SPÖ-Parteitag

Die erste Kanzlerrede des neuen SPÖ-Chefs Doskozil

Hans Peter Doskozil sah sich bereits vor der Wahl als SPÖ-Chef – und als nächster Regierungschef. Das überzeugte nicht alle.

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Am Montag wurde bekannt, dass beim Auszählen der Stimmen am Parteitag die Namen vertauscht wurden. Nicht Hans Peter Doskozil hat die Wahl gewonnen, sondern Andreas Babler. Zur Nachvollziehbarkeit der Ereignisse bleiben die Artikel in der ursprünglichen Version auf profil.at.

"Wir müssen nicht nur das Problem erkennen, sondern ins Umsetzen kommen." Hans Peter Doskozil hält sich am Samstagvormittag im prall gefüllten Design-Center Linz nicht lange mit Formalitäten auf. Er sei "erleichtert" in die oberösterreichische Landeshauptstadt gekommen, "weil es heute eine Entscheidung geben wird". Dass ihn die Deligierten vier Stunden später zum neuen SPÖ-Chef wählen werden, weiß er noch nicht. Doch der Burgenländer lag bereits bei der Mitgliederbefragung leicht voran - und erwartete daher, dass am Parteitag diesem Ergebnis Folge geleistet wird. Auf der Bühne in Linz spricht er das nicht aus, es ist auch so jedem im Publikum klar. In seiner Rede versucht der Burgenländer nicht, die Partei zu einen, im Gegenteil. Er spricht Fehler vergangener Jahre an - und präsentiert sich potenziellen Wählerinnen und Wählern als der Mann, der es besser kann.

Was erwartet sich Bevölkerung eigentlich von einer Sozialdemokratie?

Hans Peter Doskozil

fragt, worum es der Partei eigentlich geht.

"Was erwartet sich Bevölkerung eigentlich von einer Sozialdemokratie?", fragt Doskozil in die Menge. "Ganz banal Lösungen für die alltäglichen Probleme", beantwortet er selbst. Vielleicht habe die Partei zuletzt zu wenig auf die Bürgerinnen und Bürger gehört, spricht er - vermeintlich - selbstkritisch. Sein Vater habe sich gewünscht, dass der Sohn es einmal besser habe. Im Gegensatz dazu würden Eltern heute sagen: "Hoffentlich geht es unseren Kindern nicht schlechter", so Doskozil. Dieser Entwicklung müsse die Sozialdemokratie gegensteuern, fordert er.

In Wahrheit kritisiert der Burgenländer aber vor allem vergangene Entscheidungen der Bundespartei: Das Umsetzen von sozialdemokratischen Positionen habe auch bei Regierungsbeteiligung "zu oft gefehlt", im Gesundheitsbereich habe man "Gesetze beschlossen, die uns heute auf den Kopf fallen" - und Wählerinnen und Wähler würden der Sozialdemokratie keinen Glauben mehr schenken.

Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren!

Hans Peter Doskozil

hofft auf eine hinter ihm geeinte Partei.

Rechts Begeisterung, links Schweigen

Doskozils Rede spaltet den Saal in Linz: Applaus bricht stets rechts vor der Bühne aus. Dort sitzen die burgenländischen Genossinnen und Genossen. In ihrem Umfeld klatschen die Doskozil-affinen Oberösterreicher, Tiroler und Niederösterreicher mit. Die linke Saalseite bleibt dagegen stumm. Dort, wo die Delegierten aus Wien, der Gewerkschaft und der Frauenorganisation Platz genommen haben, findet sich nur vereinzelt Zustimmung für die Worte des burgenländischen Landeshauptmannes. 

Dabei kennt Doskozil sein Publikum: "Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren", ruft er die Gewerkschaft auf. Schon im parteiinternen Wahlkampf hatte er seine Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn abgeschwächt, um auf die roten Arbeitnehmerinnnen und Arbeitnehmer zuzugehen. Heute empfiehlt er den Gewerkschaftsvertretern, seine Haltung für Verhandlungen zu nutzen: "Einigen wir uns kollektivvertraglich, sonst gibt es den verrückten Burgenländer, der setzt den Mindestlohn um", könnten sie den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern vorschlagen. Die Begeisterung der Gewerkschaft hält sich in Grenzen. 

Großen Applaus erhält der Burgenländer nur dort, wo er die Partei gegen einen Außenfeind eint: Anekdoten über den burgenländischen Weg in der Gesundheitspolitik treffen auf wenig Zustimmung, Kritik an der Ärztekammer lässt Jubel aufkommen. Von Doskozils Frauenpolitik zeigen sich die SPÖ-Frauen wenig beeindruckt, für die Ablehnung der Frauenquote (die Frau dürfe nicht "auf den Reißverschluss reduziert werden) wird er sogar in folgenden Reden mehrfach gerügt. Sein Appell gegen die "sexistische Haltung" der Mediengruppe "Österreich" und das Versprechen, in dessen Medien weder aufzutreten noch Inserate zu schalten, sorgt allerdings für tobenden Applaus. Der Burgenländer präsentiert sich als unkorrumpierbar und verlässlich: "Die einzige Abhängigkeit, die wir brauchen, ist die Verpflichtung zur Bevölkerung".

Eine Ansage, die sich wohl eher an potenzielle Wählerinnen und Wähler richtet, als an die Delegierten in Linz. Letztere hätten sich wohl eher eine versöhnliche Rede über inhaltlichen Streitpunkte gewünscht. Doch bevor der Burgenländer zu Klima- oder Migrationspolitik kommen kann, wird die Zeit knapp, wie ihm selbst auffällt. Daher: "Ihr kennt’s mich, es ist heute eine Entscheidung zu treffen. Ihr müsst beide Kandidaten nehmen, so wie sie sind – mit Ecken und Kanten". Das könnte auch ein Nachteil sein: Wienerinnen und Wiener, Gewerkschaft und Frauen ließen sich in deer 45-minütigen Rede kaum überzeugen. Der Großteil von ihnen verwehrte Doskozil zum Schluss standing Ovations. Bei Babler blieben deutlich weniger sitzen – die meisten davon aus dem Burgenland. Als SPÖ-Chef muss er die zerstrittene Partei nun hinter sich vereinen.

Ein Zugeständnis an das Babler-Lager hatte er sich daher für die Dankesrede aufgehoben: Doskozil schließt nun eine Koalition mit der FPÖ doch klar aus. Außerdem gibt der neue Parteichef das Ziel aus, ohne die Volkspartei zu regieren. Er habe die ÖVP im Burgenland und im Bund erlebt, sie sei mit allen Tricksereien nur am Machterhalt interessiert. "Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition schaffen." Klappt das nicht, lässt sich der neue SPÖ-Chef aber das türkise Türchen offen.

Noch vor einem halben Jahr war eine derart lange Rede eine Herausforderung für den burgenländischen Landeshauptmann: „Ich kann nicht gewährleisten, dass ich die gesamte Budgetrede halten kann“, erklärte er Mitte November letzten Jahres im burgenländischen Landtag. Nur ein Monat zuvor war Doskozil zum fünften Mal am Kehlkopf operiert worden, in der Woche nach der Budgetrede musste der offene Luftröhrenschnitt am Hals des Landeshauptmannes zugenäht werden. Schon im November hielt Doskozil durch, auch heute war es nicht anders. Fragen nach seinem Gesundheitszustand schlug er auch gegenüber profil in den Wind: „Wenn ich kein politisches Amt ausüben könnte, würde ich nicht hier sitzen.“ Heute verspricht er: Seine Stimme werde nicht verloren gehen. Der neue SPÖ-Chef wird sie brauchen.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.