Die Pandemie hat immense Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen.
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Depression - Ein Tabu wird zur Gesundheitskrise

Österreichs Schüler:innen stecken in einer bedrohlichen Gesundheitskrise. Wann wird die Politik diese als solche behandeln?

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Guten Morgen!

Diese Morgenpost enthält Inhalte über Depression und Suizid, die einige Leser:innen beunruhigend finden könnten. Informationen und Ressourcen sind verfügbar unter https://psychische-hilfe.wien.gv.at/ und https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/inhalt

Monatelange Isolation und das große weltweite Leid bringen Jugendliche an ihre Grenzen. Dass die Folgen der Pandemie nicht nur in Wirtschaft und Politik spürbar sind, geht deutlich aus einer aktuellen Studie der Donau-Universität Krems hervor – nicht das erste Mal, dass vor einer Krise der psychischen Gesundheit der Bevölkerung gewarnt wird.

Die psychische Gesundheitskrise

„Die psychische Belastung ist besorgniserregend“, sagt Studienautor Christoph Pieh. Deshalb muss das Tabu der psychischen Gesundheit Raum in unseren Gesprächsrunden finden. Das öffentliche Interesse an den täglichen COVID19-Neuinfektionen ist zurecht groß. Über Omikron und den Zustand auf den Intensivstationen sollte jede:r Bescheid wissen. Genauso aber über die Studienresultate, die aufgrund der Dringlichkeit bereits am Mittwoch vorab veröffentlicht wurden: 1500 Schüler:innen wurden im Oktober und November für die Studie untersucht. 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen wiesen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf. Rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen würden unter wiederkehrenden suizidalen Gedanken leiden, so die Ergebnisse. Das heißt, sie denken entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage an Selbstmord.

Was bedeutet das? Österreichs Schüler:innen stecken in einer bedrohlichen Gesundheitskrise. Die Ärzt:innen, Kassierer:innen, Unternehmer:innen und Putzkräfte von morgen sind schon belastet, bevor sie überhaupt in der Arbeitswelt durchgestartet sind.

Pieh appelliert "dringend" an alle Beteiligten, sofort mehr für die psychische Gesundheit der Jugendlichen zu tun, denn "die bisherigen Maßnahmen reichen hier ganz offensichtlich nicht". Mädchen und Burschen wiederum sollten psychische Probleme auch ernst nehmen. "Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein Zeichen der Stärke", rät der Studienautor.

"Die Jugendlichen sind verwöhnt"

"Die Jugendlichen sind verwöhnt“, meinte trotzdem zuletzt eine Universitätsprofessorin in meiner virtuellen Vorlesung. Wir Jungen seien bequem geworden, mit Online-Unterricht regelrecht "verwöhnt". Tatsächlich ist an der pandemieinduzierten Lahmlegung unserer liebsten Aktivitäten nichts Begehrenswertes dran. Kein Bananenbrot-Rezept und auch nicht der Wegfall der halbstündigen Wegzeit in die Schule oder Uni machen die weitaus unbequemeren Zukunftsängste wett. Wie es Studierenden nach mittlerweile vier Pandemie-Semester geht, lesen Sie in der profil-Ausgabe 40/2021. Zehn Ausgaben später hat sich nichts verändert.

Aufgrund der Pandemie stellt die Regierung mehr Geld für den psychosozialen Bereich zur Verfügung – ein wichtiges Signal. Die Regierung muss der Jugend jedoch mit konkreten Maßnahmen entgegenkommen, die das Organisieren eines Therapieplatzes erleichtern. Psychotherapie ist momentan für viele mit unleistbaren Kosten verbunden.

Woran werden wir uns aus dem Jahr 2021 erinnern? Womöglich an die versäumten Erlebnisse und an Bo Burnhams Netflix-Comedy-Special „Inside“. Ich hoffe dennoch auf nachhaltige Reformen der Missstände, die während dieser Seuche auftraten. Nehmen wir uns für das neue Jahr doch weniger Ignoranz gegenüber psychischen Warnsignalen vor. Wie das Zähneputzen in der Früh gehört das Maskentragen in Bussen und Straßenbahnen mittlerweile zur Routine. An das regelmäßige Testen haben wir uns auch gewöhnt. Lassen wir psychische Probleme nicht zur Gewohnheit werden. Spitzenpolitik, du bist dran!

Bleiben Sie gesund!

Elena Crisan

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Elena Crisan

Elena Crisan

war bis Oktober 2024 Journalistin im Online-Ressort.