Das Dorf bin ich: Der große Bürgermeisterreport
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind das Bodenpersonal der Republik – und damit die vielleicht wichtigsten Politikerinnen und Politiker des Landes. Über ihre Arbeit spricht man vor allem, wenn sie negativ auffällt. Zum Beispiel, wenn jemand seine Machtposition ausgenutzt hat. Aber wie sehen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister selbst ihr Amt, ihr Image und ihre Kompetenzen? profil startete eine große Befragung quer durch Österreichs Gemeindeämter. 405 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, also 19 Prozent aller Ortschefs, nahmen daran teil. Der – statistisch nicht repräsentative – Report bietet einen Blick auf die Lebensrealität der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der – wie es die „Salzburger Nachrichten“ einmal formulierten – „heimlichen Chefs der Republik“.
Schlossherr in Vösendorf
Hannes Koza, 45, ist eine Lokalgröße. In seiner Heimatgemeinde Vösendorf nahe Wien besitzt er einen bekannten Heurigen. Den Betrieb führt seine Frau, denn Kozas Arbeitsplatz befindet sich – nur 100 Meter entfernt – im ersten Stock des Schlosses Vösendorf. Dort ist das Gemeindeamt untergebracht, und Koza ist gewissermaßen Schlossherr, seit er vor drei Jahren als erster ÖVP-Politiker zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Job Description ist kurz: „Ein Bürgermeister hat sich um alles zu kümmern“, sagt Koza. Auch um das Image seiner Gemeinde: Rest-Österreich kennt Vösendorf als Autobahnknoten und Sitz der Shopping City Süd, für Koza ist Vösendorf eine lebenswerte Marktgemeinde mit viel Grünfläche in der niederösterreichischen Thermenregion am Rande Wiens.
Hannes Koza ist einer von 2093 Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen in Österreich. Sie sind die vielleicht wichtigsten Politiker des Landes: Den Bundeskanzler kennt man vom Fernsehen. Der Landeshauptmann tritt vielleicht ein Mal pro Jahr in der Bezirkshauptstadt auf. Zum Bürgermeister aber kann man mindestens ein Mal pro Woche in die Sprechstunde: mit Anliegen, Beschwerden und manchmal auch mit Drohungen. Bürgermeister sind in ihrem Wirkungsbereich Alleinentscheider. Was sie tun oder lassen, beeinflusst das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger unmittelbar.
Ausgerechnet ihr höchster Interessenvertreter sorgte unlängst für Aufregung. Ende Juli stellte Alfred Riedl, ÖVP, sein Amt als Präsident des Gemeindebundes ruhend, nachdem die Vorwürfe gegen ihn immer lauter wurden. Riedl, Bürgermeister von Grafenwörth (Bezirk Tulln), soll aus Grundstücksdeals in seiner Gemeinde privat mehrere Hunderttausend Euro lukriert haben. profil berichtete darüber als erstes Medium. Er selbst betont, alles sei rechtens gewesen. Andreas Kollross, Vorsitzender des SPÖ-Gemeindevertreter-Verbandes und Bürgermeister von Trumau im Bezirk Baden, ortet einen Imageschaden für seinen Berufsstand: „Riedls Geschäfte in der eigenen Gemeinde, die er nicht privat, sondern jederzeit auch zum Wohle der Gemeindekasse abwickeln hätte können, werfen kein gutes Licht auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Österreich.“ Allerdings, so Kollross: „So sind wir nicht.“
Wie sind sie dann, unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister?
Der profil-Report gibt Einblicke in die Gemeindeämter. Vor allem beim Aufwand ist das Ergebnis der Umfrage eindeutig. Mehr als ein Drittel der Befragten arbeiteten laut eigenen Angaben zwischen 41 und 50 Stunden die Woche, ein weiteres Drittel sogar noch länger. Ein Viertel der Befragten schätzt, zwischen 21 und 40 Stunden pro Woche für das Amt aufzuwenden. Nur ein sehr geringer Teil arbeitet durchschnittlich maximal 20 Stunden pro Woche. Laut einer Erhebung des Gemeindebundes aus dem Jahr 2019 üben zwei Drittel der Bürgermeister neben ihrem Amt auch einen Zivilberuf aus.
