Donnerstags-Demos: Renaissance der wöchentlichen Proteste gegen Schwarz-Blau
Aus dem alten Partisanenlied "Bella Ciao" wird "Basti Ciao", Künstler wie die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel oder die Schauspielerin Erni Mangold treten auf. Reden gegen die Regierung hallen über den Platz, und die Menge skandiert "Widerstand, Widerstand". Wäscheklammern werden verteilt, sie sollen Zusammenhalt symbolisieren. Die erste Donnerstags-Demo auf dem Wiener Ballhausplatz gegen die mittlerweile zweite schwarz-blaue Koalition. Es soll nicht die letzte sein; ab sofort wird wieder wöchentlich protestiert, so wie im Jahr 2000 gegen Schwarz-Blau I. "Die Aktionen sollen jedoch in vielfältigerer Form stattfinden", erklärt Mitinitiatorin Michaela Moser.
Donnerstag II: Eine Ansprache vor der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, dann ziehen rund 6000 Demonstranten durch den 7. Wiener Bezirk. Sie stapfen dem Techno-Truck hinterher, hinauf bis zur Hauptbibliothek der Stadt Wien. Dort werden Lesungen für die Pressefreiheit abgehalten.
Donnerstag III: Das Motto lautet "Augen auf! Klappe auf!". Die Aktion wird von einem Zusammenschluss von 680 österreichischen Filmschaffenden mitorganisiert. Eröffnet wird mit einem Filmscreening am Wiener Stephansplatz. Anschließend zieht der Tross, begleitet von Videoprojektionen, in Richtung eines Parks im 2. Gemeindebezirk.
Es sind weniger Menschen, die 18 Jahre nach den ersten Donnerstags-Demos gegen die Rechts-Regierung marschieren, aber der Protest ist wesentlich hipper - und das ohne Altersgrenze. Die "Omas gegen rechts" stechen mit ihrem Markenzeichen aus dem Demonstrationszug heraus. Auf ihren bunten, handgestrickten Wollhauben sind seitlich "Omas"-Buttons angepinnt. Gegründet wurde die ungewöhnliche Bewegung von der Wiener Pensionistin Monika Salzer. "Rund um den Bundespräsidenten-Wahlkampf sah ich ein Vorbild und eine Chance, die Zivilbevölkerung für Alexander Van der Bellen zu mobilisieren", sagt Salzer. Die Oma-Bewegung findet Anklang quer durch alle Bundesländer, und sogar in manchen deutschen Städten gibt es neuerdings "Oma-Gruppen".
Der Politologe Peter Filzmaier bezweifelt, dass die Donnerstags-Demos ein ähnliches Gewicht wie jene gegen Schwarz-Blau I entfalten können und nennt dafür zwei Gründe: "Damals war es ein Tabubruch in ganz Europa, mit einer Partei wie der FPÖ zu koalieren. Außerdem kam Schwarz-Blau überraschend." 2017 hingegen sei diese Regierung erwartet worden - entsprechend lau fielen die Reaktionen aus.
Dafür ist aber die Mobilisierung einfacher geworden. Alle einschlägigen Initiativen verfügen über einen Facebook-, Instagram-und Twitter-Account und können sich entsprechend schnell vernetzen. Trotzdem gibt Filzmaier zu bedenken: "Auch wenn der politische Protest durch Social Media einfacher wurde - größer wird er dadurch nicht automatisch. Auf Facebook sind Kätzchenvideos das Highlight, nicht Politikthemen." Eine weitere Folge der virtuellen Demo-Kultur ist deren Kommerzialisierung. Die Filmregisseurin Marie Kreutzer etwa druckte den Slogan "not my government" auf ein T-Shirt und postete Bilder davon auf Instagram. Das Foto wurde vielfach gelikt. Ihre Follower wollten das Shirt daraufhin kaufen, und Kreutzer entsprach den Wünschen. Mittlerweile sind rund 1000 Leibchen im Umlauf, drei Wiener Geschäfte führen sie im Sortiment.
Auf der Website der Donnerstags- Demos ist ein Online-Shop eingerichtet, über den man Pullover, Kappen und Stofftaschen ordern kann. Die Schriftzüge, Slogans und Logos funktionieren wie eine Marke. Durch den Demo-Handel finanziert sich der Protest zunehmend von selbst. Das Geld fließt laut Website in die Organisation der Donnerstags-Demos. Auch die handgestrickten Hauben der "Omas" stehen zum Verkauf, Kostenpunkt: 20 Euro.
Ob mit oder ohne Haube und "Donnerstags"-Sweater: Der erste Härtetest, ob eine nachhaltige Wiederbelebung der wöchentlichen Proteste gelingt, wird wohl ein kalter, nasser Novembertag sein.