Die Ibiza-Timeline
Inhalt Inhaltsverzeichnis
2019
27. März 2019: Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, wird zum Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) bestellt. Einen Tag später wird der freiheitliche Bezirksrat Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos Austria bestellt.
17. Mai 2019: „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichen ein heimlich gefilmtes Video, auf dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Klubobmann Johann Gudenus im Juli 2017 mit einer vermeintlichen russischen Investorin auf Ibiza über mögliche Staatsaufträge im Gegenzug für millionenschwere Unterstützung sprechen, etwa in Form einer Übernahme der „Kronen Zeitung“.
18. Mai 2019: Tausende versammeln sich vor dem Kanzleramt und fordern den Rücktritt der türkis-blauen Regierung. Strache folgt diesem Wunsch, auch der blaue Klubobmann Gudenus nimmt seinen Hut. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fordert, dass sich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zurückzieht. Dieser weigert sich.
Am Abend schreibt Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, dass Justizminister Josef Moser der WKStA bei der Ibiza-Aufklärung „keine aktive Rolle zukommen“ lassen möchte.
19. Mai 2019: Strache und Gudenus traten zurück, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wollte nicht. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigt nach einem Gespräch mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Neuwahlen an. Kurz erstellt in den folgenden Tagen eine Übergangsregierung ohne FPÖ-Minister.
23. Mai 2019: Unter falschem Namen lässt ein Kabinettsmitarbeiter des Bundeskanzleramts bei der Firma Reißwolf fünf Festplatten dreifach schreddern. Die zerteilten Reste nimmt er mit, die Rechnung zahlt er nicht.
27. Mai 2019: SPÖ, FPÖ und die Liste JETZT stürzen mit dem ersten erfolgreichen Misstrauensvotum gegen eine Regierung die Übergangsregierung Kurz. Als Kurz eine Rede vor seinen Anhängern hält, steht hinter ihm jener Mitarbeiter aus dem Kanzleramt, der unter falschem Namen Festplatten schreddern ließ, wie auch Mitarbeiter der Firma Reißwolf im Fernsehen beobachten.
Ende Mai 2019: „Novomatic zahlt alle“, hatte Strache auf Ibiza gesagt. Eine anonyme Anzeige bringt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) auf erste Spuren: Im Gegenzug zu der Bestellung des FPÖ-Mannes Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria soll es demnach eine Absprache zwischen der FPÖ und Novomatic zu Glücksspiellizenzen gegeben haben. Alle Betroffenen bestreiten bis heute sämtliche Vorwürfe.
3. Juni 2019: VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein wird als Kanzlerin angelobt, mit ihr zwölf Minister, die Österreich bis zur Angelobung der neuen Regierung im Jänner 2020 führen sollen.
13. Juni 2019: Wie man Spenden über Vereine an Parteien schleusen könne, damit der Rechnungshof sie nicht sieht, erklärte Strache im Ibiza-Video. Die WKStA nimmt Ermittlungen auf, stellt diese später allerdings sowohl gegen Strache als auch gegen Gudenus ein.
Die zahlen aber nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein. [...] Du musst erklären, dass das nicht an den Rechnungshof geht.
18. Juli 2019: Freiwillige Nachschau der Soko Ibiza in der ÖVP-Zentrale. Hintergrund: Nachdem die Schredder-Rechnung monatelang nicht gezahlt wurde, zeigte die Firma Reißwolf den Kurz-Mitarbeiter an. Die Polizei holt den Betroffenen in der ÖVP-Zentrale ab und durchsucht seine Wohnung. In den folgenden Tagen wird die Geschichte publik. Die ÖVP behauptet, dass es sich um fünf Druckerfestplatten handelte. Später wird bekannt, dass darunter zwei Laptopfestplatten waren.
12. August 2019: Hausdurchsuchungen bei Strache, Gudenus, Sidlo sowie den Novomatic-Chef Harald Neumann und Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Das Glücksspielunternehmen soll für die Liberalisierung des Glücksspielgesetzes den FPÖ-Mann Sidlo als Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos Austria forciert haben, vermutet die WKStA. Die Ermittlungen laufen, alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
23. August 2019: An den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ hatte der oberösterreichische Unternehmer Siegfried Stieglitz 2017/2018 gespendet, wie profil berichtet. Die Zahlungen erfolgten teils vor, teils nach seinem Einzug in den Aufsichtsrat der staatlichen ASFINAG. Die WKStA sieht einen Zusammenhang zwischen Spende und Bestellung und klagt Strache und Stieglitz im Februar 2022 wegen Bestechung und Bestechlichkeit an. Das Gericht folgt der Anklage nicht: Ende Juli desselben Jahres werden die beiden Männer im Zweifel freigesprochen. Ein Jahr später bestätigt das Oberlandesgericht Wien das Urteil, Strache und Stieglitz sind rechtskräftig freigesprochen. In seiner Urteilsbegründung argumentierte der Richter, dass man mitunter spende, um bei politischen Funktionsträgern "einen Fuß in der Tür zu haben". Im Grunde genommen handle es sich dabei um Lobbying, das ja auch nicht strafbar sei.
