Inserate in Schwarz und in Blau
Ganz oben auf der Liste steht das Thema Inserate – und zwar sowohl in Bezug auf die Volkspartei als auch auf die Freiheitlichen. Schon länger laufen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts, der damalige ÖVP-Überflieger Sebastian Kurz und sein Umfeld könnten Boulevardmedien im Gegenzug für genehme Berichterstattung mit Regierungsinseraten versorgt haben. In einem Seitenast dieser Causa geht es auch um Umfragen, die – quasi unter der Hand – vom Finanzministerium bezahlt worden sein sollen.
Ermittelt wird diesbezüglich nicht nur gegen Ex-Bundeskanzler Kurz, mehrere seiner engsten Vertrauten und gegen die frühere Familienministerin Sophie Karmasin, sondern – nach dem sogenannten Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – auch gegen die ÖVP-Bundespartei selbst. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Dass eine Partei den Justizminister stellen könnte, gegen die in einer derart zentralen Causa direkt ermittelt wird, sorgt aber naturgemäß für Stirnrunzeln. Die Frage, ob irgendwann Anklage erhoben wird oder nicht, hängt nämlich letztlich auch vom Justizministerium ab. Die WKStA ist – wie alle Staatsanwaltschaften – weisungsgebunden.
Auch die FPÖ hat ihre Inseraten-Causa – und in diesem Fall betrifft sie sogar die aktuelle Parteispitze. Im April 2024 gab die WKStA per Presseaussendung bekannt, dass sie gegen den früheren Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie die früheren FPÖ-Minister Norbert Hofer, Herbert Kickl, Mario Kunasek und Beate Hartinger-Klein Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet habe: Sie sollen zwischen Jänner 2018 und Mai 2019 Inserate aus öffentlichen Geldern bezahlen haben lassen, „ohne dass tatsächlich ein konkretes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit an den Inhalten dieser Inserate bestanden hätte“. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Die Ermittlungen sind jedoch weiterhin anhängig. Und Kickl ist mittlerweile nicht nur FPÖ-Chef, sondern schickt sich an, Bundeskanzler zu werden. Kunasek ist seit Kurzem Landeshauptmann der Steiermark. Und Hofer ist FPÖ-Obmann im Burgenland.
Justiz-Baustellen von FPÖ und ÖVP
Das Inseraten-Thema ist beileibe nicht das einzige offene Verfahren, von dem blaues Top-Personal aktuell betroffen ist: Die WKStA ermittelt gegen Kickl auch noch wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem parlamentarischen U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ im Vorjahr. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp und der Delegationsleiter der Blauen im EU-Parlament, Harald Vilimsky, werden in der Spesen-Affäre um Ex-Parteichef Strache als Beschuldigte geführt. Gegen Kunasek laufen Ermittlungen in der Grazer FPÖ-Finanzaffäre – ebenso gegen den steirischen Landtagspräsidenten Gerald Deutschmann. Alle weisen die Vorwürfe zurück.
Und dann gibt es noch Erhebungen gegen die Nationalratsabgeordneten Martin Graf und Harald Stefan sowie gegen den Abgeordneten und Klubdirektor Norbert Nemeth. Ende November 2024 beantragte die Staatsanwaltschaft Wien die Auslieferung der drei Parlamentarier, Mitte Dezember wurde ihre Immunität dann per Mehrheitsbeschluss aufgehoben. Der Verdacht steht im Raum, dass bei einem Begräbnis ein SS-Lied gesungen worden sein könnte. Die Betroffenen bestreiten das. Sie betonen, es habe sich um eine Version des Liedes aus dem Jahr 1814 gehandelt, nicht um eine später durch die SS abgewandelte Fassung.
Aktuell vor Gericht steht der ehemalige blaue Nationalratsabgeordnete und nunmehrige parlamentarische Mitarbeiter Hans-Jörg Jenewein – und zwar gemeinsam mit dem Ex-Verfassungsschutz-Beamten Egisto Ott, der bekanntlich verdächtigt wird, für Russland spioniert zu haben. Dieser Teil der Vorwürfe gegen Ott befindet sich noch im Ermittlungsstadium. Beim bereits laufenden Prozess gemeinsam mit Jenewein geht es hingegen um den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses. Im Dezember brachte die Staatsanwaltschaft Wien dann eine weitere Anklage gegen den Ex-Abgeordneten ein – diesmal wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Jenewein und Ott haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Der wohl prominenteste aktive ÖVP-Politiker, gegen den aktuell ein Ermittlungsverfahren läuft, ist der geschäftsführende Klubobmann der Volkspartei im Nationalrat, August Wöginger. Ihm wird vorgeworfen, in Bezug auf eine Postenbesetzung an einem oberösterreichischen Finanzamt parteipolitisch interveniert zu haben. Der strafrechtliche Verdacht: Bestimmung zum Amtsmissbrauch. Wöginger hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten.
Ein früherer ÖVP-Grande, gegen den die WKStA seit geraumer Zeit ermittelt, ist Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling. Dabei geht es um den Verdacht möglicher Interventionen in Zusammenhang mit einer Steuerangelegenheit des Unternehmers und ehemaligen Magna-Managers Siegfried Wolf. Beide haben sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen.
Aus und vorbei
Einige potenzielle Problemfelder für einen allfälligen blau-schwarzen Justizminister haben sich hingegen mittlerweile erledigt. So stellte die WKStA Ermittlungen in Zusammenhang mit einem mutmaßlichen „FPÖ-Novomatic-Deal“ in weiten Teilen ein, wobei auch die eine oder andere Person aus der Sphäre der ÖVP vom Verdacht betroffen gewesen war.
Alle haben auch hier die Vorwürfe immer bestritten. Auf blauer Seite sind in diesem Zusammenhang nun der frühere Klubobmann Johann Gudenus sowie die aktuellen Nationalratsabgeordneten Hubert Fuchs und Markus Tschank aus dem Schneider. Im Umfeld der Volkspartei trifft das vor allem auf den früheren Finanzminister Hartwig Löger sowie auf Ex-Parteichef Josef Pröll zu.
Angesichts der teils sehr komplexen Verfahren, die noch offen sind, darf der künftige Justizminister oder die künftige Justizministerin auf eines jedoch nicht hoffen: dass sich sämtliche Causen noch vor dem Amtsantritt in Luft auflösen.