Details zur Affäre um Peter Pilz: "Was hilft das Höschen aus Paris"
Peter Pilz beherrscht die neuen Medien: Twitter, Facebook, Blog. Und normalerweise telefoniert er auch gern. Als profil ihn vergangenen Donnerstag nach mehreren Versuchen per SMS um Rückruf bat, antwortete Pilz: „Ich melde mich gleich.“ Da hatte ihm profil bereits per Mail eine Bitte um Stellungnahme bis Freitag 15 Uhr übermittelt. Es ging um ungustiöse Vorwürfe, die dieses Magazin in den vergangenen Wochen akribisch recherchiert hatte: Pilz soll – noch als Grüner Abgeordneter – eine Mitarbeiterin sexuell belästigt haben. Auch den Freitag über blieb er unerreichbar. Stattdessen kündigte die Liste Pilz am späteren Nachmittag über das APA-Netz eine Presseerklärung von Pilz für Samstag Vormittag (somit nach profil-Redaktionsschluss) an. Derart kurzfristig angesetzte Mediengespräche sind reichlich ungewöhnlich – weshalb auf Facebook und Twitter alsbald wilde Spekulationen einsetzten, die erst ein Ende fanden, als profil (und beinahe zeitgleich „Die Presse“) die Vorwürfe gegen Pilz publik machte.
Von Peter Pilz war am Freitag im „Standard“ nur ein knappes Statement zu hören: Es reiche ihm, er wolle sich jetzt wehren. Fragt sich nur: Wogegen? Die Vorwürfe stammen nicht aus anonymen Quellen, sondern aus einem hochoffiziellen Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Kann Pilz sein Mandat im neuen Nationalrat, der sich kommenden Donnerstag konstituiert, überhaupt halten? Warum kamen die Vorwürfe erst nach den Wahlen an die Öffentlichkeit? Und haben die Grünen die Affäre korrekt behandelt?
Die Vorwürfe gegen Pilz wiegen umso schwerer, als es sich bei der betroffenen Frau um eine direkt Untergebene handelte. Im Dezember 2015 hatte sich die Pilz-Mitarbeiterin an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt, ein mit 27. Jänner 2016 datiertes Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft ging in der Folge bei der Führung des Grünen Parlamentsklubs ein, bei Klubobfrau Eva Glawischnig und dem geschäftsführenden Klubobmann Dieter Brosz.
Dutzende Übergriffe
Insgesamt wurden in dem Schreiben Dutzende Übergriffe detailliert angeführt. Zu ersten Avancen durch Pilz soll es schon ganz zu Beginn gekommen sein – bei einem Abendessen. In der Folge habe Pilz die junge Frau regelmäßig belästigt. Mal habe er sie zu einer Reise nach Paris aufgefordert, mal zu Spaziergängen (zeitweise einmal wöchentlich), mal zu einem Ausflug auf seine Almhütte, mal sie unziemlich mit „Piccola“ oder „Baby“ und „Lange“ angesprochen, mal gesagt haben, er brauche sie als Begleitung, „sie werde schon sehen, wofür“. Es ging zum Schuhekaufen. Dazu kamen schlüpfrige Kalauer: „Was hilft das Höschen aus Paris, ist das Mädchen drunter mies.“ Auch zu einem Kussversuch soll es gekommen sein.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft analysierte die Vorfälle und kam zum Schluss: „Die […] äußerst glaubhaft geschilderten Verhaltensweisen […] erfüllen nach unserer Beurteilung die Tatbestände der sexuellen Belästigung.“ Laut profil vorliegenden Informationen konfrontierte die damalige Grüne Klubleitung Pilz mit den Ergebnissen. Dieser wies die Vorwürfe vehement zurück, unterstützt von Anwalt Alfred Noll. Die Mitarbeiterin verzichtete in der Folge auf weitere Maßnahmen, wurde auf eigenen Wunsch aber auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt und von Pilz auch räumlich getrennt.
Selbstredend hätte profil gerne Peter Pilz die Gelegenheit gegeben, seine Sicht der Dinge darzulegen. Pilz zog es aber vor, zu schweigen: Das Mail mit den konkreten Vorhalten blieb genauso unbeantwortet wie die Anrufe. Mit ihm gingen am Freitag die Mitglieder der „Liste Pilz“ auf Tauchstation, lediglich Maria Stern, die vom Frauenvolksbegehren als Kandidatin zu Pilz kam, sagte vage zu profil: „Ich kenne die Fakten nicht und wünsche eine rasche Aufklärung.“ Ob Pilz sein Mandat annehmen kann oder nicht, bleibt vorerst unbeantwortet.