Fürs Privatleben bleibt bei all den offiziellen und offiziösen Pflichten nicht viel Zeit. Bürgermeister sind Bau-, Fund- und Meldebehörde. Sie sind Vorstand des Gemeindeamts, Vorgesetzte der Gemeindebediensteten und vertreten ihre Gemeinden nach außen. Nach innen sind sie amtlich befugte Kümmerer: Sie eröffnen Kirtage, Zeltfeste und die Skisaison. Bei Veranstaltungen der Senioren, der Landjugend oder des Kameradschaftsbunds sind sie Ehrengast. Braucht die Feuerwehr ein neues Auto oder die Blasmusik einen neuen Probesaal – der Bürgermeister muss es richten. Sie dienen aber auch als politische Ersthelfer und Krisenmanager, wie die jüngsten Umweltkatastrophen in Kärnten und der Steiermark zeigten.
Die Bürgermeister tragen also viel Verantwortung, bei geringer Gage. Die Bezahlung hängt von zwei Faktoren ab: der Einwohnerzahl und dem Bundesland. Absolute Niedrigverdiener sind die Ortschefs von Kleinstgemeinden in der Steiermark, die 2468 Euro brutto im Monat erhalten. Am meisten bekommen Oberösterreicher in Gemeinden ab 20.000 Einwohnern, nämlich 10.155 Euro brutto. Oberösterreich ist auch das einzige Bundesland, das hauptberuflichen Bürgermeistern mehr bezahlt als nebenberuflichen.
Eine unübersichtliche Ausnahme ist Vorarlberg: Als Bezahlung wird kein fixer Betrag, sondern ein Rahmen vorgegeben, der auch von den Nächtigungszahlen der jeweiligen Gemeinde abhängt. Gibt es viele Bürger und Touristen, sind bis zu 16.400 Euro brutto möglich.
Im groben Österreich-Schnitt verdient ein Bürgermeister in einer 2000-Einwohner-Gemeinde etwa 4000 Euro, bei 7000 Einwohnern etwa 6000 Euro und bei 20.000 Einwohnern etwa 9000 Euro. In Salzburg und Tirol erhalten Bürgermeister eher mehr, in der Steiermark und Niederösterreich eher weniger.
Aufgrund der regional starken Differenzen sehen die Bürgermeister auch die Angemessenheit ihrer Gagen unterschiedlich. 51 Prozent der von profil Befragten sind sehr oder eher zufrieden. Ihnen stehen 48 Prozent gegenüber, die sehr oder eher unzufrieden sind. Einige fordern in ihren Antworten an profil österreichweit einheitliche Bezüge. Und: Die untersten Bürgermeister-Gehälter sollten kräftig angehoben werden. „Viele Mitarbeiter verdienen mehr als Bürgermeister, die Verantwortung tragen“, schreibt ein Befragter. Überdies werden die Gehälter der Gemeindebediensteten regelmäßig stärker angehoben als jene der Bürgermeister.
Wertschätzung schwindet
In der jüngsten Debatte um Politikergehälter forderte der Salzburger Gemeindeverbandspräsident und Bürgermeister von St. Johann im Pongau, Günther Mitterer, eine Anhebung der Gagen: „Der Bürgermeister ist der, der in der Hierarchie der Politikergehälter an letzter Stelle steht, aber die Aufgaben sind in der letzten Zeit immer mehr geworden.“ Zudem werde es für Bürgermeister selbst in mittelgroßen Gemeinden zunehmend schwieriger, ihr Amt nebenberuflich auszuüben.
Statt Geld gibt es Zuspruch. „Der Bürgermeister ist immer noch eine Respektsperson“, meint Helmut Mödlhammer, Ex-Gemeindebund-Präsident und von 1986 bis 2014 Bürgermeister von Hallwang bei Salzburg. Untersuchungen zeigen, dass Kommunalpolitiker mehr Vertrauen genießen als ihre Kollegen in Land und Bund. Und doch geben knapp 60 Prozent der von profil Befragten an, die Wertschätzung für Bürgermeister habe abgenommen.
Dies führen sie auf mehrere Faktoren zurück. Oft wird der Vertrauensverlust genannt, der die gesamte Politik betrifft, und damit auch ihre unterste Ebene. Dann die Ansprüche, die die Bevölkerung an ihre Bürgermeister stellt: Sie sollen Ansprechpartner für alle Anliegen und Ärgernisse sein, selbst wenn sie nicht zuständig sind. „Man baut einerseits Freundschaften auf, und andererseits ist die Hemmschwelle sehr gering, dass man auch beschimpft wird. Die Menschen sind sehr auf ihren eigenen Vorteil eingestellt und akzeptieren oft nicht, wenn ein Gesetz, eine Verordnung oder ein sonstiger Grund dies einfach nicht zulässt“, schreibt eine Bürgermeisterin. Auch „Negativbeispiele“ wie die Causa Riedl spielen eine Rolle, glauben die Befragten. „Wenn sich Bürgermeister selbst bereichern und nicht das Gemeinwohl an erster Stelle steht, kommt das in der Bevölkerung zu Recht nicht gut an“, schrieb einer von ihnen an profil.
Vater, Sohn, Zugereister
Das Wahlversprechen von Lukas Schrattenthaler, 50, war: Ich bin keiner von euch. Nach Jahren als Sprecher der NEOS im Bund und als Geschäftsführer der Grünen in Vorarlberg ließ sich Schrattenthaler in Sulzberg, einer kleinen Gemeinde im Bregenzerwald, nieder. 25 Jahre lang gab es einen unangefochtenen Bürgermeister, danach regierte weitere 25 Jahre dessen Sohn. „Ich bin gewählt worden, weil manche froh waren, dass der Kelch an ihnen vorübergegangen ist, und weil die anderen einen Wechsel an der Gemeindespitze haben wollten.“ Jemanden, der unabhängig von Bekanntschaften und Seilschaften in der Gemeinde agieren kann.
Das hat allerdings seinen Preis. Als er den langjährigen Leiter des Altenheims entließ, der trotz Corona-Infektion zur Arbeit ging, erhielt er Drohbriefe an die Privatadresse, der Pfarrer sprach ein paar Fürbitten beim Gottesdienst. Auch Helmut Mödlhammer erinnert sich an unliebsame Begegnungen. Ein Bauträger drohte ihm mit einer Millionen-Klage, sollte er ein Projekt blockieren: „Als Bürgermeister braucht man ein starkes Rückgrat. Gibt man einmal nach, ist man verloren.“
Ein Gegenmittel könnten Gemeindefusionen oder zumindest Gemeindekooperationen sein. Im Bregenzerwald bündeln Ortschaften ihre Abteilungen und richten etwa ein gemeinsames Bauamt ein. Entscheidungen werden also mit etwas Entfernung getroffen. Auch der Verfassungsjurist Peter Bußjäger wäre dafür: „Kleinstgemeinden sind nicht wirklich in der Lage, ein Bauvorhaben qualitätsvoll abzuwickeln.“ Eine Zusammenarbeit könnte sie juristisch entlasten und auch den sozialen Druck abbauen.
Bundespräsident und Bürgermeister
Zwei Amtsträger werden in Österreich direkt gewählt: der Bundespräsident und der Bürgermeister – außer in Wien, Niederösterreich und der Steiermark. Diese demokratische Legitimation habe die Position der Ortschefs gestärkt, sagt Bußjäger. Neben der Bevölkerung brauche der Bürgermeister aber auch den Gemeinderat: „Die Macht der Bürgermeister hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Liste dort eine Mehrheit hat.“ Denn maßgebliche Entscheidungen wie Umwidmungen treffe der Bürgermeister nicht allein. Außerdem dürfe man nicht vergessen: Die Gemeinde stehe unter staatlicher Aufsicht. Freilich sei die Bereitschaft der Landesbehörden, Vorgänge genau zu überprüfen, nicht immer gegeben.
