Herbert Kickl im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament in Wien
Parlament

Das Parlamentsjahr in Zahlen: Unruhestifter Kickl, Redekaiser Loacker

Der Nationalrat verabschiedete sich vergangene Woche in die Sommerpause. profil zieht Bilanz: FPÖ-Abgeordnete bekamen die meisten Ordnungsrufe und fehlten am häufigsten.

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Ende Juni verabschieden sich nicht nur Schulklassen in die Sommerferien, sondern auch die Nationalratsabgeordneten. Von Anfang Juli bis September finden planmäßig keine Sitzungen im Hohen Haus statt.

Ein Zeugnis bekamen die Nationalratsabgeordneten vor den Sommerferien nicht. Die Pause bietet allerdings Anlass für eine Zwischenbilanz: Die Parlamentsdirektion wertete für profil Statistiken zum abgelaufenen Parlamentsjahr von September bis Juli aus. Wer hat am öftesten gefehlt, wer bekam die meisten Ordnungsrufe - und wer redete am häufigsten?

Benehmen: mangelhaft

Der unrühmliche Titel des Ordnungsrufe-Kaisers” ging zum wiederholten Mal an FPÖ-Chef Herbert Kickl. Ganze sechs Mal wurde Kickl seit September vergangenen Jahres von den Nationalratspräsidenten abgemahnt, vier Mal von Doris Bures und zwei Mal von Wolfgang Sobotka. Der Dritte Nationalratspräsident, Norbert Hofer (FPÖ), war gnädiger mit Parteifreund Kickl. Der FPÖ-Parteichef ist bekannt für seinen aggressiven Redestil. „Abgehalfterte abgetakelte Spaßmacher“ nannte er erst vergangene Woche ORF-Journalisten in einer Rede zum neuen ORF-Gesetz und kassierte dafür einen Ordnungsruf.

 

Kickl ist aber nicht der Einzige bei den Freiheitlichen, der aufgrund seiner Wortwahl getadelt wurde. Seine Parteikollegen Hannes Amesbauer und Christian Hafenecker sind ihm mit jeweils fünf Ordnungsrufen dicht auf den Fersen. Mehr als die Hälfte aller 58 Ordnungsrufe, die von September bis Juli erteilt wurden, richteten sich gegen FPÖ-Abgeordnete. Die Mandatare der regierenden Grünen landen auf dem zweiten Platz. Auf Sigrid Maurer, Klubchefin der Grünen, entfielen vier von elf Ordnungsrufen gegen ihre Partei. Die Abgeordneten der SPÖ und Neos vergriffen sich mit fünf und vier Ordnungsrufen vergleichsweise selten im Ton.

Abgeordnete schwänzen

Wenn Abgeordnete im Nationalrat fehlen, bedeutet das nicht automatisch, dass sie untätig sind. Viele Nationalratsabgeordnete haben mehrere politische Ämter inne, engagieren sich in Vereinen, besuchen politische Veranstaltungen oder gehen zusätzlich einer Erwerbstätigkeit nach. Es kann im Einzelfall gute Gründe dafür geben, dass Abgeordnete nicht bei jeder Plenarsitzung des Nationalrats anwesend sind. Manche Ausreden für Fehlzeiten sind aber allzu billig. So schwänzten im März zahlreiche SPÖ-Abgeordnete ausgerechnet die symbolträchtige Sitzung, bei der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Videoansprache hielt. Der SPÖ-Gleichbehandlungssprecher rechtfertigte das in einem später gelöschten Tweet mit seiner privaten Geburtstagsfeier und einem Zahnarzttermin.

 

Die Ausreden von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sind nicht überliefert: Er fehlte an zwölf von 29 Sitzungstagen im Hohen Haus und ist damit der größte Schwänzer. Auf dem zweiten Platz mit jeweils neun Abwesenheiten landen Martina Kaufmann von der ÖVP und Heike Grebien von den Grünen. Die SPÖ-Abgeordneten Karin Greiner und Josef Muchitsch fehlten mit acht Abwesenheiten am dritthäufigsten. 

Referatsroutinierte versus Reden-Muffel 

Große Reden schwingen ist nichts für jeden, auch nicht für Nationalratsabgeordnete. Jener Abgeordnete, der sich  am häufigsten abwesend meldete, leistete auch am wenigsten Redebeiträge: Michael Schnedlitz von der FPÖ hielt drei Reden im Hohen Haus. Lediglich Werner Herbert (FPÖ) mit drei Redebeiträgen und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) mit einem Redebeitrag können mit Schnedlitz konkurrieren. Der eine verließ aber Anfang Oktober schon das Parlament, der andere trat erst im März ein.

 

 

Am häufigsten zu Wort kam seit September ein Neos-Abgeordneter: Gerald Loacker, der pinke Sprecher für Wirtschaft, Arbeit und Soziales leistete 53 Redebeiträge, fast 18 Mal so viele wie Schnedlitz. Der Freiheitliche Axel Kassegger kam 40 Mal zu Wort, dicht gefolgt vom Neos-Abgeordneten Michael Bernhard. Dass die Neos-Abgeordneten viele Reden schwangen, ist nicht verwunderlich: Immerhin stellen die Neos die geringste Anzahl von Abgeordneten im Nationalrat. 

Obwohl es spannend gewesen wäre, herauszufinden, wer sich im Parlament am liebsten reden hört: Eine Liste, welche Abgeordneten im Nationalrat besonders oft die Redezeit überzogen haben, wird vom Parlament nicht geführt. 

Anna Wintersteller

Anna Wintersteller

war bis September 2023 bei profil.