Seine erste Parlamentsrede hielt Kopf zu Europa. Eine gewisse Aufbruchsstimmung strömte durchs Land, die SPÖ-ÖVP-Koalition, der Beitritt zur EU Anfang 1995 galt als großer Erfolg. Neun Monate später war Schluss mit Harmonie. ÖVP-Chef Erhard Busek, der sich selbstironisch „Knackwurst mit Brille“ nannte, war abmontiert worden. Der erste Obmannwechsel, den Kopf live miterlebte: „Damals glaubte die ÖVP bei jeder Wahl an den Sieg – und war bitter enttäuscht, wenn wieder die SPÖ vorn lag. Dann musste der Obmann dran glauben. Das war brutal. Und 1995 auch chaotisch: Man suchte einen Obmann und glaubte, ihn in Johannes Hengstschläger gefunden zu haben.“ Der wartete im Kaffeehaus – doch in der Partei einigte man sich auf Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel.
Turbulente Zeiten: tödliche Briefbomben-Attentate, Sparpakete, Koalitionsstreit, Neuwahlen im Dezember 1995. Und wieder eine Große Koalition – die vorerst letzte. „Nachdem das gemeinsame Projekt EU-Beitritt abgeschlossen war, kippte die Stimmung sehr schnell. Kompromisse wurden immer mühseliger“, beschreibt Kopf die bleierne Zeit Ende der 1990er-Jahre. Die rot-schwarze Aufbruchsregierung, gemeinsam entschlossen, Österreich europafit zu machen, war der rot-schwarzen Verdrussregierung gewichen.
Politisier-Verbot bei Familientreffen
2000 dann der Tabubruch: Wolfgang Schüssel, bei der Wahl knapp hinter der FPÖ und deutlichst hinter der SPÖ auf dem 3. Platz, bildete Schwarz-Blau 1 – umstritten im Inland, von der EU mit Sanktionen belegt. Schüssel hatte, analysiert Kopf, viele Eigenschaften, die einen erfolgreichen Politiker ausmachen: „Er zeigte Leadership, hatte eine klare Vorstellung, wohin er Österreich verändern wollte, und gestaltete Veränderung.“ Abfertigung neu, Pensionsreform, Gesundheitsreform: Das verschaffte der ÖVP 2002 einen rauschenden Wahlsieg mit 42 Prozent – und 2006, als das Wahlvolk von Reformen wieder genug hatte, eine bittere Niederlage.
Und Schwarz-Blau beschäftigte noch jahrelang Korruptionsgerichte, wie Türkis-Blau ein Jahrzehnt später. Alle Regierungen mit der FPÖ platzten, in Knittelfeld 2002 am parteiinternen Putsch. 2005, als FPÖ-Altmeister Jörg Haider den aufmüpfigen Regierungskritiker Heinz-Christian Strache ausbremsen wollte und sich mit dem BZÖ (die Fraktion, die Kopf später als „Hooligan-Sektor“ im Parlament geißelte) von der FPÖ abspaltete. 2017 Ibiza-Video. Jahrelange Politmuster, aus denen Kopf den Schluss zieht: „Die FPÖ ist nur bedingt regierungsfähig. Dennoch tun wir uns als ÖVP mit der FPÖ manchmal leichter, weil die Schnittmenge in vielen Themenbereichen größer ist, allerdings in wesentlichen Themen sind wir mittlerweile weit auseinander. Die SPÖ vertritt bei vielen Inhalten den Gegenpol. Daher büßen in gemeinsamen Regierungen beide Profil ein.“
Das hat Kopf mehrmals miterlebt, auch als Klubobmann (er hatte eigentlich damit gerechnet, Wirtschaftsminister zu werden) während der SPÖ-ÖVP-Regierung ab 2008: Man stemmte sich gemeinsam gegen Finanz- und Wirtschaftskrise und Euro-Turbulenzen – und vergaß das Motto „genug gestritten“ nach den Krisen bald wieder. Bis 2017 ausgestritten war und Türkis-Blau regierte. Ob die ÖVP heuer nach der Wahl dennoch die Große Koalition wiederbeleben soll? „Dazu sage ich bewusst nichts, das entscheiden andere. Ich bin da in Politpension.“
Nur eines ist für ihn klar: Das Wagnis Schwarz-Grün, hoffnungsfroh gestartet, hat viel weitergebracht, ist jedoch jetzt im Klein-klein-Hickhack festgefahren. Für Kopf sind, selbstredend, die Grünen daran maßgeblich schuld: „Sie agieren oft moralisch überheblich. Eine untadelige Person statt Sebastian Kurz zu verlangen, das war schon starker Tobak.“ Darüber kann sich Kopf binnen Sekunden in Rage reden.
Auch in der Familie. Kopfs Ehefrau Karin ist die Schwester von Harald Walser, dem langjährigen grünen Nationalratsabgeordneten. „Um Zwist zu vermeiden, hat uns die Schwiegermutter verboten, bei Besuchen bei ihr zu politisieren“, grinst Kopf.
Als Generalsekretär der Wirtschaftskammer ist er trainierter Sozialpartner, dem Konsens allemal lieber ist als ein lustvoll zelebrierter Konflikt. Konsequent bezeichnet er als größten Erfolg, dass er 2016 im Team mit Doris Bures und Norbert Hofer eine Staatskrise verhinderte: Das Trio bildete das Präsidium des Nationalrats – und war Not-Bundespräsident, weil Österreich nach dem Verfassungsgerichtshof-Urteil monatelang kein Staatsoberhaupt hatte. Heinz Fischer war weg, Alexander Van der Bellen nicht gewählt. Diese Situation hätte eskalieren können – blieb aber dank der guten Zusammenarbeit von Bures, Hofer und Kopf ruhig. Umso größer seine Enttäuschung, dass er 2017 nicht zum Ersten Nationalratspräsidenten aufstieg, sondern zuerst Elisabeth Köstinger, dann Wolfgang Sobotka Platz machen musste. Der Frust war messbar: Kopf mutierte vorübergehend zum Abgeordneten mit der geringsten Anwesenheit.
Welche Spielregeln der Politik haben sich seit 1994 am meisten verändert? „Das Tempo hat sich rasant erhöht. Man muss 24 Stunden, sieben Tage in der Woche verfügbar sein und auf alle Ereignisse ständig Antworten haben, so ist die Erwartungshaltung der Medien und der eigenen Partei. Dadurch haben Spitzenpolitiker nie Zeit zum Nachdenken. Das führt manchmal dazu, dass sie in Plattitüden reden. Diese Dynamik ist schwierig.“
Kopf wird sie künftig von außen beobachten.