Digitale Inszenierung: Politiker in Badehosen
Offensichtlich kam sein Badefoto gut an: Mehr als 1000 Likes erntete Julian Schmid in der Badehose, häufig fiel das Wort "sexy“. Auch der Boulevard sagte "Gefällt mir“, die Gratiszeitung "Heute“ machte den grünen Abgeordneten zum Covermodel und verriet seine Körpergröße, Trainingsprogramm und Beziehungsstatus (vergeben). Doch wie intim sollen Politiker auf Facebook sein? Was ist authentisch und wann beginnt das "Oversharing“, das Teilen von zu viel Information? Ein paar Lektionen lehrt auch dieser Fall.
1.) Persönlich, aber nicht peinlich
Klar, es gab ein paar Nörgler und Populismusvorwürfe, aber Julian Schmid schadet die Aktion wohl kaum. Das Badehosenfoto passt zur Inszenierung des 26-Jährigen. Auf Facebook und der Fotocommunity Instagram postet er gerne Selfies von sich und Gleichaltrigen. Das Badefoto signalisiert einmal mehr: "Hey, ich bin ein cooler Typ, einer wie ihr.“ Eine junge Userin schrieb: "Ich wähle jetzt die Grünen.“ Wer auf der politischen Bühne nicht die Rolle des kecken Jungpolitikers spielt, für den sind solche Fotos heikler. NEOS-Chef Matthias Strolz postete einst ein Bild von sich im Bademantel - eine Hommage an Sänger Udo Jürgens. Die Netzcommunity lachte nicht mit, sondern über ihn (das Foto ist mittlerweile gelöscht).
Nur - wie findet man die richtige Balance? "Ich rate immer: So persönlich wie möglich und so privat wie nötig sein“, sagt Yussi Pick, Online-Kampagnenberater. Politiker können authentisch wirken, indem sie keine Privatfotos teilen, aber regelmäßig zu politischen Fragen Stellung beziehen. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) postet etwa aus seiner Sicht zum Asylthema und erntet Zuspruch.
2.) Neu ist die sichtbare Wut
Wie viel preisgeben? Neu ist die Frage nicht, neu ist allerdings, dass Politiker für private Posen keine klassischen Medien mehr brauchen. Früher luden sie Journalisten in ihre eigenen vier Wände, heute posten sie selbst intime Details auf Facebook. Das Team von Bundespräsident Heinz Fischer veröffentlicht gerne Fotos aus seinem Eheleben - und stets ist im richtigen Moment eine Kamera dabei, etwa, wenn er einen Valentinstagsstrauß überreicht. Facebook erleichtert solche Homestorys.
"Die Homestory kam dabei erst in den 1980er-Jahren auf, als die Persönlichkeit des Politikers zunehmend in den medialen Vordergrund rückte anstelle seiner Funktion als Amtsträger“, sagt Politologe Fritz Plasser. Solche Einblicke waren schon in analogen Zeiten riskant: Der frühere Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) hatte häufig mit Hund Grolli posiert. Als Familie Klima ohne Grolli nach Argentinien übersiedelte, sorgte das für Empörung. Vielleicht gäbe es dafür heute einen Shitstorm. Auch das ist neu: Die Wut vieler Bürger ist sichtbarer geworden.
3.) Nicht alle können freizügig sein
Weil sie Häme fürchten, sind viele Mandatare lieber zu zugeknöpft als zu freizügig. Eine Gruppe tut sich bei der Selbstdarstellung besonders schwer - Frauen. Deren Fotos werden ungemein härter kommentiert, sowohl am Stammtisch wie auch im Internet. Sogenannte "Antifeministen“, die ein Problem mit emanzipierten Frauen haben, machen online sogar gezielt Politikerinnen fertig, mokieren sich auch gerne über ihr Aussehen.
Neulich färbten viele Facebook-User ihr Profilfoto in Regenbogenfarben ein, ein Signal für die Homoehe. Als Grünen-Chefin Eva Glawischnig das tat, schrieb einer prompt: "In normal schaut’s nix gleich, und in farb noch viel weniger.“ Kein Wunder, dass nur Männer in Bademontur posieren: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Parteigründer Frank Stronach, jetzt der Grüne Julian Schmid. "Tatsächlich muss eine Frau bei jedem Foto viel intensiver darüber nachdenken: Wie wird das wahrgenommen? Ich bezweifle, dass eine gleichaltrige Politikerin ein Foto wie Julian Schmid posten würde“, sagt Pick.
4.) In die Wohlfühlfalle getappt
Schmids Badefoto ist eine Anomalie in der digitalen Politikdebatte, die meist weniger prickelnd ist. Sein Bild illustriert aber auch die Gefahr der Trivialisierung in den sozialen Netzwerken.
Katzenbilder und Urlaubsfotos sind, wie es im Internet so schön heißt, "likeable“. Links zu soften Themen werden weit häufiger aufgerufen als ernsthafte Nachrichtentexte, das belegte neulich auch eine Studie von Facebook-Mitarbeitern. So erklärt sich, warum Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gerne erfolgreichen Skifahrern auf Facebook gratuliert. Solche Feelgood-Beiträge bringen überraschend viele Likes - ob sie allerdings auch Stimmen bringen, ist fraglich.