2. September 2019: Per Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien wandern die Ermittlungen in der Schredder-Affäre von der WKStA an die Staatsanwaltschaft Wien. Im Februar 2020 werden die Ermittlungen im Februar eingestellt.
6. September 2019: Die Casinos-Affäre weitet sich aus. Der WKStA liegt eine anonyme Anzeige gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), den früheren FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs und dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vor. Sie sollen vorsätzlich ignoriert haben, dass Sidlo für den Top-Job bei den Casinos nicht geeignet war.
23. September 2019: Straches Spesen-Affäre wird publik. Der Ex-FPÖ-Chef soll der Partei etwa seine private Putzfrau verrechnet haben. Seinen ehemaligen Leibwächter soll Strache teils auf Parteikosten etwa Gummibärchen, Bier oder Kaviar („um höchstens 700 Euro!“) einkaufen geschickt haben. Rechnungen, die die Partei nicht annahm, soll Straches Leibwächter mit eigenen ersetzt haben. „Monatlich zwischen 2000 und 3000 Euro“ soll die Partei außerdem für Straches Fortschritt im Handyspiel „Clash of Clans“ ausgegeben haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts der Untreue gegen den Ex-FPÖ-Chef und weitere Personen auf. Strache hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Bezüglich Clash of Clans sprach er von einem kurzzeitigen Versehen, das sofort abgestellt worden sei, als er intern darauf aufmerksam gemacht worden sei.
29. September 2019: Absturz der Freiheitlichen bei der Nationalratswahl auf 16,2 Prozent, ein Minus von fast zehn Prozentpunkten. Großer Gewinner sind die ÖVP und die Grünen.
1. Oktober 2019: Strache verkündet seinen „völligen Rückzug“ aus der Politik und wird von FPÖ-Chef Norbert Hofer als FPÖ-Mitglied suspendiert. Am selben Tag löscht Öbag-Chef Thomas Schmid große Datenmengen – vor allem WhatsApp-Chats – von seinem Handy. Novomatic-Chef Neumann habe ihn auf die Möglichkeit einer Hausdurchsuchung aufmerksam gemacht, sagt Schmid später der WKStA.
12. November 2019: Hausdurchsuchungen bei Ex-Finanzminister Josef Pröll und Hartwig Löger (beide ÖVP), Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und Öbag-Vorstand Schmid. Sie sollen vom Deal mit der FPÖ gewusst und sich für Sidlos Bestellung stark gemacht haben, vermutet die WKStA. Alle bestreiten die Vorwürfe. Auf einem Cloud-Speicher können mehr als 300.000 Chatnachrichten Schmids wiederhergestellt werden, die zu zahlreichen weiteren Ermittlungen führen.
11. Dezember 2019: SPÖ und NEOS bringen im Nationalrat den Antrag auf Einsetzung eines „Ibiza-U-Ausschuss“ ein, der die „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ aufklären soll.
12. Dezember 2019: Drei Wiener Landtags- und Gemeinderatsabgeordnete treten aus der FPÖ aus und gründen „Die Allianz für Österreich“ – kurz „DAÖ“.
2020
7. Jänner 2020: Bundespräsident Van der Bellen gelobt die türkis-grüne Regierung an.
23. Jänner 2020: Beim DAÖ-Neujahrstreffen kündigt Strache sein Antreten bei den Wiener Landtagswahl im Herbst an, jedoch nicht als Spitzenkandidat der jungen Partei.
21. April 2020: Ermittler der „Soko Tape“ stellen eine umfassende Version des Ibiza-Videos sicher. Die Daten befanden sich auf einer Speicherkarte, welche in einer Steckdose in einer Wohnung in Wiener Neustadt versteckt gewesen war. Die WKStA wird davon nicht informiert. Stattdessen veröffentlicht die „Soko Tape“ Fahndungsbilder der vermeintlichen Oligarchennichte.
30. April 2020: Strache tritt bei der Wiener Landtagswahl doch als DAÖ-Spitzenkandidat gegen die FPÖ an, gibt er auf einer Pressekonferenz bekannt. Der Ex-FPÖ-Chef will Wiener Bürgermeister werden – und benennt „Die Allianz für Österreich“ rasch in „Team HC Strache – Allianz für Österreich“ – kurz „HC“ um.
8. Mai 2020: Die gefundenen Teile des Ibiza-Videos werden der Staatsanwaltschaft Wien und der WKStA übergeben.
24. Juni 2020: Kurz sagt vor dem Ibiza-U-Ausschuss aus. Später wird ihm vorgeworfen, dabei seine Rolle in Zusammenhang mit Postenbesetzungen rund um die Staatsholding Öbag heruntergespielt zu haben. Die WKStA ermittelt mehr als zwei Jahre lang – und erhebt dann Anklage gegen den Ex-Kanzler wegen des Verdachts der Falschaussage. Kurz bestreitet die Vorwürfe vehement.