profil fragte die Bürgermeister auch, ob sie bestimmte Kompetenzen gern an Bund oder Länder abgeben möchten – oder, umgekehrt, welche Aufgaben sie zusätzlich erhalten möchten. Dabei wurde ein Bereich, nämlich Bildung und Kinderbetreuung, besonders oft genannt. Manche möchten die Verantwortung dafür abgeben, andere völlig übernehmen.
In jedem Fall sollten die Zuständigkeiten neu definiert werden. Ein Bürgermeister aus dem Burgenland schreibt: „Es ist unverständlich, warum das gesamte Bildungspersonal vom Bund bzw. vom Land für die Volks- und Mittelschulen bereitgestellt und verwaltet wird – aber für die Nachmittagsbetreuung dieser Schultypen und für das gesamte Kindergartenwesen die Gemeinden zuständig sind.“ Ein anderer meint: „Dem einen gehört das Gebäude, der andere stellt das Personal an und der Dritte bezahlt.“ Die Verantwortung müsste dringend in eine Hand. Vor allem, wenn Bund und Länder neue Gesetze beschließen, die die Gemeinden umsetzen müssen.
Scheune ablehnen, dann um Stimme bitten
In der Frage einer Kompetenzverschiebung bei Raumplanung und Flächenwidmung sind die Ortschefs unentschlossen: Einerseits würde der Druck wegfallen, einer Umwidmung zuzustimmen, wenn das Bundesland zuständig wäre. Andererseits wisse man vor Ort am besten, was für Gemeinde und Umwelt die ideale Lösung sei. „Wenn es um den Erhalt und Schutz landwirtschaftlich wertvoller Böden geht, muss das Land von oben durchgreifen“, sagt ein Vorarlberger Bürgermeister. Ein steirischer Amtskollege beschreibt sein Dilemma so: „Ein Beispiel: Ich erlasse einen Abbruchbescheid für eine Scheune oder genehmige ihren Neubau nicht so, wie die Familie es möchte. Einige Zeit später bitte ich um die Stimme für die Wahl zum Bürgermeister. Das geht nicht.“
Auch Lukas Schrattenthaler kann nachvollziehen, dass manche Amtskollegen davor zurückscheuen, sich mit einflussreichen Bürgern anzulegen: „Viele sagen: Ich bin vielleicht zehn Jahre Gemeindevertreter, hier lebe ich aber mein Leben lang.“
Besonders unangenehm wird es, wenn die Interessen der Familie oder gar eigene betroffen sind. Wenn Bürgermeister Landwirte, Grundbesitzer, Hoteliers oder Gewerbetreibende sind, kann rasch der Anschein von Unvereinbarkeiten entstehen.
Die Grünen forderten zuletzt eine Umverteilung der Kompetenzen im Bildungsbereich, doch der Koalitionspartner ÖVP bleibt skeptisch. Derzeit sind Bund, Länder und Gemeinden ohnehin mit der Aufteilung des Steuergelds im Rahmen des neuen Finanzausgleichs beschäftigt. Die Gespräche für die Kommunen führt nach Alfred Riedls Rückzug unter anderem Andrea Kaufmann, Bürgermeisterin von Dornbirn. „Die Verhandlungen sind immens wichtig. All die Aufgaben müssen für die Gemeinden finanzierbar sein.“ Vor allem die Kinderbetreuung leide an geringem Personal und hohen Baukosten. Und auch die Finanzierung von Pflegeeinrichtungen wird für die Gemeinden immer schwieriger.
