Österreich und die Wahl in Bayern: O´zipft samma!
Bruno Kreisky fuhr als Bundeskanzler gern zur Kur nach Bad Wörishofen im Unterallgäu. Die Begründung dafür brachte Kreisky den Karl-Valentin-Orden der Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla ein: „Ich fahre gern nach Bayern, da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland.“ Wer heute von Österreich nach Bad Wörishofen zur Kneippkur will, hat es nicht einfach. In der Flüchtlingskrise 2015 führte Deutschland Kontrollen an den Grenze zu Österreich ein und hat sie seitdem nicht aufgehoben.
Die Bayern pflanzen uns gern. Jahrelang stritten die Republik und der Freistaat um die Milliarden-Kosten der Pleite der Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank, an der die Bayerische Landesbank einst beteiligt war. „I want my money back“, erklärte CSU-Ministerpräsident Markus Söder, damals bayerischer Finanzminister, 2012 seiner österreichischen Amtskollegin Maria Fekter bei einem Besuch in Wien.
Historisch betrachtet leiden die Bayern an heftigeren Minderwertigkeitskomplexen als wir. Laut Bernhard Löffler, Inhaber des Lehrstuhls für bayerische Landesgeschichte an der Universität Regensburg, markiert die Entstehung Österreichs „eine, wenn nicht die Verluststory bayerischer Geschichte“. Eine luzide Analyse. Was Kaiser Friedrich Barbarossa 1156 im Privilegium minus aus Bayern löste und als Herzogtum dem Babenberger Heinrich Jasomirgott übertrug, stieg dank der Familie Habsburg in die imperiale Champions League auf, während Bayern unter Wittelsbacher Führung jahrhundertelang Kreisklasse blieb. Großzügig, wie Austria gegenüber Bavaria stets auftritt, gönnten wir den Bayern zum Ende unserer Großmachtära noch eine Gastrolle in Person der Wittelsbacher Nebenlinien-Prinzessin Elisabeth. Und dank des Wieners David Alaba waren die Bayern wenigstens in der Champions-League der Fußballer vertreten.
Böse Bayern
Dabei spielten uns die Bayern im Laufe der Geschichte nicht nur ein Mal übel mit: Im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740 bis 1748) stellten sie sich gegen Maria Theresia und an die Seite des Preußen-Königs Friedrich II. Der historischen Fairness halber muss festgehalten werden, dass die Habsburger im Spanischen Erbfolgekrieg 30 Jahre zuvor unter Prinz Eugens Kommando ganz Bayern besetzt hatten. Am 25. Dezember 1705 wurden 2000 aufständische Bauern („Lieber bairisch sterben als kaiserlich verderben“) nahe München von kaiserlichen Truppen niedergemetzelt. Die „Sendlinger Mordweihnacht“ ist Teil der weiß-blauen Heldensagen, hierzulande aber in Vergessenheit geraten.
Unverzeihbar ist dagegen der Verrat der Bayern, als sie an der Seite Napoleons, erst Tirol besetzten und dann Andreas Hofers Volksaufstand niederschlugen. Eine kleine Wiedergutmachung leisteten sie knapp 60 Jahre später, indem sie Österreich 1866 im Krieg gegen die Preußen unterstützten. Die krachende Niederlage kostete die Bayern zwar die Unabhängigkeit, freilich fügten sie sich bald geschmeidig ins neue Deutsche Kaiserreich ein. Die bayerische Elastizität brachte der Münchner Volksschauspieler Walter Sedlmayer 100 Jahre später auf den Punkt: „Wir Bayern waren immer prinzipientreu: mit Frankreich gegen Österreich, mit Österreich gegen Preußen, mit Preußen gegen Frankreich.“ In dieser Prinzipientreue erkannte Josef Hader einmal gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ ein gemeinsames Mentalitätserbe: „Die Bayern und die Österreicher verstehen sich sehr gut in ihrer Hinterfotzigkeit. Da nimmt keiner dem anderen was weg.“
Regierten in Wien und München einander freundschaftlich gesinnte Herrscher, trotzte man gemeinsam jedem Unfug aus Berlin. So auch im Februar 2000, als der preußische Kanzler Gerhard Schröder mit den Franzosen eine Allianz gegen die schwarz-blaue Bundesregierung formte. Auf seinen Spezi in der Staatskanzlei konnte sich Wolfgang Schüssel freilich verlassen. Ministerpräsident Edmund Stoiber nannte die Sanktionen der EU-14 „eine umgekehrte Breschnjew-Doktrin“ und „einen diplomatischen Amoklauf“. Denn: „Wer Österreich boykottiert, trifft Europa mitten ins Herz hinein.“ Stoiber glaubte eben an Österreich.
Übergang vom Österreicher zum Menschen
Politisch gesehen ist die jüngere österreichisch-bayerische Geschichte vor allem eine von ÖVP und CSU. Wo immer ein ÖVP-Landeshauptmann in den vergangenen Jahrzehnten wahlkämpfte, war der jeweilige bayerische Ministerpräsident als Stargast mit von der Partie. Edmund Stoiber muss es persönlich genommen haben, als Gabi Burgstaller der ÖVP 2004 Salzburg abjagte: Ein rotes Frauenzimmer, das im Hinterhof des Freistaats regiert! Patrona Bavariae, steh´ uns bei! Mittlerweile ist die aus ÖVP- und CSU-Sicht die göttliche Ordnung in Salzburg wieder hergestellt.
Groß war die Begeisterung in München, als Sebastian Kurz das Kanzleramt für die ÖVP gewann. Markus Söder träumte davon, es Kurz gleich zu tun und seinerseits das Kanzleramt in Berlin zu erobern. Daraus wurde nichts. Die Freundschaft hält an. Im September war Kanzler Karl Nehammer zu Gast in München. Markus Söder lobte dabei die österreichische Migrationspolitik und wünschte sich für Deutschland „mehr Wien als Berlin“. Zwischen einen bayerischen Ministerpräsidenten und einen österreichischen ÖVP-Kanzler passte eben kein Fuzel Weißwursthaut.
Die Berliner haben zu den süddeutschen Stämmen ihre eigene Sichtweise. In Preußen gilt der Bayer bekanntlich als „der Übergang vom Österreicher zum Menschen“ (Theodor Mommsen).
Dieser aktualisierte Artikel stammt ursprünglich aus 2013.