19. Juli 2020: Thomas Schmid könnte sich die Ausschreibung für seinen ÖBAG-Chefposten selbst geschrieben haben, zeigen Chatprotokolle aus denen „Kurier“ und „Presse“ zitieren.
11. Oktober 2020: Bei der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl stürzt die FPÖ unter der Führung von Dominik Nepp auf ein Viertel ihrer Stimmen ab. Größter Gewinner des Wahlabends ist die ÖVP, die sich mit Finanzminister Gernot Blümel an der Spitze verdoppeln kann. Straches „Team HC Strache“ scheitert mit 3,27 Prozent der Stimmen am Einzug in den Landtag. Auch der spätere Bundespräsidentschaftskandidat und Bier-Partei-Chef Dominik Wlazny alias Marco Pogo scheitert an der 5-Prozent-Hürde, wird allerdings Bezirksrat in Simmering.
11. Dezember 2020: Der Hersteller der Ibiza-Videos, Julian Hessenthaler, wird in Berlin verhaftet. Anfang März 2021 wird er nach Österreich überstellt.
2021
11. Februar 2021: Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Auslöser war eine SMS auf Neumanns Handy, die dieser im Juli 2017 an den damaligen Wiener ÖVP-Chef Blümel gesendet hatte: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben“. Die WKStA startete deshalb Ermittlungen wegen Bestechungsverdachts gegen Neumann und Blümel. Mehr als zweieinhalb Jahre später wird das Verfahren eingestellt.
3. März 2021: Der VfGH entscheidet, dass Finanzminister Blümel dem Ibiza U-Ausschuss sämtliche „abstrakt relevanten“ Akten seines Ministeriums binnen zwei Wochen vorlegen muss. Er weigert sich.
28. März 2021: „Kriegst eh alles, was du willst“ und „Ich liebe meinen Kanzler“: Chats zwischen Schmid und Kurz deuten darauf hin, dass der damalige Kanzler möglicherweise doch stärker in die Bestellung des Öbag-Chefs eingebunden gewesen sein könnte, als bis dahin angenommen. Neos-Mandatarin Stephanie Krisper zeigt Kurz wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss an. Die WKStA ermittelt außerdem, ob Schmids und Sidlos Bestellungen verschränkt waren. Alle bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.
15. April 2021: Anklage gegen Ex-Vizekanzler und -FPÖ-Chef Strache: Die WKStA vermutet einen Zusammenhang zwischen einer Parteispende eines Privatklinikbetreibers und einem bestimmten Initiativantrag der FPÖ im Nationalrat. Strache wird in der Causa später in erster Instanz zunächst zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Auf die Aufhebung des Urteils durch das Oberlandesgericht Wien erfolgt im zweiten Rechtsgang jedoch ein – mittlerweile rechtskräftiger – Freispruch.
6. Mai 2021: Zum ersten Mal in Österreichs Geschichte fordert der VfGH den Bundespräsidenten auf, eine seiner Entscheidungen zu exekutieren. Denn Finanzminister Blümel war der höchstrichterlichen Anordnung, Akten aus dem Ministerium an den U-Ausschuss zu liefern, nicht nachgekommen. Bundespräsident Van der Bellen wendet sich am selben Tag an die Öffentlichkeit, und erklärt, dass er – sollte sich Blümel weiter verweigern – die Herausgabe der Akten per Zwang verordnen könnte. Tags darauf leistet der Finanzminister Folge und gibt die Dokumente heraus – allerdings nicht digital, sondern ausgedruckt und in Umzugskartons verpackt.
12. Mai 2021: Ermittlungen gegen Kanzler Kurz und Kabinettschef Bernhard Bonelli werden bekannt. Sie werden der Falschaussage vor dem U-Ausschuss verdächtigt. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten, die WKStA sieht das anders und wird mehr als zwei Jahre später dennoch Anklage erheben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Auch Finanzminister Blümel wurde wegen Falschaussage angezeigt, hier sieht die WKStA aber keinen Anfangsverdacht. Nicht das einzige Mal: Insgesamt legt die WKStA drei Anzeigen gegen Blümel wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss zurück.
8. Juni 2021: Thomas Schmid tritt als Öbag-Chef zurück. Zuvor waren im Rahmen des Ibiza-U-Ausschusses weitere despektierliche Chats („Reisen wie der Pöbel“) aufgetaucht.
3. September 2021: Sechs Stunden lang wird Kanzler Kurz durch einen Richter des Wiener Straflandesgerichts wegen des Vorwurfs der falschen Zeugenaussage als Beschuldigter vernommen.
28. September 2021: Die ÖVP macht sich Gedanken wegen einer – möglicherweise bevorstehenden – Hausdurchsuchung. Die Staatsanwaltschaft könne sich eine solche allerdings sparen, lässt ÖVP-Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz bei einer Pressekonferenz wissen: Die Partei vernichte schon länger alle Daten, die man nicht gesetzlich aufbewahren müsse: „Es ist nichts mehr da.“
5. Oktober 2021: „Linke Zellen der WKStA“ seien „am linken Auge blind“, wirft ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger der Staatsanwaltschaft in einer eilig einberufenen Pressekonferenz vor, parteiisch zu ermitteln.
6. Oktober 2021: Hausdurchsuchungen in Bundeskanzleramt, Finanzministerium, ÖVP-Zentrale, bei der Mediengruppe „Österreich“ sowie bei Ex-Familienministerin Sophie Karmasin und Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Im Grunde geht es um mutmaßlich mit Steuergeld gekaufte Berichterstattung beziehungsweise Meinungsumfragen: Seit 2016 sollen Mittel des Finanzministeriums für teils manipulierte Umfragen im Interesse des engsten Kreises um Kurz und der ÖVP ausgegeben worden sein. Die Umfragen sollen teilweise im Gegenzug für Ministeriums-Inserate in Medien der „Österreich“-Gruppe veröffentlicht worden sein, lautet der Verdacht der WKStA.
Die WKStA ermittelt gegen Kurz, Schmid, die „Österreich“-Herausgeber Wolfgang und Helmuth Fellner, Karmasin, Beinschab sowie Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Kurz' Medienbeauftragten Gerald Fleischmann, Kurz-Berater Stefan Steiner und den Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Finanzministeriums wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung. Auf Basis des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes werden auch auch gegen die Mediengruppe „Österreich“ und gegen die ÖVP Ermittlungen eingeleitet.
Chats auf Schmids Handy sind erneut Hauptindizien der WKStA. Beinschab und Schmid werden viele Details der Verdachtslage später in ihren Aussagen als Beschuldigte und angehende Kronzeugen bestätigten. Alle anderen Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
9. Oktober 2021: Kurz verkündet seinen Rücktritt als Kanzler. Außenminister Alexander Schallenberg übernimmt.
12. Oktober 2021: Die Meinungsforscherin Beinschab wird wegen Verdunkelungsgefahr bis 14. Oktober vorübergehend festgenommen. Dabei ist Beinschab, wie später bekannt wird, umfassend geständig. Beinschab gibt in der Vernehmung zu, dass das Finanzministerium sie für „politische Fragen“ bezahlt und sie selbst Umfragen innerhalb der Schwankungsbreite manipuliert hatte. Ex-Familienministerin Karmasin habe an den Aufträgen „mitgeschnitten“ und sich mit abgesprochenen Scheinangeboten Aufträge des Sportministeriums gesichert, bringt Beinschab neue Vorwürfe vor.
27. November 2021: Nachdem bekannt wurde, dass die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher sich vor medialen Angriffen auf die WKStA von der Kanzlei Ainedter beraten ließ, die wiederum zwei im Ermittlungskomplex beschuldigte Personen aus dem ÖVP-Umfeld vertritt, lädt Justizminister Alma Zadić sie zum Gespräch.
29. November 2021: Ein gelöschtes Foto auf dem Handy von Ex-Finanzminister Löger deutet darauf hin, dass von der türkis-blauen Regierung vereinbart gewesen sein könnte, dass der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft Öbib (später Öbag) von der ÖVP nominiert werden sollte.
2. Dezember 2021: Kurz zieht sich auch als ÖVP-Chef und -Klubobmann zurück. Er erklärt den Schritt mit der Geburt seines Sohnes, aber auch den Vorwürfen und Ermittlungen gegen seine Person. Gegen Abend stellt Schallenberg das Amt des Kanzlers zur Verfügung. Bald darauf gibt Finanzminister Blümel via Facebook-Video seinen Rücktritt bekannt.
3. Dezember 2021: Der ÖVP-Parteivorstand fixiert die Neuaufstellung der Regierungsriege unter Ex-Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als Kanzler.
9. Dezember 2021: SPÖ, FPÖ und Neos setzen den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ein. Er soll die Ära Kurz durchleuchten.
15. Dezember 2021: Die ÖVP hat nach Ibiza im Nationalratswahlkampf 2019 unter dem damaligen Generalsekretär und nunmehrigen ÖVP-Chef Karl Nehammer bewusst versucht, Wahlkampfkosten zu verschleiern, um die gesetzliche Obergrenze einzuhalten. Die ÖVP wehrt sich gegen diese Darstellung, auch vor Gericht: Gegen einen entsprechenden Bericht des „Falter“ auf Grundlage geleakter interner ÖVP-Dokumente klagte die Volkspartei. Auch der Oberste Gerichtshof entscheidet aber, dass die Berichterstattung „von einer ausreichenden Faktenbasis gedeckt“ sei.
20. Dezember 2021: Hausdurchsuchungen beim steirischen Investor Siegfried Wolf wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit. Wolf soll beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, interveniert haben, um die eigene Steuerschuld zu lindern – und schlussendlich mit Schmids Hilfe die für ihn zuständige Finanzamtsleiterin bestochen haben („Sie will Baden“). Schmid wird diese Darstellung später in seinen Aussagen als Beschuldigter großteils bestätigen. Wolf streitet sie entschieden ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.
22. Dezember 2021: "Vergiss nicht – du hackelst in einem ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für dich reichen!", schrieb Schmid als Generalsekretär des Finanzministeriums etwa am 6. Jänner 2017 an einen Kabinettsmitarbeiter, wie im Rahmen der Wolf-Ermittlungen publik wird. Er habe die Nachricht „keinesfalls irgendwie ernst genommen“, sagt später der Kabinettsmitarbeiter, der Schmid mit „Danke, dass wir das so offen besprechen können!“, geantwortet hatte.
2022
19. Jänner 2022: Als Reaktion auf das Ibiza-Video hatte der frühere Grünen-Abgeordnete Peter Pilz im Juni 2019 das Onlinemedium „ZackZack“ gegründet. Nun veröffentlicht er dort Chats aus dem Handy des früheren Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka („Interventions-Liste), Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter („Vrabl verhindern“) oder Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner („Rote bleiben Gsindl“) (alle ÖVP) geraten in Erklärungsnot. Die Herkunft der Chats ist allerdings umstritten: Die Daten sollen 2017 von einem IT-Mitarbeiter des früheren BVT abgesaugt worden sein. Ein Informant übergab den Datensatz im Frühjahr 2021 an Pilz. Dieser veröffentlicht zunächst Auszüge, übergibt dann Unterlagen an die WKStA – und später einen Teil an den ÖVP-U-Ausschuss.
25. Jänner 2022: Die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), Eva Marek, zieht sich zurück. Chats aus dem Kloibmüller-Handy hatten nahegelegt, dass sich 2014 der damalige Justizminister Brandstetter aus parteipolitischen Gründen für Marek als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien entschieden haben könnte. Als Folge der Affäre stößt die grüne Justizministerin Alma Zadić eine Reform der Bestellung von Höchstrichtern an.
26. Jänner 2022: Studien, die die Meinungsforscherin Beinschab im Auftrag und auf Kosten des Finanzministeriums durchgeführt hatte, werden veröffentlicht. Für 156.000 Euro erfuhr das Ministerium etwa, dass Ex-Kanzler Kurz als „hinterfotziger“ Pfau, die FPÖ hingegen als Golf GTI wahrgenommen wurde.
29. Jänner 2022: Ein „Sideletter“ zeigt, wie sich die türkis-blaue Regierung Posten im Verfassungsgerichtshof oder dem ORF im Hinterzimmer aufteilten – teils entgegen anderslautenden gesetzlichen Vorgaben. Das geheime Dokument hatte FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth der WKStA vorgelegt, als er als Zeuge in der Causa der möglichen Kurz-Falschaussage befragt wurde. Wenig später werden auch die schriftlichen Nebenabsprachen der türkis-grünen Regierung publik. Ein Monat vor Start des ÖVP-U-Ausschusses, der seine Amtszeit durchleuchten soll, gilt Ex-Kanzler Kurz als Quelle für den zweiten Sideletter.
7. Februar 2022: Die WKStA will auf Basis von Chats auf Schmids Handy Ermittlungen gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger einleiten. Er soll 2016 bei Schmid interveniert haben, damit ein ÖVP-Bürgermeister Vorstand des Finanzamtes Braunau, Ried und Schärding wird. Wöginger bestreitet den Vorwurf und lässt seine Immunität als Abgeordneter aufheben. In seinem Geständnis bestätigt Schmid die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft und spricht von einem „ausschließlich parteipolitisch motivierten Anliegen“ Wögingers.
25. Februar 2022: Das Geständnis von Meinungsforscherin Beinschab und ihre Anschuldigungen gegen Ex-Familienministerin Karmasin werden publik.
2. März 2022: Der ÖVP-U-Ausschuss startet. Am selben Tag lässt die WKStA Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wegen Verdunkelungsgefahr festnehmen. Der früheren Meinungsforscherin werden Geldwäsche und Preisabsprachen vorgeworfen. Außerdem wird sie verdächtigt, „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin“ des Beinschab-Österreich-Tools gewesen zu sein. Nach 24 Tagen in Untersuchungshaft wird Karmasin entlassen.
8. März 2022: Aus dem Gefängnis heraus zahlt Karmasin dem Staat rund 60.000 Euro an zu Unrecht bezogener Gehaltsfortzahlung zurück.
17. März 2022: Auch Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird in der Causa rund um den Steuernachlass für Investor Wolf als Beschuldigter geführt. Schelling bestreitet die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Am selben Tag stellt die Meinungsforscherin Beinschab einen Antrag auf Kronzeugenstatus in der Inseraten-Affäre. Im August tritt die WKStA von Beinschabs strafrechtlicher Verfolgung vorläufig zurück.
