EU-Wahl

Die Verwandlung der Lena Schilling: Von der Lobau ins EU-Parlament

Österreichs bekannteste Klima-Aktivistin Lena Schilling soll bei den kommenden EU-Wahlen für die Grünen ins Rennen gehen, die sie vor kurzem noch als „Altpartei“ bezeichnete.

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„Die Leute, die bei Fridays for Future aktiv sind, würden im Jahr 2023 niemals zu den Grünen gehen. Der Grund ist einfach: Wir trauen ihnen nicht mehr zu, dass sie das, was sie versprochen haben, auch halten“, sagte die designierte EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, noch im September 2023. Das Interview mit Schilling ist nicht einmal vier Monate her, es war Teil des Buchs „Was wurde aus den Grünen?“ von Grünen-Mitbegründer Andreas Wabl. Nun ist plötzlich alles anders: Schilling und die Grünen marschieren gemeinsam – zumindest in Bezug auf die Europawahl.

In einer Pressekonferenz hat Parteichef Werner Kogler Lena Schilling heute als EU-Spitzenkandidatin vorgestellt. profil berichtete bereits im Oktober über Spekulationen rund um eine eventuelle Kandidatur der Wiener Klimaaktivistin. Nun ist diese so gut wie fix, ihr erster Listenplatz muss nur noch beim grünen Bundeskongress Ende Februar in Graz beschlossen werden.

Vor einem selbstgemalten Transparent – Schriftzug „Weil’s um unsere Zukunft geht“, blauer Hintergrund, gelbe Europasterne – verkündet die 23-Jährige: „Jetzt geht es von der Klimaaktivistin auf der Straße um den Kampf ins Parlament.” Es sei Zeit, den nächsten Schritt zu gehen, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und eben dorthin zu gehen, wo Entscheidungen getroffen werden. 

Opportunismus oder Pragmatismus? 

Schilling ist derzeit kein grünes Parteimitglied und hat auch nicht vor, so schnell eines zu werden. In Wabls Buch erklärte sie noch: „Die Grünen, wie sie sich heute darstellen, vertreten sicherlich andere Werte als wir in den Umweltbewegungen.“ Wabl fragt sie: „Für dich sind die Grünen eine Altpartei?“ „Ja, das sind sie.“ Und dann steht da noch dieser Satz: „Es braucht eine starke grüne Partei, aber ich bin kein Teil davon.“

Was hat sich verändert? Man könnte Schilling Opportunismus unterstellen, oder dass sie, wie mitunter in den sozialen Medien zu lesen ist, pragmatisch geworden ist. Schon immer hatte die 23-jährige Aktivistin großes Sendungsbewusstsein an den Tag gelegt, zeigte sich von Anfang an recht professionell im Umgang mit Medien und zwar nicht immer kompromiss-, aber doch stets gesprächsbereit. Schilling hatte sich jüngst auch als Ausgleichsgewicht zwischen radikalen Protestformen der Letzten Generation und gemäßigtem Klimaaktivismus bewiesen und schreibt seit letztem Jahr in der „Kronen Zeitung“ eine Kolumne (die sie nun wohl aufgeben muss). 

Nun hat sie sich also eine EU-Spitzenkandidatur als Vehikel dafür ausgesucht, ihre Anliegen umzusetzen. Sie will weiter „Klimaaktivistin“ bleiben und „keine Berufspolitikerin“ werden, wie sie sagt. Eine leichtfertige Entscheidung hat die 23-jährige jedenfalls nicht getroffen – bei den Grünen gab es ja einiges an Hin und Her rund um die Spitzenkandidatur, auch Schilling selbst hatte sich zuerst geziert. An anderweitigen Angeboten mangelte es Schilling nicht: Immer wieder sollen ihr auch von KPÖ und SPÖ Listenplätze für die EU- sowie die Nationalratswahl angeboten worden sein. 

Bei der Pressekonferenz sagt Schilling, für sie sei es ein gutes Zeichen, dass man eine Partei hart kritisieren könne, und dann trotzdem für sie antreten dürfe. „Und ganz ehrlich, welche Partei steht mehr für Klimaschutz?“ Wenn man so will, dann erfüllt Schilling also die ur-grüne Erzählung: 1986 zogen die Grünen aus der Hainburger Au in den Nationalrat ein, 2024 will Schilling von der Lobau aus ins EU-Parlament. 

Zur Person

Lena Schilling, 23, wurde als Klimaaktivistin im Wiener Erholungsgebiet Lobau bekannt, mit Kapuzenpullover und Megafon in der Hand. Mit gerade einmal Anfang 20 wurde sie zum Gesicht des Protests gegen den Lobautunnel und die Stadtstraße. Mittlerweile hat sie ein Buch geschrieben, kommentiert regelmäßig in der „Kronen Zeitung“, tritt im Fernsehen auf und studiert Politikwissenschaften. 

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

war bis Oktober 2024 stv. Online-Ressortleitung und Teil des faktiv-Teams.