Das Bundesheer im Einsatz: Viel Expertise, wenig Mittel
Es ist ein durchaus drastischer Befund: „So werden auch im verteidigungspolitischen Risikobild Pandemien als Ereignisse mit zunehmender Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen von an die 100 Prozent auf die Sicherheit unserer Republik beurteilt. Pandemien können verheerende Folgen auf die Gesellschaft als Ganzes haben. Neben unzähligen Behandlungsbedürftigen und Todesopfern können auch staatliche Dienstleistungen und die Wirtschaft zum Erliegen kommen.“ Die Warnungen stammen aus einem Beitrag der Ende 2019 erschienenen „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2020“ der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium (BMLV). Verfasst wurde der Artikel von Brigadierin Sylvia-Carolina Sperandio, der Leiterin des Militärischen Gesundheitswesens im BMLV.
Die Ausführungen der Ein-Stern-Generalin haben beinahe gespenstische Aktualität: „Auch wenn Österreich und die EU die letzten Pandemien von Schweinegrippe und SARS mit nur wenigen Todesfällen eher unbeschadet überstanden haben, sollte das nicht über ein mögliches Risiko mit weit größeren Auswirkungen hinwegtäuschen.“ Die Forderung der Brigadierin: „Die Vorbereitung auf eine Pandemie … muss ein prioritäres Ziel der Regierung und der österreichischen Sicherheitsstrategie sein.“ Allerdings ortet Sperandio Nachlässigkeiten: „Stetige Evaluierung, Aktualisierung der Pandemiepläne und regelmäßige Übungen des Zusammenwirkens aller Beteiligten dürfen in Österreich nicht länger verabsäumt werden.“ Und weiter: „Die Strukturen für Quarantänestationen, Hochisoliereinheiten und Patiententransportmöglichkeiten sind zu erweitern.“
Auch die eigene Organisation, das Bundesheer, sieht Sperandio nur bedingt gerüstet: „Die Unterstützung des Österreichischen Bundesheeres, das im Falle einer Pandemie zum Einsatz kommen würde, ist von hoher Relevanz. Neben der Logistik durch Lagerungs- und Transportkapazitäten könnten vor allem durch die Zusammenarbeit des speziell geschulten Personals der Sanitätskräfte und der ABC-Abwehrtruppe sowie durch Bereitstellung notwendiger Strukturen sämtliche erforderliche Maßnahmen wie Surveillance, Detektion und Prävention bis hin zur Dekontamination, Quarantäne und Isolation unterstützt werden – vorausgesetzt, die notwendigen personellen, materiellen und infrastrukturellen Ressourcen sind sichergestellt. Gegenwärtig ist dies aber nicht der Fall.“ Sperandios Resümee: „Österreich muss seine Pandemie-Sicherheitsvorsorge als integralen Bestandteil nationaler und globaler Sicherheitsvorsorge evaluieren und verbessern.“
Krisenmanagement angelaufen
Das Krisenmanagement des Bundesheeres ist mittlerweile angelaufen. 2000 Grundwehrdiener dürfen nicht abrüsten, sondern müssen im Dienst bleiben. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner kündigte an, Mitte Mai zusätzlich 3000 Milizsoldaten zu mobilisieren. Im Assistenzeinsatz für die Polizei werden sie vor allem Wach- und Sicherungsaufgaben in Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur übernehmen.
Schon jetzt lösen sie die Polizei beim Schutz der Botschaften und diplomatischen Einrichtungen ab, wie schon während der Flüchtlingskrise 2015/2016. Sollte es trotzdem zu Versorgungsengpässen oder einem Blackout kommen, müsste das Heer auch Ruhe und Ordnung wiederherstellen – nicht unbedingt eine Aufgabe für 18- bis 19-jährige Rekruten.
Ministerin Tanner sieht das Heer für die Bewältigung der Covid-19-Krise gut gerüstet: „Wir sind in der Lage, jederzeit und rasch zu helfen und unsere Expertise einzubringen.“ An Expertise mangelt es dem Heer tatsächlich nicht, allerdings an Mitteln. Die Miliz, die nun mobilgemacht wird, verfügt außer Uniformen über keine Ausrüstung. Alles, was im Heer noch vorhanden ist und funktioniert – von Fernmelde-Equipment bis zu Nachtsichtgeräten –, wird von den aktiven Kräften benötigt. Eine großräumige Verlegung der Soldaten ist ohnehin nicht möglich, denn dafür fehlen die Transportkapazitäten. Im Ernstfall könnten private oder Postbusse zum Einsatz kommen.
Diese stehen derzeit ohnehin in den Garagen.
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