Norbert Hofer mit Ehefrau Verena am Wahlabend. Ein paar prominente Unterstützer hätten im Wahlkampf vielleicht geholfen.

Der einsame Hofer

Warum musste Norbert Hofer im Wahlkampf ohne prominente Unterstützung auskommen?

Drucken

Schriftgröße

"Magister, Magister, Magister, Doktor Kassegger.“ Wenn der frühere Wirtschaftssprecher der FPÖ, Bernhard Themessl, an seinen Nachfolger verweist, spart er keinen Titel aus. Auch Finanzsprecher "Magister, Magister, Doktor, Doktor Fuchs“ wird im Parlamentsklub einmoderiert, als wolle man den elitären Charakter der Partei mit dem höchsten Akademikeranteil im Nationalrat gebührend herausstreichen. Mitarbeiter werden mit Vorliebe aus akademischen Burschenschafterkreisen rekrutiert, aufgewachsen ist die Partei im finanziellen Schoß von Industriefamilien. Wenn eine Partei historisch als elitär gelten kann, dann die FPÖ.

Im Präsidentschaftswahlkampf machte ausgerechnet diese Partei gegen "die Elite“ mobil. Wahlweise ging es auch gegen die "Hautevolee“ oder "Schickeria“ mit ihrer Political Correctness - ganz so, als hätte die korrekte Bussi-Bussi-Gesellschaft um Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser nie den Wörthersee unsicher gemacht.

Gegner als Elite zu verhöhnen und sich selbst zum einzigen Volksvertreter aufzuschwingen, gehört zum Einmaleins des Populismus von ganz links bis ganz rechts. Der Kampf des Milliardärs Donald Trump gegen das US-"Establishment“ bestärkte Hofer im Wahlkampffinale, auf diese Karte zu setzen.

Der einzig echte Promi, der zur Wahl Hofers aufrief, war Extremsportler Felix Baumgartner.

Was dabei unter den Tisch fiel: das jahrelange Bemühen der Blauen um neue Mitstreiter aus dem bürgerlichen Lager. Mit dem sanfteren Norbert Hofer schaffte es die FPÖ zwar, so tief wie nie in bürgerliche Wählerschichten vorzudringen. Doch honorige Personen aus Wirtschaft, Kunst und Kultur zeigten sich wenn, dann mit Alexander Van der Bellen. Dieser VIP-Malus könnte Hofer bei der extrem knappen ersten Stichwahl den Sieg verhagelt haben. "Sicherlich hätte der eine oder andere Promi aus Kultur und Wirtschaft Hofer genutzt“, sagt die frühere ORF-Moderatorin Ursula Stenzel.

Stenzel war Vorsteherin des 1. Wiener Gemeindebezirks und lief von der ÖVP zur FPÖ über. Der letzte blaue Coup dieser Art. Oder kennen Sie Norbert van Handel? Der Prokurator des St. Georgs-Ordens und Initiator von "Christen für Hofer“ schaffte es in Ermangelung anderer Hofer-Promis in die "ZIB2“ und wirkte ähnlich aus der Zeit gefallen wie der Salzburger Bischof Andreas Laun, der gegen den "Gottesfeind“ Van der Bellen agitierte.

Ein Wahlappell von Hofers Lieblingsmaler Odin Wiesinger, der für rechte Zeitschriften und Burschenschaften stählerne Männer zeichnet, hätte wohl noch weniger Stimmen gebracht als die Fürbitten dieser wehrhaften Christen. Der einzig echte Promi, der zur Wahl Hofers aufrief, war Extremsportler Felix Baumgartner. Mit profil will er nicht reden. Grund ist die Wahlempfehlung des Magazins für Van der Bellen: "Da erübrigt sich jedes weitere Gespräch.“

Kabarettisten, Schriftsteller, Schauspieler, Sänger: Die Kulturszene bildete ein selten dichtes Bollwerk gegen Hofer mit "I am from Austria“ von Rainhard Fendrich als Soundtrack. "Viele sind aus Überzeugung gegen die FPÖ, das ist völlig legitim. Doch manchen ist das Hemd näher als die Hose. Ein Schauspieler muss ja spielen“, sagt Stenzel. Der blaue Kampf gegen die "linken Subventionsempfänger“ hat Tradition. "Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk oder Kunst und Kultur?“, ließ schon Haider 1995 plakatieren.

Mit der Wirtschaft lief es früher stets besser. Für die Industrie war die FPÖ in den 1990er-Jahren eine strategische Karte gegen die Dominanz der SPÖ. 2000 stach sie. Es kam Schwarz-Blau. Doch dieses Mal verlor kein bekannter Ex-Boss oder Manager öffentlich ein gutes Wort über Hofer, der selbst in einer Unternehmerfamilie aufwuchs.

Haider hatte ein gutes Verhältnis mit vielen Millionären. Die meisten sind heute abgetreten. (Lothar Höbelt)

Das Unterstützungsmonopol bekam der Öko-Professor mit dem Bau-Industriellen Hans Peter Haselsteiner an der Spitze. Seine Kampagne "Kommt Hofer, kommt Öxit, kommt Arbeitslosigkeit“, blieb sogar in Oberösterreich unwidersprochen.

Das Bundesland wird von einer schwarz-blauen Regierung geführt und gilt als Kernland der blau-affinen Wirtschaft. Wer dort nach potenziellen Unterstützern sucht, landet in der Papierindustrie und im Netzwerk des Wieners Thomas Prinzhorn. Der frühere Chef der gleichnamigen Holding war einer der Wegbereiter für die schwarz-blaue Koalition im Jahr 2000. Danach war er Zweiter Nationalratspräsident. Heute hat sich Prinzhorn aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und den Konzern an Sohn Cord übergeben. In der Spenderliste für die Hofbug-Wahl taucht die Prinzhorn Holding tatsächlich auf. Mit 20.000 Euro. Auf der Seite Van der Bellens.

