Die Corona-Chroniken: Jeder ist eine Insel
Tag 4 im Ausnahmezustand. Was Europa von Amerika, Afrika und Australien unterscheidet: Es ist (das ergibt eine knallharte Wikipedia-Recherche) eigentlich kein Kontinent, sondern bloß ein Subkontinent auf einer gemeinsamen Landmasse mit Asien – im Gegensatz zu den anderen Erdteilen, die sich durch Wasser voneinander abgrenzen, selbst wenn das im Falle Afrikas eher symbolisch, nämlich durch den von Menschenhand gegrabenen Suezkanal bewerkstelligt wurde.
Insel und Inseln
Nunmehr hat sich Europa – genauer: die Europäische Union – aber selbst de facto zur Insel gemacht, also im Wortsinn: isoliert. Seit gestern, Mittwoch, gilt für den Kontinent ein nahezu allumfassendes Einreiseverbot zu Lande, zu Wasser und in der Luft (davon ausgenommen sind abgesehen von wenigen, spezifischen Sonderfällen, nur EU-Bürger, die in ihre Heimat zurückkehren). Auf der neuen Insel Europa liegen wiederum Inseln in Form von Nationalstaaten, die ihre Grenzen geschlossen haben und in denen sich wieder-wiederum einzelne Inseln befinden, die wegen besonders hoher Durchseuchung vom Rest des jeweiligen Landes isoliert werden mussten.
In freundlicheren Zeiten würde sich jetzt die ironische Bemerkung anbieten, dass die Rechtsrechten endlich das bekommen, was sie immer wollten: Die totale Abschottung. Aber Ironie steht unter den gegebenen Umständen ebenso unter Quarantäne wie letztlich wir alle, die wir zu Individualinseln geworden sind, umgeben von einem Meer aus Ansteckungsangst.
Bleiben Sie gesund!
Martin Staudinger und Michael Nikbakhsh
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Die Lage zu Mittag
Von gestern auf heute ist die Zahl der bestätigten Corona-Fälle in Österreich um 372 gestiegen. Derzeit liegt sie bei 1843 (Stand: 19.03.2020, 08:00 Uhr) bei 13.724 Testungen (+1747). Der Zuwachs entspricht jenem der 24 Stunden zuvor – allerdings wird er mit dem Eintreffen neuer Zahlen aus den Bundesländern im Laufe des Tages erfahrungsgemäß größer.
Fünf Todesfälle sind amtlich bestätigt. Bei drei weiteren Fällen ist vorerst nicht klar, ob der Tod ursächlich mit der Infektion durch das Coronavirus zusammenhängt oder mit einer Vorerkrankung der Patienten. Die Zahl der genesenen Personen liegt unverändert bei neun.
Die höchsten Zahlen meldet weiterhin Tirol (453), wobei infizierte Urlauber, die inzwischen abgereist sind, nicht mitgezählt werden; es folgt Oberösterreich (345), wo sich in den Ballungsräumen des Zentralraums die meisten Menschen angesteckt haben.
Die tägliche Steigerungsrate liegt bei knapp unter 30 Prozent, die Verdoppelungszeit ist leicht unter drei Tage gesunken. Setzt sich dieser Trend fort, ist am Wochenende mit 3600 bis 4000 Infizierten zu rechnen.
Weltweit wurden bisher insgesamt 218.815 bestätigte Fälle bekannt gegeben, 84.114 Erkrankte sind wieder genesen. (Quelle: Gesundheitsministerium u.a.)
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Nachrichten der vergangenen 24 Stunden
Die schlechten:
+++ Italien verzeichnet den bislang höchsten Anstieg an Corona-Toten an einem Tag: 475
+++ Landeshauptmann Günther Platter stellt ganz Tirol unter Quarantäne
+++ Spielplätze und Parks in ganz Österreich werden gesperrt
+++ Das AMS hat seit Sonntag um rund 49.000 Arbeitslose mehr verzeichnet
+++ Großbritannien schließt nach tagelangem Zögern alle Schulen
+++ Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von der „größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg
Die guten:
+++ China meldet erstmals keine neuen Inlands-Infektionen
+++ 90 Prozent der Bevölkerung nehmen laut einer Gallup-Studie die Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Epidemie verhängt wurden, ernst
+++ Der Wetterbericht verspricht für heute Sonne und milde Temperaturen quer durchs Land. Auch wenn das für viele nur Balkonien heißen mag: Tanken Sie ein wenig UV-Licht.
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„Allein zu sein! Drei Worte, leicht zu sagen, und doch so schwer, so endlos schwer zu tragen.“ Adelbert von Chamisso, deutsch-französischer Dichter und Naturforscher
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Sorglose Ärzte?