Einige Ortschefs sehen in der profil-Befragung persönliche Haftungen als Belastung. „Das ist eine absolute Zumutung in der heutigen Zeit, wo jeder gleich mit einem Rechtsberater auftritt, wenn sein Bauvorhaben nicht wie gewünscht abgesegnet wird“, schreibt ein Bürgermeister. Ein Amtskollege einer kleineren Ortschaft findet es „relativ schwer“, alle Kompetenzen und juristischen Rahmenbedingungen im Blick zu haben. „Da man bei gewissen Entscheidungen immer eins im Hinterkopf haben sollte: Du haftest mit deinem Privatvermögen und bist mit einem Bein immer im Häfn.“
Noch immer haben die Ortschefs einen kuriosen Fall aus 2015 in Erinnerung. Damals biss ein Hecht im Badeteich St. Pölten einen Siebenjährigen. Drei Jahre später musste die Gemeinde 14.000 Euro zahlen, da der Bürgermeister als Hecht-Halter nicht für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung gesorgt hatte. Verfassungsjurist Bußjäger versucht, Entwarnung zu geben. „Es gibt diese Fälle, aber sie sind sehr selten. Und dafür sind auch Versicherungen da, um einzuspringen.“
Besonders heftig erwischte es den früheren Salzburger SPÖ-Bürgermeister Heinz Schaden, der wegen Beihilfe zu Untreue verurteilt wurde, weil er notleidende Spekulationsgeschäfte der Stadt an das Land übertragen hatte. Im Ergebnis hatte Schaden der Stadt damit hohe Verluste erspart, bestraft wurde er trotzdem.
Kehrseiten
Auch Hannes Koza kennt die Kehrseiten des Amtes. Im März wurde er bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Die Sachverhaltsdarstellung war professionell formuliert, offensichtlich von einem Juristen oder gar von einem Rechtsanwalt. Der Vorwurf: Koza habe die Gemeinde geschädigt, indem er auf die mögliche Mietpreiserhöhung bei Gemeindewohnungen verzichtete. Vor einigen Wochen wurde er angezeigt, weil er den Badeschluss an einem Teich von 19 Uhr auf 20 Uhr verlegt hatte, wofür manche Anrainer kein Verständnis zeigten. Vor einem Jahr sah er sich mit der Klage einer älteren Frau konfrontiert, die über einen lockeren Randstein gestürzt war.
Und was kommt nach dem Rathaus? Wenn man abgewählt wird oder freiwillig aus dem Amt scheidet? Viele Bürgermeister wünschen sich eine bessere soziale Absicherung für die Zeit danach. Denkbar wären Gehaltsfortzahlungen, Arbeitslosenversicherungen oder harmonisierte Pensionsansprüche – denn auch all das hängt davon ab, in welchem Bundesland man tätig ist. In Salzburg erhalten Bürgermeister nach dem Ausscheiden eine Gehaltsfortzahlung für sechs Monate, die nun auf neun Monate ausgeweitet werden soll. Einer der Befragten schlägt vor: „Es wäre wünschenswert, die Amtsperioden mit sechs Jahren festzulegen und mit drei Amtsperioden zu begrenzen und diese Maßnahme mit einer besseren sozialen Absicherung zu kombinieren.“
Nur zehn Prozent Bürgermeisterinnen
In einer Umfrage der Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle gaben vor allem Bürgermeisterinnen an, die mangelnde soziale Sicherheit als Problem zu sehen. Für schwangere Bürgermeisterinnen gelten etwa keine Karenzregeln. In ihrem Amt seien sie auch öfter mit Beschimpfungen konfrontiert. Vielleicht auch deswegen ist der Bürgermeister-Job im Jahr 2023 immer noch Männersache. Nur etwas mehr als zehn Prozent der österreichischen Gemeinden haben eine Bürgermeisterin. Eine von ihnen ist Daniela Kampfl, Ortschefin im Tiroler Mils. Sie versuchte, eine ausgewogene Geschlechterquote im Gemeinderat zu erreichen. Kampfl: „Frauen müssen stärker in allen Gremien vertreten sein.“
Nur langsam geht der Trend nach oben. Kleinste Etappenziele werden als Erfolg gefeiert. So jubelte der Gemeindebund jüngst in einer Aussendung, es gäbe in Österreich nun mehr weibliche Bürgermeister als solche namens Franz und Hans.