30. März 2022: Nationalratspräsident und U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll als Innenminister Amtsmissbrauch begangen haben, indem er Positionen nicht nach Qualifikation, sondern Parteitreue besetzte, vermutet die WKStA. Die Korruptionsjäger stützen sich dabei auf Chats auf dem Handy von Sobotkas früherem Kabinettschef Kloibmüller und nehmen Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen den zweithöchsten Mann im Staat auf.
Am selben Tag wird der „Ibiza-Detektiv“ Hessenthaler wegen Kokainhandels zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Auch aufgrund seiner langen Untersuchungshaft ist Hessenthaler mittlerweile wieder auf freiem Fuß.
10. Juni 2022: Der Rechnungshof vermutet, dass die Volkspartei auch bei der Nationalratswahl 2019 und unter Ägide des damaligen Generalsekretärs und heutigen Parteichefs Karl Nehammer nicht nur 5,6 Millionen Euro ausgegeben, sondern die Wahlkampfkostenobergrenze überschritten hat. Vom Rechnungshof beauftragte Wirtschaftsprüfer gehen in der Folge von einer Überschreitung der Obergrenze von zumindest 525.000 Euro aus. Der unabhängige Parteientransparenzsenat (UPTS) im Kanzleramt folgt der Einschätzung des Rechnungshofes nicht. Demnach lagen die Wahlkampfkosten der ÖVP 2019 mit 6,85 Millionen Euro zwar deutlich über dem von der Partei behaupteten Betrag, jedoch knapp unterhalb der gesetzlichen Obergrenze von sieben Millionen Euro.
21. Juli 2022: FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte in die Architektur der parteinahen Vereine involviert gewesen sein, die nach Ibiza die WKStA auf den Plan gerufen hatten. Gesprächsprotokolle aus dem Handy des Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein legen diesen Verdacht laut "Kronen Zeitung" nahe. Man habe sich 2015 in Kickls Büro zusammengesetzt, sagte FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank darin, Kickl habe den Namen „Austria in Motion“ geschaffen.
18. Oktober 2022: Hausdurchsuchung bei der Signa-Gruppe des Immobilientycoons René Benko. Der Milliardär soll den damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, Schmid, mit einem Jobangebot bestochen haben, damit ihm dieser bei seinen Steuerproblemen hilft. Seit Juni 2022 hatte Schmid umfangreich vor der WKStA ausgesagt, viele der gegen ihn gerichteten Vorwürfe gestanden und andere Beschuldigte umfangreich belastet. Benko bestreitet den Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung.
20. Oktober 2022: Mutmaßlich politische Postenbesetzungen hat die Ex-Abteilungsleiterin für Prävention im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) beobachtet, erzählt sie im ÖVP-U-Ausschuss. So sei ein Mitglied des katholischen Cartellverbandes (CV) als ihr Stellvertreter eingesetzt worden, die eigenen Mitarbeiter hätten dessen Aufträge aber nicht verstanden: „Eine derartige mangelnde Kompetenz habe ich sonst bei niemandem feststellen können“. Der Genannte leitet im BAK das Referat Prävention und Ursachenforschung.
3. November 2022: Schmids Chats erschüttern auch die Medienlandschaft: Zwei Jahre lang hatte die WKStA einen Anfangsverdacht gegen den Chefredakteur der Presse, Rainer Nowak, geprüft. Offenbar hatte Schmid versucht, Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung der Presse zu nehmen. Im Gegenzug sollte Schmid Nowak „beim ORF helfen“, dessen Generaldirektor Nowak offenbar werden wollte.
Im selben Akt wird auch dargestellt, wie die FPÖ im Frühjahr 2019 versuchte, Einfluss auf den ORF zu nehmen. Ex-Vizekanzler Strache chattete dafür auch mit ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom. „Langsam wird's und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger“, schrieb Schrom dem damaligen FPÖ-Chef.
Die WKStA stellt die Ermittlungen ein, Konsequenzen haben sie dennoch: Wenige Tage nach Veröffentlichung der Chats ziehen sich Nowak und Schrom zurück.
17. November 2022: Weil Schmid schwere Straftaten gestanden habe, empfiehlt der ÖVP-Ethikrat den Parteiausschluss des früheren Spitzenfunktionärs. Auch die Wortwahl in Schmids Chats sowie der „mangelnde Respekt“ seien „völlig unangemessen und abzulehnen“. Parteichef Nehammer folgt der Empfehlung und schließt Schmid aus.
29. November 2022: Die WKStA bringt eine erste Anklage gegen Ex-Familienministerin Karmasin ein. Die frühere Meinungsforscherin soll sich drei Studienaufträge des Sportministeriums durch wettbewerbsschädigende Absprachen mit Beinschab und einer weiteren Meinungsforscherin gesichert haben. Beinschab erhielt den Kronzeugenstatus, die dritte Meinungsforscherin nahm eine Diversion an. Außerdem soll Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Regierung die Gehaltsfortzahlung in Anspruch genommen haben, obwohl sie bereits wieder zu arbeiten begonnen und Provisionsansprüche aus Beinschab-Studien gehabt hätte. Die Rückzahlung erfolgte aus Sicht der WKStA zu spät und – zunächst – nicht vollständig.
2023
15. Februar 2023: Der ÖVP-U-Ausschuss findet ein unrühmliches Ende. Seit Dezember hatte die ÖVP weitere Ausschusstage blockiert. Auch durch die Aussageverweigerung von Schmid und die fehlenden Ladungen von Beinschab oder Karmasin hat der Ausschuss die Inseraten-Causa kaum aufarbeiten können. „Es wurde sicherlich Korruption festgestellt, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß“, erklärt Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl im Ö1-Mittagsjournal. In seinem Abschlussbericht kritisiert er etwa Postenbesetzungen im Innenministerium, intransparente Vergaben und die Macht der Generalsekretäre und politische Kabinette der Ministerien.
30. März 2023: Hausdurchsuchung in den Geschäftsführungsräumlichkeiten der Gratiszeitung „Heute“: Erneut geht die WKStA einer Verdachtslage nach, die sich aus Aussagen und Chats von Thomas Schmid ergeben hat: Zunächst soll Schmid 2016 das Inseratenvolumen des Finanzministeriums in der Mediengruppe „Österreich“ ansteigen haben lassen. Nachdem sich „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand darüber beschwert habe, seien die Inseratenvolumina auch für „Heute“ und die „Kronen Zeitung“, bei der Dichands Ehemann Christoph Herausgeber und Chefredakteur ist, genstiegen. Im Gegenzug – so vermutet die WKStA – könnte positive Berichterstattung für Ex-Kanzler Kurz in Aussicht gestellt worden sein, der ebenfalls als Beschuldigter geführt wird. „Bald werden auch die Hunde in der Krone Tierecke Kurz wählen“, freute sich Schmid etwa Ende Mai 2017 über das Ergebnis der mutmaßlichen Medienkooperation. Bis auf Schmid, der Kronzeuge werden will, bestreiten die Beschuldigten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
25. April 2023: Der Prozess gegen die frühere Familienministerin Karmasin startet. Sie plädiert auf Freispruch: In der Frage der verbotenen Absprachen habe sie bereits vor den Scheinaufträgen eine Zusage gehabt, die Gehaltsfortzahlung habe sie zurückgezahlt und so tätige Reue bewiesen, argumentiert sie vor Gericht.
Tätige Reue ist das nicht, die liegt bis heute nicht vor, aber das ist auch nicht notwendig.
23. Mai 2023: Ex-Familienministerin Karmasin wird in erster Instanz wegen des Verdachts der Kartellbildung zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Auch im Falle der Gehaltsfortzahlung sieht Richter Patrick Aulebauer "klar eine Betrugshandlung, wie wir sie selten haben. Sie haben in vollem Bewusstsein gehandelt, dass das nicht in Ordnung war". Vom Vorwurf des schweren Betruges wird Karmasin dennoch freigesprochen, da sie die rund 80.000 Euro an die Republik zurückgezahlt habe und somit kein Schaden entstanden sei.
18. August 2023: Ex-Kanzler Kurz muss vor Gericht. Die WKStA klagt den Ex-ÖVP-Chef, seinen früheren Kabinettschef Bonelli und die ehemalige Casinos-Austria-Managerin Bettina Glatz-Kremsner an. Ihnen werden Falschaussagen vor dem U-Ausschuss vorgeworfen, es drohen bis zu drei Jahre Haft. Alle drei Angeklagten bestreiten die Vorwürfe vehement.
18. Oktober 2023: Sebastian Kurz steht erstmals vor Gericht. Noch vor Beginn der Verhandlung attackiert Kurz in einem Medienstatement die WKStA, sein Anwalt bringt einen Antrag auf Abberufung von Richter Michael Radasztics wegen angeblicher Befangenheit ein. Radasztics weist die Vorwürfe zurück und weicht nicht. Die eigentliche Hauptangeklagte Glatz-Kremsner zeigt sich einsichtig und gesteht Fehler ein. Das Gericht bietet ihr eine Diversion an. Die frühere Casinos-Managerin zahlt 104.060 Euro Geldbuße und gilt weiterhin als unbescholten. Kurz und sein früherer Kabinettschef Bonelli bekennen sich nicht schuldig. Für sie geht der Prozess weiter. Hauptangeklagter ist fortan Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
2024
23. Februar 2024: Kurz und Bonelli werden wegen Falschaussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss verurteilt. Kurz drohen acht Monate bedingte Haft, Bonelli sechs Monate. Beide Angeklagten melden Berufung an, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
12. März 2024: Meinungsforscherin Beinschab hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt, die SPÖ habe schon unter Bundeskanzler Werner Faymann Umfragen frisieren lassen. Aus Beinschabs Sicht habe es sich „um dasselbe System“ wie bei der ÖVP gehandelt. Die WKStA nahm Ermittlungen auf. Allerdings konnte die Staatsanwaltschaft nicht beweisen, dass die von Karmasin vorgeschlagenen SPÖ-affinen Studien vom Kanzleramt auch beauftragt und bezahlt wurden. Das Verfahren wird eingestellt.
