind auch Sölden und die BH Imst in den Fokus der Staatsanwaltschaft gerückt. Die Skigemeinde -die sich in den vergangenen Jahren ausgerechnet mit dem Slogan "Hotspot der Alpen" vermarktete - wird in Dutzenden deutschen Medienberichten mit erkrankten Skitouristen in Verbindung gebracht. Laut Ermittlungsakten erreichten erste Warnungen von heimgekehrten Urlaubern spätestens am 10. März die Gemeinde.
Erst drei Tage später wurden Kontaktpersonen per Bescheid abgesondert. In einem zweiten Fall sah die lokale Behörde "keine Absonderung notwendig", wie es in der Stellungnahme gegenüber den Ermittlern heißt. Für die Staatsanwälte waren die freiwilligen Auskünfte der Tiroler Behörden zu lückenhaft: Bei der BH Imst, der BH Landeck und der Tiroler Sanitätsdirektion klopften Kriminalbeamte Ende April unangekündigt an die Tür, um weitere Unterlagen zu beschlagnahmen.