Das Blaue vom Himmel: Die teuren Versprechen von Kickl
„Wenn wir ins Kanzleramt einziehen“, so begann Herbert Kickl im Wahlkampf-Sommer 2024 eine Rede in Gries am Brenner (Tirol). Er werde „auf die Stopptaste drücken“ – gemeint war die geplante Sanierung der Luegbrücke, stattdessen forderte er den Bau eines kostspieligen Tunnels.
Ins Kanzleramt könnte der FPÖ-Chef mithilfe der ÖVP tatsächlich bald einziehen. Damit rücken seine alten Versprechen wieder in den Fokus, die er als Oppositionspolitiker bei Sommergesprächen, Parteitagsreden, Wahlkampfevents und in Social Media Postings ventilierte.
Im Wesentlichen versprach Kickl mehr Geld für fast alle: für Österreicher, Autofahrer, Hochwasser-Betroffene und Pensionisten.
Was Kickls Plänen jedoch im Wege stehen könnte, ist die angespannte Budgetsituation. Die Freiheitlichen geben selbst zu, vor der Wahl noch nicht über das massive Defizit im Klaren gewesen zu sein. In den aktuellen Regierungsverhandlungen verständigten sich FPÖ und ÖVP auf eine Konsolidierung von 6,3 Milliarden Euro – noch heuer und ohne ein Defizitverfahren der EU zu riskieren. Das bedeutet vor allem: Sparen, sparen, sparen. Wird Kickl überhaupt finanzielle Spielräume haben, um seine Wahlversprechen einzulösen?
Mehr Netto vom Brutto
Im ORF-Sommergespräch 2023 sprach sich Kickl für einen branchenübergreifenden Mindestlohn von 2000 Euro brutto (etwa 1600 Euro netto) aus, der an die Inflation angepasst werden soll. „Wenn die Sozialpartner das nicht zusammenbringen, wird man über einen gesetzlichen Mindestlohn diskutieren müssen“, erklärte der FPÖ-Chef.
Außerdem: Wer sich etwas dazuverdienen möchte, soll steuerfreie Überstunden als Anreiz erhalten – eine Forderung, die seit Jahren auch von der ÖVP kommt.
Mehr Hochwasserhilfe
Kickl forderte angesichts des Hochwassers in Niederösterreich im Herbst eine kostspielige „Systemumstellung“ bei den Hilfszahlungen. „Österreich muss den unschuldigen Opfern von Katastrophen ein Recht auf vollen finanziellen Schadenersatz einräumen“, so der Parteiobmann.
Dabei bezieht sich Kickl nicht nur auf das Hochwasser in Niederösterreich, auch attestiert er der schwarz-grünen Regierung Untätigkeit bei den Unwettern in der Steiermark und Kärnten. Geht es nach Kickl, sollen Betroffene von Hochwasserkatastrophen einen Rechtsanspruch auf volle Entschädigung bekommen. Die niederösterreichische Landesregierung erhöhte die Ersatzrate für Betroffene von 20 auf 50 Prozent Entschädigung, in Härtefällen auf bis zu 80 Prozent. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) beziffern sich die Hochwasserschäden (ohne Infrastruktur) bisher auf etwa 1,3 Milliarden Euro.
Mehr Straßen
Eines der Prestigeprojekte von Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) war die Evaluierung aller großen Straßenbauprojekte in Österreich. Umweltschützer kritisieren seit Jahren, dass der Ausbau von Straßen auch zu mehr Verkehr führen würde. Der Ausbau der A9 bei Graz und der S18 in Vorarlberg standen auf dem Prüfstand und drohten durch Gewessler gestoppt zu werden.
Mittlerweile regieren die Freiheitlichen in der Steiermark und Vorarlberg mit. Rückendeckung erhalten sie von Bundes-FPÖ-Chef Kickl, der sich für die Wiederaufnahme aller Straßenbauprojekte einsetzt. Während die Kosten für den möglichen Ausbau der A9 noch nicht beziffert werden können, schätzt die Asfinag die Kosten für die S18 laut Gutachten auf 550 bis 900 Millionen Euro – je nach Ausführung.
Mehr Sprit
Um Benzin und Diesel weiterhin leistbar zu halten, forderte Kickl im Frühjahr 2022, auf dem Höhepunkt der Teuerungskrise, eine Halbierung der Mehrwert- und Mineralölsteuer an der Zapfsäule – eine klassische Gießkannenmaßnahme.
2022 betrugen die Gesamteinnahmen aus der Mineralölsteuer etwa vier Milliarden Euro. Bei elf Milliarden Litern verkauften Benzin und Diesel lagen die geschätzten Mehrwertsteuereinnahmen bei 3,5 Milliarden Euro.
