Doris Bures (SPÖ)

Doris Bures: "Wir sind ja keine Sekte"

Doris Bures gilt als rote Machtarchitektin, die geräuschlos Mehrheiten für mehrere Kanzler organisierte. Im profil-Interview zeigt sich die Zweite Nationalratspräsidentin ungewohnt angriffslustig und ermahnt Christian Kern zur Zurückhaltung.

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profil: In der Ukraine tobt Krieg, die Preise steigen massiv, es droht eine weitere Corona-Welle-und die SPÖ fordert Neuwahlen. Ist das verantwortungsvoll?
Bures: Die Regierung ist offenbar nicht mehr handlungsfähig. So wurde etwa die Impfpflicht eingesetzt, aber nicht umgesetzt. Vor der Landtagswahl in Oberösterreich und beim jüngsten ÖVP-Parteitag wurde Corona für beendet erklärt. Das ist verantwortungslos. Wir haben eine Rekordinflation von über sieben Prozent, und die Leute kriegen 150 Euro Energiebonus-vielleicht nächstes Jahr, wohlgemerkt.

profil: Die Regierung hat eben erst ein Pflegepaket präsentiert. Ganz so handlungsunfähig ist sie nicht.
Bures: Das sind bisher aber alles bloß Ankündigungen. Die Regierung macht schöne Pressekonferenzen und kündigt da eine Milliarde an und dort eine Milliarde an. Aber das interessiert niemanden, wenn die Milliarden nicht bei den Leuten ankommen.

profil: Die aktuelle Stärke der SPÖ ist vor allem die Schwäche der ÖVP. Sebastian Kurz scheiterte nicht an der Opposition, sondern an Chats.
Bures: Das waren ja nicht nur ein paar Chats. Die öffentlichen Institutionen - Justiz, Parlament, unabhängige Medien - wurden attackiert und haben große Kollateralschäden davongetragen. Da gab es Intrigen, Manipulationen von Umfragen und den Plan, die Demokratie umzubauen. Das Projekt Ballhausplatz, dem es nur um Macht ohne jede Substanz ging, ist gescheitert. Ich würde mir von der ÖVP ehrliche Fehlerkultur erwarten, aber ich habe eher den Eindruck, dass es da wenig Einsicht gibt.

profil: Umfragen zeigen, dass die SPÖ mit Michael Ludwig oder Hans Peter Doskozil bessere Chancen auf Platz 1 hätte. Das spricht doch gegen Pamela Rendi-Wagner.
Bures: Nein. Ludwig und Doskozil-und ich würde auch noch Peter Kaiser dazunehmen - regieren in ihren Ländern erfolgreich. Sie können zeigen, dass sie die Krisen gut bewältigen. Ich weiß aus meiner Zeit als Bundesgeschäftsführerin, dass es in der Opposition viel schwieriger ist. Da muss man Kritik üben und eigene Konzepte vorlegen. Aber man kann eben noch nicht unter Beweis stellen, dass man es besser kann.

profil: Was würde denn eine SPÖ-geführte Regierung anders machen? Wer sich in der Partei umhört, stellt fest, dass selbst die eigenen Leute oft nicht wissen, wofür die Parteivorsitzende steht.
Bures: Ich bin gegen eine Oppositionsarbeit mit Schaum vor dem Mund. Wir sind eine kritisch-konstruktive Oppositionspartei, aber eine strukturelle Regierungspartei. Das heißt, wir bringen uns ein, zum Beispiel mit Vorschlägen gegen die Teuerung wie einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Wohnen und Lebensmittel.

profil: Steuersenkungen sind nicht unbedingt ein sozialdemokratisches Konzept.
Bures: Wir schlagen das ja nur für einen befristeten Zeitraum vor. Der Vorteil ist: Es geht schnell, es ist unbürokratisch, und es hilft Menschen mit geringem Einkommen besonders stark.

profil: Angesichts früherer Querschüsse gegen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner: Ist die SPÖ eine Machopartei?
Bures: Es gibt erstmals eine Parteivorsitzende der SPÖ. Das heißt, es hat sich etwas verändert. Eine allein ist aber zu wenig, es braucht eine kritische Masse. Und die gibt es in der SPÖ, weil wir viele starke Frauen ins Parlament gebracht haben, letztlich auch durch die Quote.

WIEN: SPÖ-BUNDESPARTEITAG: RENDI-WAGNER/BURES

profil: Die Frauensolidarität funktioniert also.
Bures: Ich halte nichts von dem Begriff der Frauensolidarität. Ich muss eine Frau nicht unterstützen, wenn ich ihre Inhalte nicht teile. Für Pamela Rendi-Wagner gilt, was auch für alle männlichen Vorgänger in ihrer Position gegolten hat: Sie hat als Parteivorsitzende einen legitimen Anspruch auf die Spitzenkandidatur bei der nächsten Wahl.

profil: Christian Kern könnte das anders sehen, ihm werden Ambitionen nachgesagt.
Bures: Mir hat er das noch nicht gesagt. Ich halte viel davon, dass sich ehemalige Parteivorsitzende nicht zu stark in innenpolitische Diskussionen einbringen. Sonst hätten sie in der Politik bleiben können.

profil: Und dann ist da noch Hans Peter Doskozil, der im Burgenland sein eigenes sozialdemokratisches Modell entwickelt.
Bures: Alles, was sich in der Klammer unserer Grundwerte ausgeht, hat in der SPÖ Platz. Wir sind ja keine Sekte, sondern eine Gesinnungsgemeinschaft.

profil: Der Mindestlohn, den Doskozil im Landesdienst eingeführt hat, ist ein Bruch mit der roten Tradition, dass die Lohnverhandlungen Sache der Gewerkschaften sind. Aber es bringt ihm viel Zuspruch.
Bures: Lohnverhandlungen sind eine Sache der Sozialpartner. Mit dieser Konsenspolitik sind wir in Österreich immer sehr gut gefahren. Der 1700-Euro-Mindestlohn im Burgenland ist kein Widerspruch dazu. Aber nur weil das im Burgenland beschlossen wurde, müssen das jetzt nicht alle SPÖ-geführten Länder machen.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.