18. April 2024: Die WKStA nimmt auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien Ermittlungen gegen Wolfgang Fellner und Heinz-Christan Strache wegen Bestechung und Bestechlichkeit auf. Gegen die früheren FPÖ-Minister Herbert Kickl, Norbert Hofer (Verkehr), Mario Kunasek (Verteidigung) und Beate Hartinger-Klein (Soziales) wird wegen Untreue ermittelt, da sie auf Anweisung von Strache in ihren jeweiligen Ministerien Inserate für die MGÖ beauftragt haben sollen, an „deren Inhalten kein konkretes Interesse der Öffentlichkeit bestand und die darauf abzielten, eine für die FPÖ wohlwollende Berichterstattung in diversen Medien zu sichern und die Imagepflege zu fördern“, so die WKStA. Mit ihrem Verhalten hätten die blauen Minister „in unvertretbarer Weise gegen die dem Vermögensschutz der Republik Österreich dienenden Bestimmungen“ verstoßen. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.
Grundlage waren Chats auf dem Handy von Ex-FPÖ-Chef Strache, die die WKStA auch für den laufenden „Rot-schwarzen Korruptions-Untersuchungsausschuss“ ausgewertet hatte.
9. Juni 2024: Die FPÖ ist erstmals stärkste Partei bei einer bundesweiten Wahl.
Wäre es anders besser gewesen? Ich glaube ja.
24. Juni 2024: Ex-Kanzler Kurz bereut das Ende der Koalition mit der FPÖ wegen des Ibiza-Skandals. Die Informationslage sei schlecht gewesen, laut Gerüchten sollte nach den „gut geschnittenen Minuten“ des Videos noch viel kommen, die Stimmung sei aufgeheizt und viele seien gegen eine Fortsetzung der Koalition gewesen, erzählte er bei einem Business-Talk in Wien. „Wäre es anders besser gewesen? Ich glaube ja.“
25. Juli 2024: Die WKStA stellt die letzten Ibiza-Ermittlungen gegen Ex-FPÖ-Chef Strache rund um „illegale Parteispenden“ ein. Konkret ging es um das FPÖ-nahe „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISP), über das „verdeckte Spenden“ von Novomatic an die Freiheitlichen geflossen sein sollen. Die WKStA ging „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ davon aus, dass das Unternehmen Veranstaltungen „ohne die Nähe zur Regierungspartei FPÖ“ nicht gesponsert hätte, berichtet der „Kurier“. „Das allein reicht aber für eine strafrechtliche Relevanz der Sponsorleistungen nicht aus.“
29. September 2024: Die FPÖ ist erstmals stärkste Partei bei einer Nationalratswahl.
23. Oktober 2024: Eine Studie der Universität Wien zeigt, dass nach dem mutmaßlichen Beginn des „Beinschab-Österreich-Tools“ in der Mediengruppe „Österreich“ erheblich öfter über Kurz und deutlich negativer über seine politischen Konkurrenz berichtet wurde.
28. Oktober 2024: Kaum ist Wolfgang Sobotka nicht mehr Nationalratspräsident, stellt die WKStA das letzte von insgesamt 21 Ermittlungsverfahren gegen den ÖVP-Politiker ein. Zu einer Anklage des ehemaligen Innenministers kam es nie.
14. November 2024: Nach mehr als fünf Jahren stellt die WKStA Untreue-Ermittlungen gegen Walther Rothensteiner, Josef Pröll und Harald Neumann wegen ihrer ehemaligen Tätigkeit als Aufsichtsräte der Casinos Austria AG (Casag) ein. Einer anonymen Anzeige aus Ende Mai 2019 zufolge seien zwei Vorstandsverträge vorzeitig aufgelöst worden, um die Bestellung von Bettina Glatz-Kremsner, Martin Skopek und Peter Sidlo als Casag-Vorstände zu ermöglichen – alles „ausschließlich parteipolitisch motiviert“. Die drei Aufsichtsräte hätten durch die vorzeitige Auflösung der Verträge der Casag wirtschaftlichen Schaden zugefügt, vermutete die WKStA daraufhin. Nun stellte die WKStA fest, dass die Auflösung der Verträge „auch sachlich begründet und vertretbar“ gewesen sei und stellte die Untreue-Ermittlungen ein.
Die Einstellung betrifft nur die drei Aufsichtsräte. Ob hinter der Bestellung von Sidlo ein Deal zwischen FPÖ und Novomatic stand, ist weiter Gegenstand von Ermittlungen. Das Handy von Thomas Schmid hätte die WKStA folglich dennoch durchsucht.