Dazu forderte Kickl eine „sofortige Streichung der im Zuge der Steuerreform beschlossenen CO2-Abgabe“. Diese wurde 2022 mit der ökosozialen Steuerreform unter Schwarz-Grün eingeführt und lag zunächst bei 30 Euro pro Tonne CO2. Eine Erhöhung auf 55 Euro war geplant. Die Abgabe wurde über den Klimabonus rückverteilt werden. Für 2024 nahm die Regierung etwa eine Milliarde Euro mit der CO2-Steuer ein, schüttete aber im Vorwahlkampf fast zwei Milliarden Euro an Klimabonus aus. FPÖ und ÖVP wollen den Klimabonus streichen, das brächte beinahe ein Drittel der nötigen Konsolidierung für 2025. Allerdings nur, wenn Kickl eines seiner Versprechen bricht und die CO2-Steuer beibehält. Das ist noch offen.
Mehr Tunnel
Im Vorjahr verkündete Kickl an der Brennerautobahn, die als „schiaches, grausliches Betonmonster“ bezeichnete Luegbrücke stillzulegen und stattdessen eine Tunnellösung zu verfolgen, sollte er Teil einer neuen Regierung werden. Die Asfinag bezeichnete die Brücke als „am Lebensende angelangt“. Eine Tunnellösung sei aus „technischer, sachlicher und fachlicher Einschätzung“ nicht mehr möglich, sagte Asfinag-Geschäftsführer Stefan Siegele.
Dennoch erklärte Kickl die Angelegenheit zur Chefsache: „Sollten wir nach der Nationalratswahl in das Bundeskanzleramt einziehen, nehmen wir diese Sache auf die Agenda! Das sind wir den Leuten und der Natur schuldig“, sagte er im Tiroler Gries.
Auch in Wien positioniert sich Kickl gegen die grüne Klimaministerin Gewessler und für den umstrittenen Lobautunnel. „Was die Grünen immer vergessen, ist, dass auch ein Elektroauto Straßen braucht. Wir würden diese Infrastrukturprojekte umgehend wieder aufnehmen und vorantreiben, weil sie im Interesse der Verkehrssicherheit und der Anbindung des ländlichen Raums sind“, sagte Kickl im Interview mit der Zeitung des ÖAMTC.
Mehr Bargeld
Es war eine Meldung aus Brüssel, die Herbert Kickl auf den Plan rief. Die EU plane die Einführung eines „Digitalen Euros“. Für den FPÖ-Chef ein vermeintlicher Angriff auf das allseits beliebte Papiergeld. „Zuerst wurde der 500-Euro-Schein abgeschafft, jetzt will die EU-Kommission eine Obergrenze von 10.000 Euro bei Bargeldzahlungen“, so Kickl, der eine heimliche Abschaffung des Bargelds durch den digitalen Euro ortet. Der Gegenmaßnahme der FPÖ lautet „Festung Bargeld“ - per Volksbefragung soll Bargeld und das Recht auf Cash-Zahlung in den Verfassungsrang gehoben werden.
Mehr Geld für Alte
Auch Pensionisten zählen zu Kickls Zielgruppe. Nach seiner Aussage sind 45 Jahre Erwerbsarbeit genug, um abschlagsfrei in Pension zu gehen. Zudem sollen Steuererleichterungen ab 60 Jahren bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter eingeführt werden. Wer nach dem Pensionsantritt weiterarbeiten möchte, soll überhaupt keine Steuern mehr zahlen müssen. Problematisch: Schon jetzt befindet sich das Pensionssystem in einer Schieflage. Durch Korridorpension und Altersteilzeit klaffen gesetzliches und faktisches Pensionsantrittsalter auseinander, wie Ökonomen seit Jahren kritisieren.
Mehr Wohnungen
„Wir brauchen leistbare Mietwohnungen. Hier wollen wir einen ordentlichen Impuls setzen, damit die jungen Leute einen sicheren Hafen haben“, verkündete Kickl in seiner Rede zum Wahlkampfauftakt in Graz. Der FPÖ-Chef will, dass der Staat in den Wohnungsmarkt eingreift. Gleichzeitig schlägt er vor, Mieter langfristig in Eigentümer zu verwandeln – eine klassische bürgerliche Position, die sich auch gegen die Gemeindebauten der Stadt Wien richtet.
Eines steht fest: Kickls Versprechen kosten Geld – und das nicht wenig. Ob die Freiheitlichen in den Regierungsverhandlungen die Mittel dafür freimachen können, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die Budgetzahlen sprechen eher dagegen.