Österreich

Das Ende einer langen Dienstfahrt: Rückzug nach 30 Jahren Parlament

Als Karlheinz Kopf 1994 ins Parlament kam, war Österreich nicht in der EU und man kommunizierte mit Fax und am Festnetztelefon. Nun tritt der längstdienende Abgeordnete ab. Eine Zeitreise durch 30 Jahre Innenpolitik-Geschichte.

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Am 6. November 1994 stieg Karlheinz Kopf mit seiner Mutter und seiner Frau in Vorarlberg in den Zug und tuckelte nach Wien. Das dauerte, die schmucken schnellen Railjet-Züge waren noch lange nicht gebaut. Im Abteil der Kopfs herrschte dennoch während der langen Fahrt freudige Aufregung, denn es sollte ein großer Tag werden für Kopf, das älteste von sieben Kindern. „Wir brauchen Leute aus der Wirtschaft in der Politik“, hatte der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Chef zu Kopf gesagt, und der ehrgeizige Jungspund hatte Rundbriefe verschickt, Prospekte verteilt und sich so im ersten (und zugleich letzten) offenen ÖVP-Vorwahlkampf durchgesetzt. Am 7. November 1994 wurde er im Parlament als frischgebackener Abgeordneter angelobt.

Niemand, am wenigsten er selbst, konnte damals ahnen, dass der Unternehmer, der Sportstätten baut, das Parlament jahrzehntelang nicht mehr verlassen würde. Kopf war Tormann des FC Nationalrat, Klubobmann, Zweiter Nationalratspräsident, Reserve-Bundespräsident. 30 Jahre saß er ohne Unterbrechung im Hohen Haus und hält damit den Rekord: derzeit längstdienender Abgeordneter der Republik. Kopf sah über 100 Minister und Ministerinnen auf der Regierungsbank im Parlament auftauchen und wieder verschwinden. Er erlebte acht ÖVP-Obmänner und verschiedenste Koalitionsvarianten. Vor allem spannende Polit-Zeitgeschichte erste Reihe fußfrei. Nun ist sie zu Ende, der 67-Jährige kandidiert nicht mehr.

Als er 1994 ins Parlament kam, war Österreich kein EU-Mitglied, die Währung Schilling, kommuniziert wurde mit Briefen, Fax und Festnetztelefon. „Es war eine andere Welt. Man hinterließ Nachrichten in Büros oder versuchte Menschen in Kaffeehäusern ausrufen zu lassen“, erinnert sich Kopf, wie schwer es damals war, Leute zu erreichen. Er selbst, in Eigendefinition ein „digital native“, hatte 1995 sein erstes Mobiltelefon: „Ein riesiger Kasten. Ich war stolz. Allerdings konnte man kaum jemand anrufen, weil sonst niemand ein tragbares Telefon hatte.“

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin