Man sieht einen Hühnerkebab
Salmonellen-Skandale

Die Kebab-Kontrolleure: So arbeitet das Wiener Marktamt

Mehrere Salmonellen-Fälle sorgten heuer in Österreich für Aufregung. 31 wurden zuletzt im Oktober gemeldet. Wie streng sind die Lebensmittelkontrollen und was kann man tun, um sich vor einer Salmonellenvergiftung zu schützen? profil hat einen genauen Blick auf das Fleisch am Spieß geworfen.

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Wenn Alexander Hengl in einem Lokal auf die Toilette geht, dann kann es schon einmal vorkommen, dass er einen prüfenden Blick in die Küche wirft. Das sei seine Berufskrankheit, sagt er. Denn Hengl ist Lebensmittelkontrolleur der Magistratsabteilung 59 - dem Marktamt der Stadt Wien. 

Insgesamt 18.000 Lebensmittelbetriebe werden regelmäßig kontrolliert. „Das sind rund 21.500 Kontrollen, die jährlich stattfinden“, erzählt der Inspektor und Sprecher des Marktamts, der sich selbst als „Mann für alles“ bezeichnet und überall in Wien unterwegs ist. 3887 der Kontrollen sind risikobasiert, darunter fallen auch die allgemein beliebten Kebab-Imbissstände. Das Marktamt klassifiziert sie als Risikostufe 6 auf der neunstufigen Skala. Der Experte beruhigt aber: Das sei eine mittlere Risikobewertung. Und: „Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet diese Einstufung eigentlich nichts, für Unternehmen schon, weil sie entsprechend häufiger kontrolliert werden.“ Konkret beruht die Risikoabschätzung auf den negativen Auswirkungen für Verbraucher:innen „Ein Erdbeer-Stand weist ein geringeres Risiko auf als eine Großküche, die täglich 1000 Personen bekocht“, erklärt Hengl. Die Besuche der Lebensmittelinspektor:innen sind „selbstverständlich unangekündigt“, sagt er, „sonst wäre es ja fad“. Je höher die Gefahreneinschätzung, desto mehr Überraschungsbesuche.

Kontrolle nach Vier-Stufen-Schema

Das Team der MA 59 wurde erst heuer auf 76 Kontrolleurinnen und Kontrolleure aufgestockt, das ist ein Drittel mehr als im Vorjahr - zu tun gibt es genug. Die Visiten richten sich nach einem Bonus- Malus- System. „Das heißt: Je schlechter der Betrieb bei der letzten Kontrolle abgeschnitten hat, desto häufiger wird wieder kontrolliert“, erklärt Hengl. Und: desto genauer wird geprüft. In der Regel teilt sich die Kontrolle in vier große Bereiche: Ausstattung, Ware, Reinigung und Gefahrenanalyse. Wird auf Brettern aus Holz geschnitten? Dann birgt das Gefahren. Sind Boden und Wände abwaschbar? Gut. Können Mitarbeiter:innen sich regelmäßig die Hände waschen? Sehr gut. Der Hauptfokus ist in fast allen Bereichen: die Hygiene.

Ursprung für Salmonellen nicht in Österreich

Das Dönergeschäft boomt. Nicht zuletzt wegen der Dumpingpreise. Dass das Fleisch so günstig ist, könnte am Herkunftsland liegen: Rund ein Fünftel der Hühnerfleischproduktion entfällt innerhalb der EU auf Polen, wie Zahlen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC zeigen. Gleich mehrmals sorgte das polnische Fleisch in Österreich heuer für Aufregung, zuletzt im Oktober. 31 Infektionen mit Salmonella_ Enteriditis ST11 wurden von der Österreichischen Agentur für Gesundheit (AGES) bestätigt, „alle betroffenen Kebabspieße kamen aus Polen”, heißt es gegenüber profil. 

