Das Ende des Zweiten Weltkrieges: Auschwitz wird befreit

Das Ende des Zweiten Weltkrieges: Auschwitz wird befreit

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Im Westen haben die Alliierten Aachen erobert. In Ungarn steht die Rote Armee beim Plattensee, in Budapest dringt sie auf die Margaretheninsel vor. Die schlesische Hauptstadt Breslau wird belagert. Als der Vizebürgermeister aus der Stadt fliehen will, wird er von Leuten des Volkssturms erschossen, einer militärisch sinnlosen Truppe von älteren Männern und Hitler-Jungen. Umso öfter werden im "Völkischen Beobachter“ deren "Heldentaten“ gerühmt, etwa jene des 18-jährigen Walter Fiedler im Kampf vor Aachen angesichts einer anrollenden Panzereinheit der US-Army: "Fiedler verliert die Ruhe und die kühle Überlegung nicht. Rasch entschlossen springt er in ein Panzerdeckungsloch und schließt den Apparat zur Störungssuche an die Fernsprechleitung seiner Abteilung an. Da er von seinem Platz aus den Gegner am besten beobachten kann, übernimmt er die Feuerleitung, und bald schlägt Salve um Salve in den angreifenden Panzerpulk.“ Gefreiter Fiedler bekommt das Eiserne Kreuz I. Klasse und das Ritterkreuz.

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In Südpolen erobert die Rote Armee am Nachmittag des 27. Jänner, einem Samstag, den größten Konzentrationslager-Komplex des Deutschen Reiches - jenen bei Auschwitz. Im Lager befinden sich noch rund 7000 halbtote Häftlinge. 60.000 KZ-Insassen waren in den Tagen zuvor von der SS auf Todesmärschen Richtung Westen getrieben worden. Hunderte Häftlinge überleben ihre Befreiung trotz medizinischer Hilfe nur um wenige Tage. Insgesamt wurden seit 1940 rund 1,3 Millionen Menschen in die Lager bei Auschwitz getrieben, 1,1 Millionen kamen dort um.

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Am selben Tag wird in Wien wegen des sich verschärfenden Energiemangels angeordnet, der Lichtstromverbrauch in Gaststätten, Büros und Verkaufsräumen dürfe höchstens 70 Prozent des Verbrauchs im Vergleichsmonat 1942 betragen. Haftstrafen werden verhängt, wenn jemand seine Wohnung mit Gaskochgeräten oder Backrohren beheizt. Wasser zum Baden oder Wäschewaschen darf weder mit Gas noch mit Strom erwärmt werden.

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In den Kinos läuft der Bergfilm "Sonne, Schi und Pulverschnee - Die drei Zinnen“ nach einem Buch des Südtiroler Heimatdichters Hubert Mumelter. Mumelter war durch seine 1933 erschienene "Skifibel“ bekannt geworden.

Im Volksbildungswerk Wien-Margareten tritt der beliebte Schauspieler Richard Eybner auf, "die Verkörperung eines oft zwerchfellerschütternden Humors“, wie das "Neue Wiener Tagblatt“ schreibt. Er liest aus Werken von Peter Rosegger, Josef Weinheber "und anderen Gestalten aus unserem heimischen Lebenskreis“. Weinheber galt den Nazis als "bedeutendster lebender Lyriker der Gegenwart“. Am 20. April 1938, Hitlers 49. Geburtstag, trug der Staatsschauspieler Ewald Balser Weinhebers "Hymnus auf die Heimkehr“ im Burgtheater vor:

"Deutschland, ewig und groß,

Deutschland, wir grüßen Dich!

Deutschland, heilig und stark,

Führer, wir grüßen Dich!

Heimat, glücklich und frei,

Heimat, wir grüßen Dich!“

Angesichts der anrückenden Roten Armee vergiftet sich Weinheber am 8. April 1945 in seinem Haus in Kirchstetten im Wienerwald mit einer Überdosis Morphium.

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Eine Reportage von der Ostfront im "Völkischen Beobachter“: "Der Kolbenhieb eines deutschen Landsers hatte ihm den Schädel eingeschlagen. Die gelben Finger sind in die pommersche Erde eingekrallt. Seine widerliche Fratze ist zum grauen Morgenhimmel gerichtet, und entblößt schieben sich die hässlichen Zähne aus den schmalen Lippen. Ein Oberleutnant fragt einen gefangenen Bolschewisten:, Kennst Du ihn?‘, Ja, er war Kommissar.‘, War der Kommissar Jude?‘, Ja, er war Jude.‘“

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Am 30. Jänner, dem zwölften Jahrestag seiner Machtergreifung, hält Adolf Hitler in seinem Berliner Hauptquartier eine Rede, die via Radio im gesamten Deutschen Reich übertragen wird: "Ich erwarte von jedem Deutschen, dass er seine Pflicht bis zum Äußersten erfüllt, dass er jedes Opfer bringt, das von ihm erwartet werden muss, und ich erwarte von jedem Gesunden, dass er Leib und Leben einsetzt im Kampf. Ich erwarte von allen Frauen, dass sie diesen Kampf so wie bisher mit äußerstem Fanatismus unterstützen.“

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In Berlin wird der Durchhaltefilm "Kolberg“ des Regisseurs Veit Harlan uraufgeführt. Er handelt von der aussichtslos scheinenden Verteidigung der deutschen Ostseefestung Kolberg, die 1813 von Napoleons Armee belagert, letztlich aber doch nicht eingenommen wurde. Als sowjetische und polnische Truppen am 18. März 1945 Kolberg erobern, untersagt Propagandaminister Joseph Goebbels, dies im Wehrmachtsbericht zu erwähnen.

Noch 14 Wochen bis zum Ende des Weltkriegs in Europa.

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