Maria Rauch-Kallat ist eine der wenigen ÖVP-Politikerinnen, Männer mitgemeint, die Mitglied aller sechs Teilorganisationen sind: Die Junge Volkspartei erklärte die frühere Ministerin einmal in einer Alpbacher Partynacht um vier Uhr morgens zum Ehrenmitglied. Der Bauernbund übernahm sie automatisch, als sie einen Bauernbündler heiratete. Die Senioren und die Wirtschaft kamen mit der Zeit dazu, bei den Arbeitnehmerinnen im ÖAAB war sie von Beginn an dabei. Und ein Bund, der ihr besonders am Herzen liegt, machte sie zur Ehrenobfrau: die Frauen.
Maria Rauch-Kallat mag ihre persönlichen Präferenzen haben. Aber sie weiß auch: Innerhalb der ÖVP herrschen eigene Hierarchien. Der Wirtschaftsbund hat das Geld, der ÖAAB die Mitglieder, die Bauern die Macht. Das zeigen allein die Zahlen: Zum Bauernbund gehören 236.000 Mitglieder, die zuletzt üppige fünf Millionen Euro Beiträge in einem Jahr zahlten. Den Frauen gehören 35.000 Mitglieder an, sie überwiesen 380.000 Euro.
Klar, es gibt auch Wirtschaftsbündlerinnen und Arbeitnehmerinnen oder Landwirtinnen. Aber wenn es um Posten und Positionen geht, bestimmen trotzdem erstaunlich oft die Männer allein.
Kann die ÖVP so Politik für Frauen machen?
Fürs Protokoll: Auch Männer können Frauenpolitik machen, wenn sie es wollen. Kanzler Karl Nehammer widmete ihr in seinem „Österreichplan“ ein eigenes Kapitel. Im „Land der Frauen“, das er beschreibt, regiert allerdings die maximale Milde. Er fordert zum Beispiel die „Stärkung von Frauen in Führungspositionen durch Sichtbarmachung von Vorbildern“. Vor seinem Auftritt richtete er der Öffentlichkeit aus, das Binnen-I in der Verwaltung verbieten zu wollen und, als familienpolitische Maßnahme, eine eigene Baby-Karenz für Großeltern einzuführen. Die Gleichstellung soll kommen, aber ohne zu viele Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Wer sind „die ÖVP-Frauen“?
Juliane Bogner-Strauß sitzt in ihrem Büro in der Lichtenfelsgasse und weiß genau, was jetzt kommt: Zu wenig Kante, zu viel Kompromiss, zu laut Ja sagen und zu leise ein Aber formulieren – das ist das Image, das die ÖVP-Frauen haben. In der SPÖ müssen Frauen genauso gegen Männer ankämpfen, die Parteichefin wurde eiskalt rausgedrängt, und es ist die ÖVP, die in viele Ämter erstmals Frauen entsandte. Trotzdem hört man öfter, wofür die SPÖ-Frauen stehen. Verlangt die Öffentlichkeit also zu viel von den ÖVP-Frauen? Oder verlangen die ÖVP-Frauen zu wenig?
Bogner-Strauß ist Frauenchefin, auch wenn es in der Regierung eine Frauenministerin (Susanne Raab) und im Parlament eine Frauensprecherin (Elisabeth Pfurtscheller) gibt. Und das ist schon der Punkt, den Bogner-Strauß machen will: Die „ÖVP-Frauen“ gibt es so nicht. „Auch innerhalb der ÖVP sind sich Frauen oft nicht einig, und gerade das eröffnet Möglichkeiten. Wir versuchen, in unserer Vielfalt Kante zu zeigen und Frauen nicht vor den Kopf zu stoßen.“ Von streng katholischen Aktivistinnen bis hin zu liberalen Jungfunktionärinnen, sie alle sollen mit der Linie einverstanden sein. Der Kompromiss macht diese schwammig, aber das soll so sein.
Bogner-Strauß gibt gleich ein paar inhaltliche Beispiele für unterschiedliche Meinungen. Die ÖVP hatte unter Sebastian Kurz die Hürden für Vorzugsstimmen abgeschafft. Wer öfter am Stimmzettel stand, sollte vorgereiht werden. Eine Maßnahme, die Frauen benachteiligen könnte. „Ich bin gegen dieses Vorzugsstimmen-Modell“, sagt Bogner-Strauß. Sie spricht sich auch für Gratisverhütungsmittel für bestimmte Gruppen aus und hat einen entspannteren Zugang zum Gendern als ihr Parteichef. „Ich habe nichts gegen das Binnen-I, aber ich spreche und schreibe die Geschlechter aus.“
Die frühere Ministerin und ÖVP-Generalsekretärin spricht sich für eine Quote aus.
Weiter im Westen, in Bregenz, ärgerte sich Martina Rüscher deutlicher über Nehammer. „Sprache schafft Bilder im Kopf, das ist so“, sagt die Vorarlberger Landesrätin und Frauenchefin zu profil. Selbst wenn Nehammer dafür plädiere, die Paarform zu verwenden. „Nach außen wird es als ein lang ersehntes Gender-Verbot wahrgenommen, und ich finde, das schadet uns – das sage ich wissend, dass sich viele Personen wünschen würden, dass es keinen Doppelpunkt gibt.“
Quoten-Denken
Was wollen ÖVP-Frauen also? Ein wichtiges Ziel, das sagen sowohl Bogner-Strauß als auch Rüscher, ist die finanzielle Unabhängigkeit. Um die Lohnschere zwischen Männern und Frauen zu schließen, sollen Unternehmen transparenter werden. Bisher müssen Firmen ab 150 Mitarbeitenden in komplizierten Berichten darstellen, ob es bei ihnen Gehaltsunterschiede gibt. Bogner-Strauß verweist auf eine EU-Richtlinie, die diese Pflicht ab 100 Personen einführen wird. Rüscher kann sie sich schon ab 50 vorstellen. Die Wirtschaft ist nicht begeistert, aber der Koalitionspartner drängt auf striktere Regeln. Erst wenn sie kommen, wollen die Grünen einer Forderung für Familien zustimmen: dem automatischen Pensionssplitting. Wenn ein Elternteil in Karenz geht, sollen sich beide die Pensionsansprüche automatisch teilen. Auf einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze haben sich Bund und Länder ohnehin schon geeinigt.
Raab ist Frauenministerin in der ÖVP-Grünen-Regierung, ÖVP-Frauenchefin ist Juliane Bogner-Strauß. Frauensprecherin im Parlament ist Elisabeth Pfurtscheller.
Rüscher hätte auch nichts gegen eine Quote bei Führungspositionen in der Privatwirtschaft – und gegen einen lauteren Frauenbund. „Das Bild, das es von uns gibt, ist zum Teil berechtigt. Wir sollten alles daransetzen, es zu ändern. Nach innen sind die Frauen nicht zu überhören, wir sind es gewohnt, zu diskutieren. Aber oft sind wir nach außen zu wenig sichtbar.“
Und auch Maria Rauch-Kallat plädiert für die Quote – selbst wenn Widerspruch erwartbar ist. „Jede Position für eine Frau ist eine weniger für den Mann. Die Quote ist nicht elegant, aber sie wirkt.“
Von den sechs Bünden werden übrigens drei von einer Frau angeführt: die Senioren, die JVP und die Frauen. Es sind aber nicht jene drei, denen am meisten Macht nachgesagt wird.
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.