Der damalige Intimus von Prinzhorn, Alfred Heinzel, war Aufsichtsratschef der Verstaatlichten ÖIAG unter Schwarz-Blau. Der Papierindustrielle richtet aus, er habe weder Hofer noch Van der Bellen gewählt, geschweige denn mit Spenden bedacht. Auf seinen Sohn, Sebastian Heinzel, einen ehemaligen profil-Journalisten, der sich anschickt, die Firmengruppe zu übernehmen, können die Blauen ebenfalls nicht zählen. "Ich bin Wechselwähler und verstehe mich als wirtschaftspolitisch wie auch gesellschaftspolitisch liberal. Zur Politik halte ich Distanz.“ Für ihn war die Entscheidung zwischen Van der Bellen und Hofer keine zwischen links und rechts, sondern zwischen offen versus geschlossen: "Wirtschaft braucht Offenheit. Eine Rückkehr zur Vergangenheit ist weder erstrebenswert noch realistisch.“

Der Historiker und FPÖ-Kenner Lothar Höbelt ortet ein Generationenproblem: "Haider hatte ein gutes Verhältnis mit vielen Millionären. Die meisten sind heute abgetreten.“ Nachfolger Heinz-Christian Strache verstand es nicht ansatzweise, ähnliche Bande zu knüpfen. Der ehemalige Rewe-Vorsitzende Veit Schalle hatte sich nach langer Freundschaft mit Jörg Haider entschlossen, für diesen in die Politik zu gehen. Im Hofburg-Wahlkampf blieb er ruhig. Er wünscht sich die FPÖ zwar rasch wieder in eine Regierung, mit 74 fühlt er sich aber zu alt, um sich noch zu engagieren. "Da gibt es Jüngere.“

Straches Trauzeuge war Karl Ochsner - auf der Suche nach blauen Wirtschaftskapitänen fällt wiederholt der Name des 40-jährigen Oberösterreichers. Er ist Chef des gleichnamigen Wärmepumpen-Konzerns. "Ich unterstütze die FPÖ weder finanziell noch durch besondere Auftritte. Ich komme aus einem schwarzen Umfeld.“ Bei der Bundespräsidentenwahl hat Ochsner Hofer gewählt. Mit der französischen Chefin des Front National, Marine Le Pen oder der deutschen AfD könne er als "glühender Europäer“ aber nichts anfangen. "64 Prozent unserer Produkte gehen in den Export.“ In seinem Betrieb arbeiten zwei Syrer, ein Tschetschene und eine Vielzahl von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. Zu blauen Bierzelt-Tiraden gegen Flüchtlinge meint er: "Da war ich noch nie. Als Unternehmer beurteile ich die Sachpolitik.“ Auch kein neuer Prinzhorn.

Die Industriellenvereinigung ist niemals auf der Seite einer Partei. (Joachim Haindl-Grutsch)

Salon statt Bierzelt: Um neue Bürgerliche anzusprechen, unterhalten Oberösterreichs Freiheitliche einen eigenen "Liberalen Club“. Dort ist der Ton moderater und die Themenwahl sachlicher als im Bierzelt. "Ich kenne eine Reihe von Unternehmern, die Hofer wählten. Aber sie fürchten geschäftliche Nachteile, wenn sie sich offen bekennen“, sagt der Club-Präsident und Zweite Landtagspräsident, Adalbert Cramer. Selbst Walter Scherb vom Fruchtsafterzeuger Spitz, der Ende der 1990er-Jahre für die FPÖ Oberösterreich im Bundesrat saß, rührte im Wahlkampf nicht die Werbetrommel.

Der blaue Landes-Vize, Manfred Haimbuchner, ist überzeugt: "Die Industriellen-Vereinigung Oberösterreich ist mehrheitlich aufseiten der FPÖ.“ Behaupten kann er die stille Mehrheit, belegen nicht. Der Oberboss der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, engagierte sich als Privatmann für Van der Bellen.

In Oberösterreich ist IV-Generalsekretär Joachim Haindl-Grutsch das Bild von der blauen Dominanz sichtlich unangenehm: "Die Industriellenvereinigung ist niemals auf der Seite einer Partei.“ Aber auch er geht von "zahlreichen“ Mitgliedern aus, die Hofer wählten und sich nicht outen. "Die sagen, das tue ich mir in diesem über Jahrzehnte aufgebauten Klima nicht an. Es bringt mir ja nichts.“ In der Opposition kann die FPÖ tatsächlich nichts für Betriebe tun, stattdessen droht Erklärungsbedarf gegenüber inländischen und ausländischen Kunden.

Als Teil einer Bundesregierung wäre die FPÖ umgarnte Adressatin für Begehrlichkeiten. Im Jahr 2000 hatte die Aussicht auf Privatisierung zahlreicher Staatsbetriebe viele Bosse motiviert, sich für Schwarz-Blau zu engagieren. Ein großer Teil des Tafelsilbers ist verkauft. Mit einem neuen Wirtschaftsprogramm werfen die Blauen bereits einen Köder für die Zeit nach den nächsten Nationalratswahlen aus. Eines ist inhaltlich bereits absehbar: Neue Steuern auf Vermögen und Erbschaften sind im Programm tabu.

Man wird doch die reiche Elite, Schickeria und Hautevolee nicht vergraulen.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.