Auf die Straße! Von Demonstrationsrecht bis "Lichtermeer"
Das Demonstrationsrecht und Sobotkas Pläne
Aktuelle Rechtslage: Das Demonstrationsrecht oder auch die Versammlungsfreiheit wurde bereits im Staatsgrundgesetz von 1867 aufgelistet. Abgesehen von einigen Novellierungen gilt dieses Gesetz bis heute. Das Versammlungsrecht ist auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.
Dieses Recht ist jedoch an die Staatsbürgerschaft geknüpft, das heißt, Ausländer dürfen Demos weder veranstalten noch leiten, was vor allem im Kontext der Pro-Erdogan-Demos vergangenen Sommer zur Sprache kam.
Demonstrationen müssen nicht genehmigt aber sehr wohl bei den Behörden angemeldet werden, und zwar mindestens 24 Stunden vorher. "Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet" können verboten werden. Jede unangemeldete Demo kann sofort aufgelöst werden.
Innenminister Wolfgang Sobotka will, dass Demonstration zukünftig schon 72 Stunden vorher angemeldet werden müssen. Demo und Gegendemo sollen zukünftig mindestens 150 Meter voneinander entfernt stattfinden. Befristet sollen außerdem bestimmte Straßen und Plätze per Verordnung von Demos freigehalten werden. Vor allem wirtschaftliche Interessen sollen so geschützt werden.
Kritik: Verfassungsrechtlich sei eine solche Einschränkung des Versammlungsrechts aufgrund von Geschäftsinteressen kaum möglich, so äußerten sich mehrere Verfassungsjuristen.
Aktuelle Rechtslage:Leiter und Ordner haben für den reibungslosen Ablauf einer Demo zu sorgen, sollte ihnen das nicht gelingen, müssen sie die Demo auflösen. Seit 2002 gilt außerdem das "Vermummungsverbot" für alle Teilnehmer.
Sobotka will die Verantwortung der Demonstrationsleiter ausweiten, kommt es auf der Demo zu mehreren strafbaren Handlungen oder zu einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, soll der Leiter mit einer Strafe von bis zu 10.000 Euro belegt werden können.
Zusätzlich zum Vermummungsverbot sollen Demo-Teilnehmer keine Gegenstände mehr mit sich tragen dürfen, die sie vor Gewalt durch die Polizei schützen könnten (Schutzbekleidung, Schutzhelme, etc.).
Kritik: Vor allem die Haftung für Demonstrationsleiter wurde heftig kritisiert, so würde es in Zukunft faktisch keine Demonstrationen mehr geben, meint Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen.
Aktuelle Rechtslage:"(...) öffentliche Belustigungen, Hochzeitszüge, volksgebräuchliche Feste oder Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wallfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus" sind vom Versammlungsrecht ausgenommen.
Sobotka will auch sogenannte "öffentliche Belustigungen" aus dem Versammlungsrecht nehmen, die genaue Definition solcher Veranstaltungen ist aber noch zu klären.
Kritik: Das bestehende Gesetz räume Sobotka bereits genug Spielraum ein, um Demos zu untersagen, die keinen politischen Inhalt haben oder deren Routen zu viele Interessen beeinträchtigen.
Ein klares Nein zu den geplanten Einschränkungen im Demonstrationsrecht kam am Mittwoch von Bundeskanzler Christian Kern und dem für Verfassungsfragen zuständigen SPÖ-Minister Thomas Drozda. Sobotka will nun auf Expertenebene weiter reden.
Die größten Demos in Österreich
Lichtermeer
Die größte Demonstration der Zweiten Republik fand am 23. Jänner 1993 am Wiener Heldenplatz statt. Das „Lichtermeer“ (siehe Foto), bei dem 250.000 bis 300.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit demonstrierten, richtete sich nicht nur gegen das von den Freiheitlichen initiierte Ausländervolksbegehren „Österreich zuerst“, sondern auch gegen die Asylpolitik der Großen Koalition.
Widerstand gegen Schwarz-Blau
Der Koalitionsbeschluss von ÖVP und FPÖ, der auf EU-Ebene zu Sanktionen führte, brachte am 19. Februar 2000 in der Wiener Innenstadt 150.000 Menschen auf die Straße. Nach Angeben der Polizei kamen 150.000 Teilnehmer.
Gegen die Pensionsreform
Am 13. Mai 2003 gingen mehr als 100.000 Demonstranten gegen die Pensionsreform der Regierung auf die Straße. Die Demonstranten kamen mit Sonderzügen und Bussen nach Wien. Die Abschlusskundgebung fand am Heldenplatz statt.
„unibrennt“
Am 22. Oktober 2009 wurde gegen die Änderungen der Studienstruktur demonstriert. In weiterer Folge wurde das Audimax der Hauptuni Wien besetzt, das kurz vor Weihnachten geräumt wurde. An der Hauptdemo nahmen zwischen 10.000 und 50.000 Menschen teil.
Demo gegen AKW Zwentendorf
Am 5. November 1978 sprach sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf aus. Das „Wunder von Zwentendorf“ war damals auch eine Niederlage für Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ), der sich für das Kraftwerk eingesetzt hatte. Im Frühsommer 1977 gingen in Tulln statt der erwarteten 500 über 10.000 AKW-Gegner auf die Straße. Bei einer weiteren Demo gegen das AKW versammelten sich am 26. Oktober 1977 in Wien zwischen 3000 und 5000 Menschen auf dem Ballhausplatz.