Wahlkampf

Der patentierte Volkskanzler

Volkskanzler – das Patent dafür besitzt in Österreich nur einer. Es ist nicht Herbert Kickl. Als Marke hat sich den Begriff der Tiroler Aktionist David Prieth gesichert. Vorerst bis 2034. Was dahinter steckt – und was der Kulturarbeiter damit vorhat.

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Das Patent mit der Register-Nummer 327747 schützt eine Wortmarke: Volkskanzler. Patentinhaber ist nicht FP-Parteichef Herbert Kickl, der diesen Begriff in den vergangenen Jahren in Bezug auf sich selbst immer wieder bemüht hat. Patentinhaberin ist auch nicht die Freiheitliche Partei. Offizieller Markeninhaber ist der Tiroler David Prieth. Er ist der Einzige, der den Begriff Volkskanzler auf Plakaten und Bannern, auf T-Shirts und Schals in Umlauf bringen darf.

In der ersten Plakatrunde ist es noch nicht aufgetaucht: das FPÖ-Kickl-Plakat mit dem Volkskanzler-Slogan. Sollte ein solches noch kommen, tritt David Prieth in Aktion. Er wird seine Markenrechte geltend machen, die Vernichtung der Plakate fordern – oder finanzielle Entschädigung für die Verletzung seines „geistigen Eigentums“: „Ich will nicht in einem Land leben, in dem Volkskanzler-Plakate herumhängen. Wenn jemand das macht, dann bin das ich!“, erklärt David Prieth sein Vorgehen im profil-Interview. Dafür, dass dieses Vorhaben auch rechtlich gedeckt ist, hat der 36-Jahrige Veranstalter aus Innsbruck die vergangenen sechs Monate gekämpft – vor dem Patentamt.

„Kickl den Volkskanzler wegnehmen“

Dass David Prieth nicht als FPÖ-Sympathisant agiert, ist nach diesen ersten Sätzen klar. Hier geht es um aktionistischen Gegenwind, nicht um Wahlhilfe: „Es ist bekannt, dass dieser Begriff einen historischen Bezug hat. Ich bin müde, Dinge immer nur zu diskutieren. Das ist nicht das Tempo, in dem ich arbeiten möchten. Ich wollte Kickl den Volkskanzler wegnehmen.“ 

Patentiert

Der Tiroler David Prieth hat sich den Begriff Volkskanzler als Wortmarke schützen lassen.

Herbert Kickl verwendet den Begriff Volkskanzler als programmatisches Synonym für seine mögliche Kanzlerschaft. In einem profil-Interview etwa grenzte Kickl sich damit vom aktuellen „Systemkanzler“ ab: „Der Volkskanzler ist aber nicht die Antithese zum Systemkanzler, sondern dessen Überwindung. Ich werde ein Kanzler aus dem Volk und für das Volk sein.“ Als „Projekt Volkskanzler“ bezeichnet die FPÖ auch ihren Plan, der der Partei den Weg zum Wahlsieg und auch ins Kanzleramt bereiten soll. 

In der politischen Geschichte Österreichs taucht der Begriff immer wieder auf. Volkskanzler war die Bezeichnung für Adolf Hitler, bevor er sich Führer nennen ließ, taucht aber auch rund um Politiker wie Leopold Figl, Bruno Kreisky oder Alfred Gusenbauer auf.

 Ich will nicht in einem Land leben, in dem Volkskanzler-Plakate herumhängen. Wenn jemand das macht, dann bin das ich!

David Prieth

Künstler und Aktivist


Für David Prieth steht die NS-Vergangenheit des Wortes im Vordergrund: „Menschen sind ja nicht dumm. Es ist ihnen klar, was das bedeutet. Sie wissen auch, welche Politik sie damit wählen. Sie wollen jemanden, der sagt: Die Ausländer sind schuld und der Volkskanzler wird es schon richten!“ Dass Volkskanzler auch in Zusammenhang mit sozialdemokratischen Politikern verwendet wurde, bestärkt den Aktionisten in seiner These: „Es ist ein Wort, das man aufladen kann. Jetzt ist es mit dem NS-Bezug geprägt. Wir können uns das Wort zurückholen, es in den Untergrund zurück zwingen.“

Volkskanzler in den Untergrund zwingen

Neben dem Vorgehen gegen die Verwendung des Begriffs, plant David Prieth für diese Umkodierung eigene künstlerische Aktionen, will Kunst in den öffentlichen Raum tragen – wie bei vielen seiner Projekte, dem Open-Air Bogenfest in Innsbruck oder dem Filmfestival Diametrale. Volkskanzler-T-Shirts und Stofftaschen im Graffiti-Look sind bereits in Druck, ein Online-Shop für ihren Verkauf in Vorbereitung. Künstler aus der Hip-Hop-Szene arbeiten an Songs und Musikvideos. Noch während des Wahlkampfes sollen diese Projekte nach und nach in die Welt gehen: „Es geht nicht darum, das Wahlverhalten zu beeinflussen. Das steht mir nicht zu – und ist auch nicht möglich. Es geht darum, Sprache zurückerobern und Humor hineinzubringen. Jeder Einzelne kann etwas bewegen, man muss nur schlau genug sein, den richtigen Hebel finden.“

Wir können uns das Wort zurückholen, es in den Untergrund zurück zwingen.

David Prieth

über die Umcodierung des Begriffs Volkskanzler

Begleitet werden diese künstlerischen Aktionen von einem „Volkskanzler Manifesto“. Die „einzige Chance die Deutungshoheit über Sprache, Begriffe und Medienöffentlichkeit zurückzuerlangen“, heißt es darin, „ist drei Schritte schneller zu sein, den VOLKSKANZLER aufzufressen, ihn inhaltlich zu kapern und hedonistisch zu besetzen. Die Subkultur interessiert es nicht mehr mit hetzenden Fanatikern zu diskutieren und nimmt den Platz ganz vorne lieber wieder selbst ein. Die VOLKS-KANZEL-KULTURE schlägt zurück und zwingt den Begriff zurück in den Underground.“

„Von unten nach oben zurücktreten“

Es ist nicht die erste Umkodierung eines politiknahen Begriffs, die David Prieth umsetzt. 2016 machte eine Aktion Schlagzeilen, in der Prieth unter dem Modelabel „Haute Couture StrassenChefin" – abgekürzt „HC Strache“ und auf der Domain hc-strache.at – Kopftücher zum Verkauf angeboten hatte. Das Kunstprojekt endete mit einem Vergleich vor Gericht.

T-Shirts und Taschen

Stoff und Papier mit dem Begriff Volkskanzler bedrucken - darauf hat David Prieth ein Patent.

Der Weg bis zur Zulassung des Patents war nicht einfach, erzählt Prieth. Das Patentamt habe die NS-Historie gegen das Patent vorgebracht und argumentiert, „das würde gegen die guten Sitten verstoßen“. Literaturwissenschafter David Prieth und sein Anwalt hielten dagegen, dass das Wort schließlich von einem Spitzenpolitiker verwendet würde und daher „einem durchschnittlichen Menschen zumutbar“ sei. Eine Argumentation, die offenbar aufging.

Das Markenpatent an die FPÖ zu verkaufen, wäre für David Prieth, der in Tirol auch im Kulturbeirat des Landes sitzt, also keine Option: „Niemals! Es geht ja nicht um Geld, sondern um Deutungshoheit.“ Sollte das Projekt dennoch Gelder hereinspülen – sei es durch den Shirt-Verkauf oder mögliche Schadenersatzzahlungen – würde das Geld zuerst den beteiligten Künstler:innen zukommen und in weitere Folge „sinnvolle Projekte“ etwa aus dem Bildungsbereich unterstützen.

„Von unten nach oben zurücktreten“, fasst David Prieth seine Intention zusammen. Poetischer ist es im Manifest formuliert: „Was ist eine millionenschwere politische Maschinerie schon gegen das anarchische Moment des Lachens von unten?“

Judith Belfkih

Judith Belfkih

ist seit Juli 2024 Digital-Chefin bei profil. War davor in der Chefredaktion der „Wiener Zeitung“