Impfgegner bei einer Demonstration in Wien.
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Die Impfgegner sind besser organisiert als die Regierung

Corona-Skeptiker demonstrierten vor einem Krankenhaus in Wels. Die Regierung demonstriert Planlosigkeit.

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Die Intensivstation im Welser Klinikum war voll mit Corona-Erkrankten, als vorgestern etwa 600 Impfgegner zu einer Demo vor dem Haupteingang des Spitals zusammenkamen. Ein bizarrer Anblick. Drinnen der Überlebenskampf gegen das Virus, draußen der Kampf gegen das einzige wirksame Mittel: Die Impfung.

Unter den Demonstranten waren gleich mehrere Pflegerinnen, eine von ihnen hat in dem Altenheim, in dem sie beschäftigt ist, über ein Dutzend Menschen an Corona sterben sehen. Eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal lehnt sie trotzdem kategorisch ab. Eine andere ist offenbar sogar bereit, ihren Job aufzugeben, wenn die derzeit diskutierte Impfpflicht für das Gesundheitspersonal kommt. Grinsend sagte sie in die Kamera eines Alternativmediums: „Wenn wir jetzt alle kündigen, können die Krankenhäuser zusperren.“

Vermutlich ist es mit Blick auf die Patienten auch besser, wenn die überzeugten Ungeimpften sich ein anderes Betätigungsfeld suchen, in sicherer Distanz zu Alten und Kranken.

Zwischenzeitlich kursierte auf Twitter und Facebook die Horrormeldung, die Impfgegner hätten auch die Einfahrt der Zentrale des Roten Kreuzes in Wels blockiert, die direkt gegenüber vom Spital liegt. Es gibt noch gute Nachrichten: Glücklicherweise stellte sich das als falsch heraus – das Rote Kreuz konnte über eine zweite Ausfahrt ungehindert seine Einsätze fahren, wie ein Sprecher zu profil sagte. Allerdings sei die Rettungsorganisation zuvor nicht über die Demo informiert worden. Ein Schnitzer, der nicht passieren sollte.

Die Polizei hat die Demo unterschätzt. Die Organisatorin, die politisch zuvor nicht in Erscheinung getreten war, hatte der Behörde etwa 100 Teilnehmer angekündigt – es wurden sechs Mal so viele.

Ob die Polizei erneut eine Impfgegner-Demo vor einem Spital genehmigen wird? „Beim nächsten Mal wird das sicher in die Bewertung einfließen, ob die Frau in der Lage ist, das ordentlich abzuschätzen und zu organisieren“, erklärte ein Sprecher der Landespolizeidirektion Oberösterreich. Er betonte aber auch, dass die Beamten keine Gesetzesverstöße registriert hätten.

Die Demo zeigt jedenfalls, wie gut die Impfgegner organisiert sind, wenn sie selbst in einer mittelgroßen Stadt wie Wels an einem Werktag hunderte Menschen auf die Straße bringen.

Weniger gut organisiert agiert derzeit die Bundesregierung. Um nicht zu sagen: Desaströs. Österreich ist eines von drei Ländern mit der höchsten Inzidenz. Weltweit! Trotz rapide steigender Corona-Fallzahlen und Spitalsressourcen, die knapp zu werden drohen, konnte sich die Regierung bisher nicht zu kontaktbeschränkenden Maßnahmen wie etwa abendlichen Ausgangssperren durchringen.

Virologe Andreas Bergthaler und Komplexitätsforscher Peter Klimek können keine klare Strategie zur Eindämmung der Virusausbreitung erkennen. Derzeit steuere Österreich am ehesten auf eine „Durchseuchung“ der Bevölkerung zu. Mit allen Folgen.

Ich wünsche Ihnen starke Abwehrkräfte.

Jakob Winter

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Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.