Es ist bei Weitem nicht die einzige Frage, die sich in dieser Causa stellt. Eine besonders drängende lautet: Warum haben die Grünen derart lange geschwiegen – obwohl sie seit vielen Monaten von den Vorwürfen wussten?
Betroffene will nicht an Öffentlichkeit gehen
Eine Antwort lautet: Der Grüne Parlamentsklub ist Arbeitgeber der Frau und daher zur Verschwiegenheit gegenüber dem mutmaßlichen Opfer verpflichtet. Nur mit Zustimmung der Betroffenen hätte das Schweigen gebrochen werden können – dieses Placet erfolgte aber nie, die Frau will bis heute nicht an die Öffentlichkeit gehen. All diejenigen, die auch nur ein paar Minuten lang in Online- Kommentare zum Thema sexuelle Belästigung hineinlesen, können gut nachvollziehen, warum. Noch-Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer sagt dazu: „Eine Betroffene gegen ihren Willen zu outen, ist ein feministisches No-Go.“ Weniger wohlformulierter Zusatz: „Pilz ist ein erbärmlicher Sexist.“
Dazu kommt: Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist für nicht strafrechtlich relevante Fälle zuständig und funktioniert daher auch nicht wie ein Gericht. Im konkreten Fall wollte die betroffene Frau nach dem Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft keine weiteren Schritte setzen. Hätten die Grünen den Fall öffentlich gemacht, hätten ihnen im Extremfall Schadenersatzzahlungen gedroht.
Wären die Grünen noch im Parlament, wenn sie früher über den Fall gesprochen hätten? Und Peter Pilz vielleicht nicht? Viele Konjunktive – und eine Antwort von Albert Steinhauser, bis kommende Woche noch Klubobmann der Grünen: „Dieser Fall spielte sich im extremen Spannungsbogen zwischen den Interessen der Betroffenen und dem politischen Handlungsspielraum ab.“ Und, so Steinhauser weiter zu profil: „Ein Bruch der rechtlichen Rahmenbedingungen wäre auf Kosten der Betroffenen gegangen. Auch wenn der Preis dafür möglicherweise hoch war.“
Die Rolle der Grünen?
Bleibt die Frage: Wie sehr haben die Vorwürfe mit der Trennung von Pilz von den Grünen zu tun? Und spielten sie gar mit, als Pilz beim Bundeskongress nicht auf seinen gewünschten vierten Platz gewählt wurde – was letztlich zur Kandidatur mit seiner eigenen Liste führte?
Viele Grüne vermuten einen Zusammenhang. Nachweisbar ist, dass im Dezember 2016 die Differenzen zwischen Eva Glawischnig und Peter Pilz immer offener zur Schau getragen wurden. Pilz stellte damals den Kurs von Glawischnig infrage und forderte eine kantigere, links-populistische Linie. Glawischnig konterte verärgert mit: „Populismus hat dieses Land schon genug gesehen.“ Und: „Die Aussagen sind verzichtbar.“
Der Showdown am Bundeskongress im Juni fand schon ohne Glawischnig statt, sie war zurückgetreten. Und Peter Pilz sagte in seiner Rede: „So, und dann sage ich euch noch was Letztes: Ich bin ein Mann! Meine Eltern haben sich ein Mädchen gewünscht. Ich kann es nicht ändern. Ich steh hier als Mann, ich sage dazu, ich bin es gern, so wie viele Frauen – zu Recht – gern Frauen sind. Und in einer Partei, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, und zwar von starken Männern und Frauen, ein großes Anliegen ist, ist es auch wichtig, einem zarten und sensiblen Mann wie mir auch eine Chance zu geben. Danke!“
Welchen Platz Peter Pilz im Plenum des neuen Nationalrats einnimmt, wird erst diese Woche geklärt. An sich stünde seiner Liste ein Sitz in der zweiten Reihe zu. Pilz wolle aber lieber, so hieß es, in der Nähe seiner Abgeordneten-Kollegen weiter hinten sitzen. Falls er in den Nationalrat einzieht, dürfte die Sitzordnung vorerst Pilz’ geringstes Problem sein.