Medizinisches Personal steht weltweit vor derselben Herausforderung: Erkrankte zu behandeln, ohne selbst zu erkranken. Zuletzt häuften sich auch in Österreich die Nachrichten über infizierte Ärzte und Pfleger, teils mussten Stationen in Spitälern vorübergehend geschlossen werden, das LKH Hartberg hat den Betrieb überhaupt heruntergefahren. Für Diskussion sorgt in diesem Zusammenhang ein Ärztekongress, der am 8. März im (mittlerweile abgeschotteten) Vorarlberger Skiort Zürs begonnen hatte. An dem Kongress hatten auch zwei Ärzte des Wiener AKH teilgenommen, die später positiv getestet wurden. Haben sie sich dort angesteckt? Waren die Veranstalter sorglos?
Stefan Melichar sprach mit einem der Organisatoren des Kongresses, dem Abteilungsleiter für Herzchirurgie am AKH Günter Laufer. Dieser sagt: „Es kann sein, dass sie sich dort angesteckt haben, das will ich gar nicht ausschließen, aber im Endeffekt wissen wir es nicht.
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„Mein Kollegium und ich sind über den Begriff ,social distancing’ sehr aufgebracht und arbeiten aktiv daran, diesen mit ,physical distancing‘ zu ersetzen. Dieses entspricht nämlich der Wahrheit, wie Clemens Neuhold das ja auch so schön in seinem Artikel (Morgenpost vom 19. März) ausgeführt hat. Das soziale Distanzieren führt nämlich zu einer großen Gefahr der Isolierung und hat dadurch potenziell verheerende Folgen für das mentale und emotionale Wohlbefinden der einzelnen Person, sowie auch der Menschheit.“
Elana Sabajo, Kommunikationstrainerin und Auslandsösterreicherin in Seattle in einem Lesermail an profil
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Trost und Tat
Alarmismus entfaltet durchaus auch therapeutische Kraft, findet Sven Gächter.
Sie ist innerhalb kürzester Zeit zu einem unverzichtbaren Ritual geworden: die Pressekonferenz der Regierung, oft mehrmals täglich, meist live im Fernsehen übertragen. Anfangs stand ihr schieres Stattfinden für den Ernst der Lage, beglaubigt durch eine zuverlässige Häufung von Schreckensmeldungen.
Daran hat sich im Wesentlichen zwar nichts geändert, doch mittlerweile ist eine übergeordnete symbolische Dimension hinzugekommen: Die Pressekonferenz signalisiert Stabilität im Kreuzfeuer der Panik. Solange der Kanzler und seine MinisterInnen der Öffentlichkeit permanent Rechenschaft über Art, Zweck und Erfolg der verordneten Maßnahmen ablegen, weiß die Bevölkerung, dass es immer noch eine höhere Ordnung gibt, die sich gegen den Corona-Wahnsinn stemmt. Darin liegt etwas Beruhigendes: amtlich kalibrierter Alarmismus als Therapeutikum. Jede noch so paradoxe Form von Normalität kann in Zeiten wie diesen Trost spenden.
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Kulinarische Krisenbewältigung
Die Food-Bloggerin Alexandra Palla veröffentlicht auf ihrem Instagram-Account unter dem Hashtag #alleswirdgutküche die nächsten sechs Wochen lang jeden Tag ein neues, einfaches und einfach gutes Rezept zur kulinarischen Krisenbewältigung.
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„Bevor es brenzlig wird”
Der Anti-Gewalt-Trainer Alexander Haydn über Männer, die Wasser trinken, bevor sie zuschlagen, über Wenn-Dann-Schleifen und über Gewaltbeziehungen unter den verschärften Bedingungen von häuslicher Quarantäne.
Interview: Edith Meinhart
profil: Derzeit kommen alle bekannten Risikofaktoren für häusliche Gewalt zusammen, dazu noch einige unbekannte, denn eine Krise wie Corona haben wir noch nicht erlebt. Haydn: Das kann man so sagen. Jetzt wird an den Grundfesten gerüttelt. Man pickt in einer kleinen Wohnung ohne Balkon aufeinander, wird mit angstmachenden Meldungen und tausenden Fragen bombardiert – Was ist, wenn ich mich angesteckt habe? Wie geht es mit der Arbeit weiter? Werde ich gekündigt? Gibt es nächste Woche noch Lebensmittel? – gleichzeitig reduziert sich das Leben draußen. Und niemand weiß, wie lange das alles dauert. Da leuchten wirklich alle Alarmlampen auf.
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Wir wollen Sie sehen und von Ihnen hören
Wenn Sie ein Video gemacht haben, das persönliche Beobachtungen aus dem Corona-Krisen-Alltag einfängt, dann schicken Sie es uns (am besten mit einem Datenübertragungsdienst wie WeTransfer und Link an [email protected]).
P.S. Gibt es etwas, das wir an den „Corona-Chronkien“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.