Das halbe Klimaziel
Österreich hat einen Plan. Im Falle des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) ist das eine Nachricht für sich. Drei Jahre lang konnten sich ÖVP und Grüne nicht einigen, wie die EU-Klimaziele bis 2030 erreicht werden sollten. Seit April war Österreich das einzige EU-Land, das keinen Entwurf abgegeben hat – und handelte sich daher ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission ein. Auch die Frist für den finalen Plan wurde am 30. Juni versäumt. „Wir haben als Land kein gutes Bild abgegeben“, gibt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) nun zu.
Der lange Weg zum Klimaplan
November 2015 Die EU-Kommission kündigt verpflichtende nationale Energie- und Klimapläne (NEKP) für den Zeitraum von 2021 bis 2030 an.
Dezember 2018 Eine EU-Verordnung regelt die konkrete Ausgestaltung der NEKPs. Österreich muss bis 31. Dezember 2019 zeigen, wie bis 2030 im Vergleich zu 2005 36 Prozent des heimischen Treibhausgas-Ausstoßes eingespart wird.
Dezember 2019 Die Experten-Regierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein gibt diesen ersten NEKP pünktlich in Brüssel ab.
Juli 2021 Die EU verschärft die Klimaziele. Österreich muss seinen Treibhausgasausstoß nun bis 2030 um 48 Prozent im Vergleich zu 2005 senken. Ein überarbeiteter Entwurf soll bis 30. Juni 2023 abgegeben werden. Die EU-Kommission will diesen dann prüfen und gibt Empfehlungen für den finalen Plan abgeben, der am 30. Juni 2024 vorgelegt werden soll.
Juni 2023 Die türkis-grüne Regierung verpasst die Frist zur Abgabe des Entwurfs.
Oktober 2023 Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gibt einen NEKP-Entwurf in Brüssel ab. EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zieht ihn wieder zurück, da er nicht ausreichend mit der ÖVP abgestimmt gewesen sei.
Dezember 2023 Die EU-Kommission eröffnet ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen des fehlenden NEKP.
April 2024 Österreich ist das einzige EU-Land, das keinen Entwurf zum NEKP in Brüssel abgibt.
Juni 2024 Österreich verpasst die Frist zur Abgabe des finalen Plans und bittet die Kommission um Aufschub.
August 2024 Österreich gibt den finalen Plan in Brüssel ab.
Nun liegt der NEKP vor und soll das ändern: Auf 345 Seiten schildert die Regierung im Detail, wie Österreich seine Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 fast halbieren will. Möglich geworden ist das weniger durch neu entflammten Mut als durch bestehende Maßnahmen, gute Zahlen – und einen Abtausch: Die Grünen machten den Weg frei, um Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken, die Volkspartei löste ihre Blockade beim NEKP.
Die Ausgangslage der Regierung hat sich im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf aus 2023 deutlich verbessert: Beschlossene Maßnahmen von Klimaticket bis CO2-Steuer begannen zu greifen, 2023 dürften die Emissionen gegenüber 2022 erneut um 6,4 Prozentpunkte gesunken sein – laut Umweltbundesamt kaum wegen mildem Wetter und schwächelnder Wirtschaft sondern großteils dank Klimaschutzmaßnahmen wie dem Erneuerbaren-Ausbau. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine erhöht den Druck, von fossiler Energie unabhängig zu werden, der Photovoltaik-Ausbau boomt, Gebäude werden gedämmt und Ölheizungen abgebaut.
Doch das reicht nicht. Wie will Österreich die EU-Klimaziele erreichen und die Emissionen halbieren?
Inhalt Inhaltsverzeichnis
1 Klimaschädliche Kontroverse
Der wohl größte Wurf aus grüner Sicht ist für die ÖVP noch nicht fix: 2 Millionen Tonnen CO2 sollen spätestens ab 2030 eingespart werden, indem weniger klimaschädliches Verhalten gefördert wird. „Das heißt, wir gehen auch Themen wie das Dieselprivileg ernsthaft an, genauso den Tanktourismus, der sich daraus ergibt, und die Steuervorteile für Dienstautos“, erklärt Gewessler. Die ÖVP widerspricht. Tatsächlich muss die Entscheidung, welche Subventionen gekürzt werden, die nächste Regierung fällen. ÖVP und Grüne wollen bis Herbst nur eine Arbeitsgruppe einsetzen.
Das Finanzministerium listet allerdings bereits 14 „negative Anreizmaßnahmen“ auf: den Flugverkehr, der von Umsatzsteuer befreit ist, das Pendlerpauschale, Steuererleichterungen für Dienstautos und das Dieselprivileg. Letzteres wird im NEKP indirekt erwähnt: Der Tanktourismus nach Österreich sei „zu einem wesentlichen Teil“ darauf zurückzuführen, dass Diesel billiger sei als in den Nachbarstaaten. Das erhöht die gemessenen Emissionen – auch, wenn der Treibstoff im Ausland verfahren wird.
Die Abschaffung der kontraproduktiven Förderungen würde laut NEKP zudem bei einem zweiten EU-Ziel helfen: