Dompfarrer Anton „Toni“ Faber: „Da widerspreche ich dem Kardinal“
Für den Dompfarrer der Wiener Stephanskirche ist es ein besonderer Tag. Er lässt es sich nicht anmerken. Wir haben – bei aller journalistischen Distanz – eine Torte mit Kerze besorgt. Toni Faber war am vergangenen Freitag Gast im Club 3 und beging just an jenem Tag seinen 60. Geburtstag. Was erwartet man von dem „Seitenblicke“-affinen Geistlichen, wenn er zum tendenziell hochpolitischen TV-Format von profil, „Kurier“ und „Kronen Zeitung“ eingeladen wird? Weihrauchschwere Floskeln? Schwänke aus seinem Vierteljahrhundert im Dienst eines der wichtigsten Gotteshäuser der Welt? Kritik an den Mächtigen der Welt und der Kirche?
Antwort in drei Worten: Herr Faber lieferte.
Schon der scheinbar oberflächliche „Wer-trifft-wen“-Aspekt birgt tiefe Einblicke. Faber schildert ein Zusammentreffen mit dem Moskauer Patriarchen bei dessen Besuch in Wien. Er erzählt, dass er von Kyrill unmissverständlich gedrängt worden war, „als wäre Fasching in prachtvollem Ornat am Flughafen zu erscheinen“. Kyrills Interesse habe den Themen „Skisaison und Heliskiing im Kaukasus“ gegolten und dem Wunsch, „zehn Zentimeter höher zu sitzen“ als Kardinal Schönborn. Was sagt er zu den windelweichen Worten von Papst Franziskus nach dessen Telefonat mit Kyrill, der zuvor mehrfach den Angriffskrieg Russlands verteidigt hatte? „Ich war sehr enttäuscht von der Presseerklärung des Papstes.“
Wie geht es Faber mit dem Ukraine-Krieg und mit den Flüchtlingen? Er sei ein „grenzenloser Optimist“, glaubt an ein „Zusammenrücken und die Zivilgesellschaft“, konstatiert bei der Hilfsbereitschaft anders als 2015 „die unmittelbare Nachbarschaft, kulturelle und religiöse Gemeinsamkeiten“. Hat bei der Kanzlerpartei ÖVP in der Ausländerpolitik ein Umdenken stattgefunden? „Ich habe damals eine Stunde lang versucht, Sebastian Kurz zu überzeugen.“ Offensichtlich erfolglos. „Jetzt hat sich die Sprache völlig verändert. Das sind plötzlich ganz andere Töne.“ Glaubt er angesichts des Krieges an das Böse, gar an einen personifizierten Teufel? „Das kann nur die Macht des Bösen sein. Es gibt den Teufel. Ich habe ihn nur im Traum gesehen. Aber es gibt ihn.“ In der katholischen Kirche würde freilich selbst einem Tyrannen wie Putin qua Beichte flugs alles verziehen? „Als Christen schreiben wir auch den größten Verbrecher nicht endgültig ab.“
Der Dompfarrer ist in theologischen Fragen also nicht unbedingt im liberalen Mainstream des 21. Jahrhunderts angekommen. In Fragen der Amtskirche erweist er sich hingegen als progressiv bis hin zum Ungehorsam. Bei der Impfung etwa sei er „mit konservativen Kräften in der Kirche, im innersten Kreis, konfrontiert, die Abenteuerliches, wissenschaftlich nicht Fundiertes behaupten“. Kritik an seinen Kunstaktionen im Dom prallen ab. So verrät er „ein kleines Geheimnis“: dass er mit dem umstrittenen Maler Gottfried Helnwein „ein sicherlich sehr diskursives Kunstprojekt plant“.
Gleichgeschlechtliche kirchliche Eheschließung? „Ich hatte gedacht, ich erlebe das schon bis zu meinem 60. Geburtstag. Jetzt müssen wir noch ein bisschen warten.“ Und schließlich die Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche durch Priesterweihe, die Kardinal Schönborn im Club 3 vor Weihnachten ausgeschlossen hatte. Faber: „Da bin ich ganz anderer Meinung als der Kardinal, da widerspreche ich. Bei der Diakons- und später auch Priesterweihe der Frauen sind wir schon um einiges weitergekommen.“