Auch Hengl bestätigt, dass die Gründe für befallenes Fleisch meist auf die Zulieferer zurückzuführen seien und versucht zu beruhigen: „Mithilfe des Europäischen Lebensmittelfrühwarnsystems (RASFF) können die Betriebe, die in Österreich betroffen sind, schnell identifiziert und das Fleisch sofort aus dem Verkehr gezogen werden.“ Die Qualität der Lebensmittel in Wien sei sehr hoch: Weniger als ein Prozent der amtlichen Probeziehungen sind gesundheitsschädlich. Außerdem wird streng darauf geachtet, dass das Fleisch österreichischen Standards, wie jenen aus dem Lebensmittelbuch, entspricht. Das bedeutet, dass zum Beispiel kein Knochenfleisch auf den Spieß kommt und entsprechende Kühlung bei Lieferketten eingehalten wird.

Im Verdachtsfall rasch und unbürokratisch

Bei Verdacht auf Salmonellen in Betrieben kommt das Wiener Einsatzteam ins Spiel - und schreitet im Extremfall gemeinsam mit der Polizei ein. Walter Hillerer, der Leiter der Stelle sagt: Mit „umfassenden“ Screenings wird eruiert, wo eine hohe Konzentration solcher Fälle herrscht und im Notfall sofort eingegriffen. „Das sind Hotspots in Wien, von denen es viele Aufzeichnungen oder Anzeigen aus der Vergangenheit gibt“, erklärt Hillerer. Wo sich diese befinden, möchte weder das Marktamt für Lebensmittel noch das Einsatzteam Wien verraten. Zu groß ist die Angst, falsche Panik auszulösen und den Groll der Gastronomie auf sich zu ziehen.

„Er nennt mich Chef und macht mich immer glücklich, egal zu welcher Uhrzeit.“

Trotz Salmonellen-Meldungen, bleibt die Liebe zum würzigen Fleisch am Spieß, die in Wien seit fast 40 Jahren währt, konstant. „Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten aufgrund von Lebensmittelskandalen sind meist nicht langfristig“, sagt Ernährungswissenschafterin Petra Rust von der Uni Wien. Profil erreichten auf Nachfrage einige Nachrichten zum ungebrochenen Vertrauen in die Kebab-Imbisse. In den Kommentaren der Leser:innen stützt sich dieses meist auf die persönliche Aspekte, wie Freundlichkeit, aber auch spezielle Angebote der Betriebe, wie selbst gebackenes Brot. Bei den meisten ist es die Nostalgie.

Hengl kann das nachvollziehen: „Lebensmittelskandale werden schnell öffentlich, es gibt im Vergleich zu den Jahren davor aber viel weniger Anlass dazu“, beruhigt der Lebensmittelkontrolleur.

Tipps für Kebab-Fans

Das Problem bei Salmonellen sei, dass diese in der Natur vorkommen. So schnell sie sich verbreiten, kann man sie aber auch wieder loswerden: Das Fleisch für 15 Sekunden auf 70 Grad zu erhitzen, reiche vollkommen aus, um die Erreger zu eliminieren. Döner-Fans können potenzielle Gefahrenquellen durch genaues Hinschauen erkennen: „Hühnerfleisch, egal ob von Kebab-Imbiss oder vom Schnitzelwirt, muss immer vollständig durchgegart sein, nur so ist gewährleistet, dass eventuelle Salmonellen abgetötet werden“, erklärt Hengl. Das Schlangestehen vor dem Imbiss kann auch für einen Blick auf andere Lebensmittel des Betriebs genutzt werden: Wenn die Joghurtsoße direkt neben dem Herd oder Griller steht, werden entsprechende Kühlvorgaben nicht eingehalten. 

Bleibt die Frage: Wie kann das rohe Fleisch, das über Stunden am Spieß hängt, genießbar gehalten werden? Die Antwort liegt in der Marinade: „90 Prozent sämtlicher Lebensmittelbakterien können nur dann wachsen, wenn sie Luft ausgesetzt sind. Durch das Öl in der Marinade des Fleisches kann keine Luft zum Fleisch gelangen“, erklärt Lebensmittelinspektor Hengl. „Es ist klar erwiesen, dass das Fleisch bakteriell normalerweise nicht bedenklich ist“, betont Hengl. Die Hauptfehlerquelle sei der Mensch. Ob er selber noch gern auswärts essen gehe, bejaht der oberste Kontrolleur der Stadt, denn er wisse ja am besten, wie genau kontrolliert werde. 

Karolina Heinemann

hat im Rahmen des 360° JournalistInnen Traineeship für das Online-Ressort geschrieben.