Die neuen U-Ausschüsse als doppelter Polit-Poker
Mitte 2018 startet der blaue Verkehrsminister der ÖVP-FPÖ-Regierung, Norbert Hofer, eine Kampagne. Der Claim: „Lass Drogen nicht ans Steuer.“ Ein Teil des Kampagnenbudgets, exakt 188.540 Euro, geht an die Wiener Werbeagentur Outsell, die auch schon FPÖ-Wahlkämpfe betreute. Die Agentur lässt 100.000 weiße Silikonarmbänder und Anti-Stressbälle mit dem Logo des Verkehrsministeriums produzieren und stellt einen adaptierten Linienbus zur Verfügung, der mit dem Kampagnen-Slogan beklebt wird und ein Jahr lang durch Österreich tourt.
Nur Outsell habe einen solchen Bus und sei daher beauftragt worden, hieß es aus dem Ministerium. Der Geschäftsführer der Agentur, Andreas Bussek, ist Vizepräsident der Freiheitlichen Wirtschaft Wien. „Bekam Busseks Agentur den Zuschlag, weil er ein Parteifreund des damaligen Ministers war?“, fragt profil in einem 2021 erschienenen Artikel, in dem über den Deal erstmals berichtet wird.
Nun sollen diese Frage und Dutzende weitere, wie die Inseratenaffäre unter Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann, in einem eigenen Untersuchungsausschuss des Nationalrats neu aufgeworfen werden, der auf Verlangen der ÖVP eingesetzt wurde, am vergangenen Donnerstag seine erste Sitzung abhielt und offiziell „Rot-blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“ heißt. Um wesentlich höhere Beträge und aktuelle Themen wie die Benko-Pleite oder Corona-Gelder geht es in einem zweiten Untersuchungsausschuss, der mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ eingerichtet wurde und offiziell „Cofag-Untersuchungsausschuss“ heißt. Auch dieser hielt am vergangenen Donnerstag seine konstituierende Sitzung ab.
U-Ausschuss-„Orgie“
Untersuchungsausschüsse sind das schärfste Kontrollmittel des Nationalrats. Wie auf der Website des Parlaments zu lesen ist, sollen dabei „keine Streitigkeiten entschieden, sondern Tatsachen festgestellt werden“. Die politische Realität ist eine andere: Die Feststellung von Tatsachen wird in den kommenden Monaten nicht im Vordergrund stehen. Stattdessen werden die Parteien neue „Streitigkeiten“ provozieren, um ihren Kontrahenten vor der Nationalratswahl 2024 maximal zu schaden. Aus dem Kontrollmittel ist eine Wahlkampfwaffe geworden. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos und der stellvertretende Klubobmann der Pinken, Nikolaus Scherak, warnten vor Weihnachten vor einer „Orgie an U-Ausschüssen“. Diese würden „eine Schlammschlacht“ bringen und in einen „Kampf aller gegen alle“ münden.
Neos
Die NEOS würden bei den zwei U-Ausschüssen am liebsten eine Runde aussetzen, weil sich kaum ein Teilnehmer mehr an die Regeln hält. Nun nehmen sie doch – mit Vorbehalten – teil: „Wir kennen mittlerweile alle Spielarten der Korruption“, heißt es aus dem pinken Klub. Schlupflöcher erneut zu thematisieren, anstatt sie zu stopfen, sei „im Endeffekt sinnlos“. Eine seriöse Aufarbeitung der Themen sei in drei Monaten nicht machbar.
Sachlich gesehen gibt es für den U-Ausschuss zur Cofag (in der Langfassung: Covid-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH) gleich eine Reihe guter Gründe: Der Rechnungshof kritisierte die Einsetzung der Cofag sowie mögliche Überförderungen von Unternehmen scharf. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob die Ausgliederung von Finanzhilfen im Oktober 2023 überhaupt als rechtswidrig auf. Zudem wird die Cofag derzeit abgewickelt, und SPÖ und FPÖ fürchten, dass dabei Akten vernichtet werden könnten. Vor allem aber dürfen die Abgeordneten nach einem VfGH-Entscheid erstmals Akten der ausgegliederten Agentur anfordern. Anders gesagt: Es ist der erste und zugleich letzte Zeitpunkt, an dem das Parlament leicht an Cofag-Unterlagen kommen kann.
SPÖ
Normalerweise sind bei Spielen die Regeln für alle gleich, die ÖVP biete aber ein „VIP-Service“ für Milliardäre, findet die SPÖ. Der Cofag-U-Ausschuss soll das belegen. Die rote Fraktion hofft, dass Beamtinnen und Beamten aus der Finanzverwaltung die ÖVP mit ihren Aussagen unter Druck setzen könnten. Die wichtigsten Erkenntnisse werde man aufgrund der kurzen Spielzeit allerdings aus den Akten gewinnen, ist die rote Fraktion sicher. Die ÖVP sei noch lange nicht aus dem Schneider.
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Freilich war die Cofag bereits im vergangenen ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss umfangreich Thema. Das Gehalt des Geschäftsführers interessierte die Abgeordneten ebenso wie teure externe Dienstleister und das „beträchtliche Überförderungspotenzial“, das der Rechnungshof bei den Corona-Hilfen festgestellt hatte. Die verkürzte Bezeichnung „Cofag-U-Ausschuss“ ist ohnehin irreführend. In ihrem „Untersuchungsausschuss betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“ wollen SPÖ und FPÖ nämlich weitaus mehr als nur die Corona-Hilfen beleuchten.
Wie schon im ÖVP-U-Ausschuss vermuten die Oppositionsparteien eine Sonderbehandlung für Milliardäre. Aufbauend auf Chats und Aussagen des früheren Chefs der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG, Thomas Schmid, wollen sie nun im Detail die Hintergründe untersuchen – erneut, denn auch die Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren sowie die Beteiligungen des Bundes waren bereits Thema im ÖVP-U-Ausschuss. Schmid selbst hatte den Abgeordneten die Aussage verweigert, er sagt lieber vor Gericht aus.