Egal ob Mann oder Frau, die meisten Bürgermeister gehören der ÖVP an, die etwa zwei Drittel der Ortschefs stellt. Geht es den Bürgermeistern gut, geht es auch der Volkspartei gut. Der Kanzler weiß das. Zur Abfederung der Teuerung schnürte die Bundesregierung ein Milliarden-Paket.
Einige ÖVP-Bürgermeister vertreten die Interessen der Gemeinden auch im Nationalrat, wie Klaus Lindinger. Der Landwirt ist Bürgermeister von Fischlham im Bezirk Wels Land. Ein Projekt, auf das Lindinger besonders stolz ist: Eine Lagerhaus-Filiale soll zu einer Senioren-Residenz umgebaut werden. Auch Lindinger stand als Bürgermeister bereits vor Gericht. Es ging um Fischerei-Rechte. Bürgermeister sein bedeute „Handlungsfähigkeit“, sagt er. Aber manchmal wären kommunale Probleme nur auf Bundesebene zu lösen. Die Landwirte in seiner Region beschäftigen viele Kosovaren als Erntehelfer. Da deren Führerscheine lange Zeit nicht anerkannt wurden, konnten sie nicht mit Traktoren auf öffentlichen Straßen fahren. Eine vom Nationalrat beschlossene Novelle zur Straßenverkehrsordnung sorgte für Abhilfe. Joachim Schnabel, 47, gelernter Tischler, ist Bürgermeister im weststeirischen Lang (1350 Einwohner) und ebenfalls ÖVP-Nationalratsabgeordneter. Bürgermeister seien „Problemlöser vor Ort“, sagt er.
Burn-out und Impfneid
Manchmal machen sie aber auch Probleme. Zuletzt sorgte der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider vom Team Kärnten für einen landesweiten Aufschrei. Seinem Magistratsdirektor hatte Scheider derart üppige Überstunden bewilligt, dass dieser mehr verdiente als Landeshauptmann Peter Kaiser. Ungereimtheiten beim Bau der Fohnsdorfer Therme und die Rolle der Lokalpolitik beschäftigten jahrelang die Gerichte. Der Bürgermeister einer Gemeinde im Südburgenland wurde wegen gesetzwidriger Baubewilligungen zu einer bedingten Haftstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Tiroler Gemeinde Matrei häufte Millionen-Schulden an (siehe profil 21/2023). Aber es muss nicht immer nur um Geld gehen: Als die ersten Corona-Impfungen verteilt wurden, holten sich einzelne Bürgermeister gleich zu Beginn eine Spritze. Der Begriff „Impfdrängler“ war geboren.
Nicht immer achten Bürgermeister auf ihre Gesundheit. Das Thema „Burn-out“ ist ein Tabu. Nach mehreren Suiziden von Bürgermeistern begann der Gemeindebund vor zehn Jahren, Gesundheitsseminare für Ortschefs anzubieten. Helmut Mödlhammer glaubt, die jüngere Generation der Bürgermeister sei achtsamer und ernähre sich nicht mehr nur von „Leberkässemmerln“. Trotz des Stresses sei es „das schönste Amt im Land“ – das dennoch an Attraktivität verliert, nicht nur in Kleinstgemeinden. Bei der letzten Gemeinderatswahl im Salzburger Radstadt (5000 Einwohner) konnten weder ÖVP noch SPÖ einen Kandidaten nominieren. Das Amt ging kampflos an die FPÖ. Der Gemeindebund veröffentlichte sogar einen Leitfaden zur Frage: „Was, wenn sich kein Bürgermeisterkandidat mehr findet.“
Manchmal braucht auch der engagierteste Ortschef eine Pause im schönsten Amt der Welt und Ruhe vor den eigenen Bürgern. Wer in Grenznähe wohnt, hat es da einfacher. Ein Bürgermeister meint: „Wenn ich ins Wirtshaus will, fahre ich nach Bayern.“