Der Minister, der unser CO2 ins Ausland schicken will

Von Clemens Neuhold
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Ein ganz neuer Zugang dieser Regierung beim Klimaschutz ist „Carbon Capture Storage“. Darunter versteht man das Auffangen von CO2, bevor es in die Atmosphäre gelangt, und die anschließende Lagerung unter der Erde.
Norbert Totschnig
Ja, das Verbot dieser Technologie wird hoffentlich in ganz Europa fallen. Auch in Österreich wollen wir diese Technologie nutzen. Denn um unsere CO2-Emissionen aus Industriezweigen wie der Zement- oder Stahlproduktion zu senken, werden wir modernste Technologien brauchen. Hohe Sicherheits- und Umweltstandards stehen dabei an erster Stelle.
Wie funktioniert das?
Totschnig
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Zum Beispiel kann CO2 gefiltert, gesammelt, verpresst und in Tanks gefüllt werden.
Und wo in Österreich könnte das CO2 dann gelagert werden?
Totschnig
In Österreich haben wir dafür begrenzte Möglichkeiten, weil wir unterirdische Lagerstätten für die Speicherung von Gas verwenden.
Also werden wir unser CO2 ins Ausland exportieren?
Totschnig
Wie so etwas konkret aussehen kann, werden wir uns nun ansehen. In Norwegen ist beispielsweise eine eigene Industrie dafür entstanden mit der Firma Northern Lights als Marktführer. Weil dort die geologischen Voraussetzungen unter dem Meer vorhanden sind.
Wie bringen wir das CO2 hin? Mit dem Zug?
Totschnig
Das ist eine Möglichkeit. Möglich wären in weiterer Folge auch Pipelines für den CO2-Transport.
Fallen Lagergebühren oder einmalige „Müll“-Gebühren an? Und wer zahlt das? Die Industrie, die sich dadurch Emissionszertifikate erspart, oder die Steuerzahler?
Totschnig
Genaue Modelle müssen erst entwickelt werden. Auch staatliche Förderungen müssen geprüft werden. Denn eines ist uns ganz wichtig: Wir wollen sicherstellen, dass die energieintensive Industrie in Österreich weiterhin Platz hat und nicht abwandert in Länder mit weniger hohen Umweltstandards. Denn davon hat die Umwelt am wenigsten.
Wie hoch kann der Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes sein?
Totschnig
Natürlich ersetzt diese Methode keine CO2-Einsparungen, gleichzeitig kann sie ein wichtiges Puzzleteil sein. Mit „Bioenergy Carbon Capture and Storage“ kann man sogar Kohlenstoffdioxid, das bei der Erzeugung von erneuerbarer Bioenergie (Verbrennen von organischen Abfällen wie Biomüll oder Holzschnitzeln, Anm.) entsteht, abscheiden und speichern.
Erreichen wir aus heutiger Sicht die von der EU vorgeschriebenen Klimaziele?
Totschnig
Das erste Mal abgerechnet wird bereits 2027. Und aus heutiger Sicht sieht es gut aus, dass wir Strafzahlungen vermeiden. Wir stecken allerdings im dritten Jahr einer schrumpfenden Wirtschaft, was die Emissionen eingebremst hat. Um die Ziele längerfristig zu erreichen, krempeln wir gerade die Ärmeln für das nationale Klimagesetz hoch. Damit für jeden Bereich – von Industrie über Landwirtschaft bis Verkehr – planbar ist, wie die Emissionsziele erreicht werden.
Die letzte Regierung mit Ihnen als Agrarminister hat das Klimagesetz nicht zustande gebracht. Was ist jetzt anders?
Totschnig
Unser Zugang ist pragmatisch statt ideologisch. Wir wollen überzeugen und Hand in Hand mit den Bürgerinnen und Bürgern marschieren, anstatt sie mit dem erhobenen Zeigefinger zu bevormunden.
Haben Sie Kinder?
Totschnig
Ja, zwei.
Dann wissen Sie, wie weit man kommt, wenn man nur gut zuredet.
Totschnig
Man kann mit positiver Motivation bei Kindern sehr viel erreichen und verändern. Meine Frau ist darin ein Profi. Ich war total überrascht, was alles möglich ist. Und das sage ich als einer, der aus einer traditionellen Bauernfamilie stammt.
Im Vergleich zur letzten Regierung verteuern Sie den Umstieg auf E-Mobilität. Ab 1. April müssen erstmals auch E-Autos motorbezogene Versicherungssteuer zahlen.
Totschnig
Wir müssen in allen Bereichen sparen. Und davon ist der Klimabereich nicht ausgenommen. Beim Verkehr gibt es viele Schrauben, an denen wir drehen. Eine davon ist der weitere Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Damit mehr Menschen umsteigen.
Totgesagte Antriebe wie der Verbrennermotor leben auf EU-Ebene jetzt doch länger. Ist der Umstieg auf E-Autos überhaupt noch ein Ziel?
Totschnig
In Österreich ja. Ich will, dass es am Ende der Legislaturperiode deutlich mehr E-Autos gibt. Dafür müssen wir unter anderem die Zahl der Ladestationen vervielfachen.
Der Photovoltaik-Boom wird weitergehen. Deswegen müssen wir nicht mehr so stark anschieben bei den Förderungen.
Norbert Totschnig
Landwirtschafts- und Klimaminister
Freuen Sie sich, dass Sie auf Dienstreisen künftig mit 130 statt 100 km/h bei Graz vorbeifahren können?
Totschnig
Von Wien in Richtung Kärnten fahre ich meistens über den Semmering. Und dort herrscht weiter Tempo 100 km/h. Der Luft-Hunderter, der bei Graz aufgehoben wurde, ist Sache der Bundesländer. Maßgeblich sind vor allem gesundheitliche Aspekte wie die Feinstaubbelastung. Und deshalb gehe ich davon aus, dass die Steiermark diesen Schritt gut abgewogen hat.
Sollen wir überall wieder schneller fahren, wenn die Autofahrer das so wünschen? Klimaschutz hin oder her?
Totschnig
Bei Tempolimits sehe ich generell keinen Veränderungsbedarf.
Sie sparen auch bei Förderungen für Solaranlagen. Warum? Wenn man übers Land fährt, sieht man, wie Solarkraft auf Haus- und Hofdächern boomt.
Totschnig
Das wird auch so weitergehen, weil Photovoltaik-Anlagen billiger geworden sind. Deswegen müssen wir nicht mehr so stark anschieben bei den Förderungen.
Warum sparen Sie nicht auch bei klimaschädlichen Subventionen wie dem Diesel-Privileg?
Totschnig
Dafür wurde eine Arbeitsgruppe im Finanzministerium eingesetzt, um diese Diskussion faktenbasiert zu führen.
Arbeitsgruppe ist Politik-Sprech für: Alles bleibt, wie es ist.
Totschnig
Ich würde das jetzt nicht unterschreiben.
Bei der Windkraft stehen die Zeichen auf Flaute. Ostösterreich hat viel gemacht. Die alpinen Bundesländer sagen: Wollen wir nicht.
Totschnig
Die Ausbaupläne für die Windkraft sind gesetzlich festgeschrieben. Dort, wo es Debatten gibt, müssen wir die Bevölkerung mitnehmen. In Bundesländern wie Tirol oder Vorarlberg sehe ich aber auch in der Wasserkraft noch großes Potenzial für mehr erneuerbare Energie.
Das Gegenteil von erneuerbarer Energie ist fossiles Erdgas. Soll weiterhin danach gebohrt werden wie in Molln in Oberösterreich?
Totschnig
Wir werden im Energie-Mix weiterhin auch Erdgas brauchen. Das sagt praktisch jeder Experte. Und wenn dieses Gas verfügbar ist in Österreich, ist es natürlich klug, wenn man es verwendet.
In Österreich gab es in diesem Winter 80 Prozent weniger Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt. Geht auch uns bald das Wasser aus?
Totschnig
Die Wasserschutzstudie hat alle Szenarien bis 2050 untersucht und kommt zum Schluss: Es wird weiterhin ausreichend Trinkwasser geben. Im schlimmsten Fall sinkt der Grundwasserspiegel in niederschlagsarmen Gebieten dauerhaft ab. Wir halten aber mit unserem Trinkwassersicherungsplan dagegen. Es geht auch ums Bewusstsein für das kostbare Gut Wasser. In Schulen lernen bereits Kinder durch den Trinkpass, wie viel sie täglich verbrauchen.
Im schlimmsten Fall sinkt der Grundwasserspiegel in niederschlagsarmen Gebieten dauerhaft ab
Norbert Totschnig
Landwirtschafts- und Klimaminister
Das Gegenteil davon sind die vielen Pools, die im Sommer im ganzen Land befüllt werden.
Totschnig
Das sollte nach Möglichkeit gestaffelt passieren. Und darauf achten die Bürgermeister und Wassermeister schon jetzt.
Wenn wieder Starkregen auf die ausgetrockneten Böden trifft: Sind wir für das nächste Hochwasser besser vorbereitet?
Totschnig
Auf so extreme Niederschlagsmengen wie im Herbst 2024 kann man nie zu 100 Prozent vorbereitet sein. Wir wollen die Akut-Warnung weiter verbessern für Orte, die bei Starkregen plötzlich überflutet werden. Beim Hochwasserschutz, der jährlich mit 220 Millionen Euro dotiert ist, sparen wir nicht. Das bleibt. Ohne diese Maßnahmen – von verbreiterten und renaturierten Überlaufflächen bis hin zu Dämmen – hätte es beim Jahrhunderthochwasser im Herbst noch ganz anders ausgesehen.
Die Regierung betont die Anpassung an den Klimawandel. Wie sollen die Bauern künftig mit Dürre, Starkregen und Erosion umgehen?
Totschnig
Man muss schauen, wie man die Felder gestaltet, wenn man zum Beispiel Kartoffeln anbaut, um der Erosion bei Starkregenereignissen entgegenzuwirken, etwa durch einen klugen Wasserrückhalt. Und auch Bewässerungssysteme müssen für sehr trockene Phasen ausgerichtet werden, um die Versorgung zu sichern.
Österreich ist Weltspitze beim Zubetonieren. Jährlich werden potenzielle Anbauflächen versiegelt, die laut Hagelversicherung dem Brotgetreideverbrauch des Burgenlands entsprechen.
Totschnig
Österreich liegt nicht im Spitzenfeld, sondern im EU-Mittelfeld. Außerdem haben wir als Regierung das Ziel von 2,5 Hektar pro Tag vereinbart (derzeit 11 Hektar, Anm.).
Ein Ziel, das nicht verbindlich ist. Die Bundesländer und Gemeinden haben weiterhin freie Hand beim Umwidmen.
Totschnig
Es gibt bereits eine Bodenschutzstrategie, die von den Bundesländern umgesetzt wird. Es ist viel gelungen in den vergangenen Jahren. Es herrscht ein ganz anderes Bewusstsein für den Erhalt von Grünflächen.

Clemens Neuhold
Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.